Nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde auf die Anhörungsrüge eines Verfahrensbeteiligten
BGH v. 18.10.2023 - XII ZB 169/23
Der Sachverhalt:
Die Beteiligte zu 1) wendet sich als Erbin des im Juni 2018 verstorbenen Betroffenen gegen die Festsetzung der Betreuervergütung zugunsten des Beteiligten zu 2) (Betreuer), der für den Betroffenen als Berufsbetreuer bestellt war. Der Betreuer beantragte mit im Zeitraum November 2017 bis Juni 2018 gestellten Anträgen die Festsetzung seiner Vergütung für den Zeitraum von Juli 2017 bis zum Juni 2018. Die in der Folge als Alleinerbin des Betroffenen ermittelte Beteiligte zu 1) (Erbin) erhob die Einrede der Verjährung.
Das AG setzte die aus dem Nachlass des Betroffenen zu entrichtende Vergütung auf insgesamt rd. 970 € fest. Die Beschwerde der Erbin hatte vor dem LG ebenso wenig Erfolg wie ihre vorliegende Rechtsbeschwerde vor dem BGH.
Die Gründe:
Die vom LG nachträglich ausgesprochene Zulassung der Rechtsbeschwerde bindet den Senat entgegen § 70 Abs. 2 Satz 2 FamFG nicht. Sie ist unwirksam, weil sie einer verfahrensrechtlichen Grundlage entbehrt (vgl. Senatsbeschluss vom 14.6.2023 XII ZB 517/22 FamRZ 2023, 1646).
Allerdings kann das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde nachträglich auf die von einem Verfahrensbeteiligten ordnungsgemäß angebrachte Anhörungsrüge (§ 44 FamFG) für das Rechtsbeschwerdegericht bindend zulassen, wenn bei der vorangegangenen Entscheidung, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör dieses Beteiligten vorgelegen hat. Die Anhörungsrüge räumt dem Gericht indes keine umfassende Abhilfemöglichkeit ein, sondern dient allein der Behebung von Verstößen gegen die grundgesetzliche Garantie des rechtlichen Gehörs. Das Unterbleiben der Zulassung der Rechtsbeschwerde kann im Grundsatz für sich genommen den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzen.
Eine nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde auf die Anhörungsrüge eines Verfahrensbeteiligten gem. § 44 FamFG kommt deshalb nur dann ausnahmsweise in Betracht, wenn das Beschwerdegericht bei seiner ursprünglichen Entscheidung über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde auf die Zulassungsentscheidung bezogenen Vortrag der Verfahrensbeteiligten verfahrensfehlerhaft übergangen hat oder wenn das Beschwerdeverfahren aufgrund eines Gehörsverstoßes gem. § 44 Abs. 5 FamFG fortgeführt wird und sich erst aus dem anschließend gewährten rechtlichen Gehör ein Grund für die Zulassung ergibt. Beides ist hier nicht der Fall.
Das LG hat die Fortführung des Verfahrens nach § 44 Abs. 5 FamFG mangels Vorliegens eines Gehörsverstoßes abgelehnt, so dass sich ein auf die Rechtsbeschwerdezulassung bezogener Grund auch nicht im Rahmen einer Verfahrensfortsetzung ergeben konnte. Selbst wenn das LG aber das Verfahren fortgeführt hätte, wäre die nachträgliche Zulassungsentscheidung unwirksam. Denn das LG hätte das Verfahren auf die Anhörungsrüge der Erbin mangels Darlegung eines Gehörsverstoßes jedenfalls nicht fortführen dürfen und konnte daher die Rechtsbeschwerde schon aus diesem Grunde nicht wirksam zulassen. Für eine zulässige Anhörungsrüge ist nach § 44 Abs. 2 Satz 4, Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FamFG die schlüssige Darlegung erforderlich, dass dem Gericht eine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beteiligten unterlaufen ist. Hieran fehlt es vorliegend.
Mit ihrer Anhörungsrüge hat die Erbin, wie auch das LG erkannt hat, lediglich auf eine abweichende Auffassung zur Verjährungsfrage verwiesen und hierzu eine Referenzentscheidung und eine weitere Fundstelle benannt, die das LG vor der Entscheidung über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde nicht in den Blick genommen hatte. Sie hat sich damit auf eine Argumentation zur Sache beschränkt, aber eine für die Zulassung der Rechtsbeschwerde relevante Gehörsverletzung nicht aufgezeigt. Bei der Beurteilung, ob die Anhörungsrüge statthaft, zulässig und begründet war und das Verfahren daher fortgeführt werden durfte, ist der Senat nicht an die Beurteilung des Beschwerdegerichts gebunden, sondern hat dessen Entscheidung, aufgrund einer Anhörungsrüge das Verfahren fortzuführen, selbst zu überprüfen.
Mehr zum Thema:
Kommentierung | FAMFG
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§ 70 Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde
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Rechtsprechung (im Beschluss zitierte Entscheidung):
§§ 43 I, 44, 70 I, II FamFG: Nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde auf Gegenvorstellung
BGH vom 14.06.2023 - XII ZB 517/22
FamRZ 2023, 1646
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Die Beteiligte zu 1) wendet sich als Erbin des im Juni 2018 verstorbenen Betroffenen gegen die Festsetzung der Betreuervergütung zugunsten des Beteiligten zu 2) (Betreuer), der für den Betroffenen als Berufsbetreuer bestellt war. Der Betreuer beantragte mit im Zeitraum November 2017 bis Juni 2018 gestellten Anträgen die Festsetzung seiner Vergütung für den Zeitraum von Juli 2017 bis zum Juni 2018. Die in der Folge als Alleinerbin des Betroffenen ermittelte Beteiligte zu 1) (Erbin) erhob die Einrede der Verjährung.
Das AG setzte die aus dem Nachlass des Betroffenen zu entrichtende Vergütung auf insgesamt rd. 970 € fest. Die Beschwerde der Erbin hatte vor dem LG ebenso wenig Erfolg wie ihre vorliegende Rechtsbeschwerde vor dem BGH.
Die Gründe:
Die vom LG nachträglich ausgesprochene Zulassung der Rechtsbeschwerde bindet den Senat entgegen § 70 Abs. 2 Satz 2 FamFG nicht. Sie ist unwirksam, weil sie einer verfahrensrechtlichen Grundlage entbehrt (vgl. Senatsbeschluss vom 14.6.2023 XII ZB 517/22 FamRZ 2023, 1646).
Allerdings kann das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde nachträglich auf die von einem Verfahrensbeteiligten ordnungsgemäß angebrachte Anhörungsrüge (§ 44 FamFG) für das Rechtsbeschwerdegericht bindend zulassen, wenn bei der vorangegangenen Entscheidung, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör dieses Beteiligten vorgelegen hat. Die Anhörungsrüge räumt dem Gericht indes keine umfassende Abhilfemöglichkeit ein, sondern dient allein der Behebung von Verstößen gegen die grundgesetzliche Garantie des rechtlichen Gehörs. Das Unterbleiben der Zulassung der Rechtsbeschwerde kann im Grundsatz für sich genommen den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzen.
Eine nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde auf die Anhörungsrüge eines Verfahrensbeteiligten gem. § 44 FamFG kommt deshalb nur dann ausnahmsweise in Betracht, wenn das Beschwerdegericht bei seiner ursprünglichen Entscheidung über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde auf die Zulassungsentscheidung bezogenen Vortrag der Verfahrensbeteiligten verfahrensfehlerhaft übergangen hat oder wenn das Beschwerdeverfahren aufgrund eines Gehörsverstoßes gem. § 44 Abs. 5 FamFG fortgeführt wird und sich erst aus dem anschließend gewährten rechtlichen Gehör ein Grund für die Zulassung ergibt. Beides ist hier nicht der Fall.
Das LG hat die Fortführung des Verfahrens nach § 44 Abs. 5 FamFG mangels Vorliegens eines Gehörsverstoßes abgelehnt, so dass sich ein auf die Rechtsbeschwerdezulassung bezogener Grund auch nicht im Rahmen einer Verfahrensfortsetzung ergeben konnte. Selbst wenn das LG aber das Verfahren fortgeführt hätte, wäre die nachträgliche Zulassungsentscheidung unwirksam. Denn das LG hätte das Verfahren auf die Anhörungsrüge der Erbin mangels Darlegung eines Gehörsverstoßes jedenfalls nicht fortführen dürfen und konnte daher die Rechtsbeschwerde schon aus diesem Grunde nicht wirksam zulassen. Für eine zulässige Anhörungsrüge ist nach § 44 Abs. 2 Satz 4, Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FamFG die schlüssige Darlegung erforderlich, dass dem Gericht eine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beteiligten unterlaufen ist. Hieran fehlt es vorliegend.
Mit ihrer Anhörungsrüge hat die Erbin, wie auch das LG erkannt hat, lediglich auf eine abweichende Auffassung zur Verjährungsfrage verwiesen und hierzu eine Referenzentscheidung und eine weitere Fundstelle benannt, die das LG vor der Entscheidung über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde nicht in den Blick genommen hatte. Sie hat sich damit auf eine Argumentation zur Sache beschränkt, aber eine für die Zulassung der Rechtsbeschwerde relevante Gehörsverletzung nicht aufgezeigt. Bei der Beurteilung, ob die Anhörungsrüge statthaft, zulässig und begründet war und das Verfahren daher fortgeführt werden durfte, ist der Senat nicht an die Beurteilung des Beschwerdegerichts gebunden, sondern hat dessen Entscheidung, aufgrund einer Anhörungsrüge das Verfahren fortzuführen, selbst zu überprüfen.
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