Neben- und Betriebskosten: Unklare Formulierungen in AGB des Vermieters gehen im Zweifel zu seinen Lasten
AG Düsseldorf v. 6.5.2024 - 37 C 285/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war von 2012 bis Ende Juni 2022 Mieterin der Wohnung der Beklagten. Sie hatte bei Mietbeginn eine Mietkaution i.H.v. 1.920 an die Beklagte überwiesen. In § 4 Nr. 1 des Mietvertrages war handschriftlich die Netto-Miete mit 640 € angegeben. Darunter stand ebenfalls handschriftlich "Nebenkosten inkl." sowie "Heizungsvorauszahlung" 150 €. In § 4 Nr. 2 waren die einzelnen Betriebskosten bzw. Nebenkosten aufgezählt, u.a. die Heizungs- und Warmwasserversorgung.
Die Beklagte ließ der Klägerin die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2021 zukommen, woraus sich Heizkosten i.H.v. 1.506,24 € ergaben und sonstige Betriebs- und Nebenkosten i.H.v. 1.097 €. Die Beklagte machte daher eine Nachzahlung von 804 € geltend sowie für die ersten drei Monate des Jahres 2022 eine geschätzte Nachzahlung von 201 €. Ferner machte sie für 2021 Grundsteuer i.H.v. 260 € geltend sowie für 2022 i.H.v. 65 €. Die erheblichen Nachforderungen ergaben sich daraus, dass die Beklagte während des gesamten Mietverhältnisses die Betriebs- und Nebenkosten nie abgerechnet und daher auch die Vorauszahlung nicht der allgemeinen Preisentwicklung angepasst hatte. Die Beklagte erklärte mit den Gegenforderungen die Aufrechnung mit dem Kautionsrückzahlungsanspruch der Klägerin.
Nachdem die Beklagte den übersteigenden Kautionsbetrag i.H.v. 590 € zzgl. Zinsen ausgezahlt hatte, forderte die Klägerin einen weiteren Betrag von 1.784,88 €. Sie war der Ansicht, die Regelung im Mietvertrag zu den Betriebs- und Nebenkosten sei so zu verstehen, dass nur über die Heizkosten abzurechnen sei, die übrigen Betriebs- und Nebenkosten als Pauschale in der Grundmiete enthalten seien. Daher seien der Vorauszahlung i.H.v. 1.800 € nur die angefallenen Heizkosten i.H.v. 1506,24 € gegenüberzustellen. Es ergebe sich daher ein Guthaben i.H.v. 293,76 €. Zudem sei die einbehaltene Restkaution i.H.v. 1.330 € freizugeben.
Das AG hat der Klage vollumfänglich stattgegeben.
Die Gründe:
Der Klägerin steht nach Beendigung des Mietverhältnisses ein Rückzahlungsanspruch aus der zusammen mit dem Mietvertrag konkludent geschlossenen Sicherungsvereinbarung in Bezug auf die Kaution zu. Aus dieser Sicherungsvereinbarung folgte nach Ende des Sicherungszwecks ein Anspruch auf Rückzahlung. Demnach ist die Kaution nach Beendigung des Mietverhältnisses mangels Fortdauer des Sicherungszwecks zurückzuerstatten.
Ein gem. §§ 387 bis 389 BGB aufrechenbarer Gegenanspruch auf Nachzahlung von Neben- und Betriebskosten besteht nicht. Zwar war die Aufrechnung wirksam erklärt worden, jedoch fehlte es an der Gegenforderung, da die Regelung im Mietvertrag so auszulegen war, dass nur die Heizkosten abzurechnen waren, während die sonstigen Betriebs- und Nebenkosten pauschal abgegolten wurden. Denn bei der Regelung handelte es sich um von der Beklagten gestellte AGB gem. § 305 Abs. 1 S.1 BGB. Dass das verwendete Formular teilweise handschriftlich ausgefüllt worden war, änderte niuchts daran. Nach § 305 Abs. 1 S.2 BGB kommt es nämlich gerade auf Schriftart und Form des Vertrags nicht an.
Gem. § 305c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung der AGB zu Lasten des Verwenders. Diese Regelung bewirkt nicht nur, dass eine unklar formulierte Geschäftsbedingung im Zweifel unwirksam ist, sondern auch, dass bei in jedem Fall gegebener Wirksamkeit - wie hier - die dem Kunden günstigste Auslegung zum Tragen kommt. Was die günstige Auslegung ist, ergibt sich dabei aus der individuellen Situation des Kunden im jeweiligen Individualprozess. Im Fall einer geforderten Nachzahlung von Neben- und Betriebskosten ist dies eine Auslegung dahingehend, dass eine Pauschale vereinbart ist.
Diese Auslegung war hier mit dem Wortlaut vereinbar. Eine solche Auslegungsmöglichkeit ergab sich insbesondere daraus, dass das im Fettdruck vorgegebene Feld für die Vorauszahlung der Nebenkosten unausgefüllt geblieben war. Bei einer Vereinbarung aller Neben- und Betriebskosten einschließlich der Heizkosten als nicht weiter zwischen den einzelnen Kostenarten differenzierende Vorauszahlung sah die Vertragssystematik es hier vor, den Wert an dieser Stelle handschriftlich einzufügen. Die aufgeführten einzelnen Kostenarten enthielten ausdrücklich auch die Heizkosten.
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Justiz NRW
Die Klägerin war von 2012 bis Ende Juni 2022 Mieterin der Wohnung der Beklagten. Sie hatte bei Mietbeginn eine Mietkaution i.H.v. 1.920 an die Beklagte überwiesen. In § 4 Nr. 1 des Mietvertrages war handschriftlich die Netto-Miete mit 640 € angegeben. Darunter stand ebenfalls handschriftlich "Nebenkosten inkl." sowie "Heizungsvorauszahlung" 150 €. In § 4 Nr. 2 waren die einzelnen Betriebskosten bzw. Nebenkosten aufgezählt, u.a. die Heizungs- und Warmwasserversorgung.
Die Beklagte ließ der Klägerin die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2021 zukommen, woraus sich Heizkosten i.H.v. 1.506,24 € ergaben und sonstige Betriebs- und Nebenkosten i.H.v. 1.097 €. Die Beklagte machte daher eine Nachzahlung von 804 € geltend sowie für die ersten drei Monate des Jahres 2022 eine geschätzte Nachzahlung von 201 €. Ferner machte sie für 2021 Grundsteuer i.H.v. 260 € geltend sowie für 2022 i.H.v. 65 €. Die erheblichen Nachforderungen ergaben sich daraus, dass die Beklagte während des gesamten Mietverhältnisses die Betriebs- und Nebenkosten nie abgerechnet und daher auch die Vorauszahlung nicht der allgemeinen Preisentwicklung angepasst hatte. Die Beklagte erklärte mit den Gegenforderungen die Aufrechnung mit dem Kautionsrückzahlungsanspruch der Klägerin.
Nachdem die Beklagte den übersteigenden Kautionsbetrag i.H.v. 590 € zzgl. Zinsen ausgezahlt hatte, forderte die Klägerin einen weiteren Betrag von 1.784,88 €. Sie war der Ansicht, die Regelung im Mietvertrag zu den Betriebs- und Nebenkosten sei so zu verstehen, dass nur über die Heizkosten abzurechnen sei, die übrigen Betriebs- und Nebenkosten als Pauschale in der Grundmiete enthalten seien. Daher seien der Vorauszahlung i.H.v. 1.800 € nur die angefallenen Heizkosten i.H.v. 1506,24 € gegenüberzustellen. Es ergebe sich daher ein Guthaben i.H.v. 293,76 €. Zudem sei die einbehaltene Restkaution i.H.v. 1.330 € freizugeben.
Das AG hat der Klage vollumfänglich stattgegeben.
Die Gründe:
Der Klägerin steht nach Beendigung des Mietverhältnisses ein Rückzahlungsanspruch aus der zusammen mit dem Mietvertrag konkludent geschlossenen Sicherungsvereinbarung in Bezug auf die Kaution zu. Aus dieser Sicherungsvereinbarung folgte nach Ende des Sicherungszwecks ein Anspruch auf Rückzahlung. Demnach ist die Kaution nach Beendigung des Mietverhältnisses mangels Fortdauer des Sicherungszwecks zurückzuerstatten.
Ein gem. §§ 387 bis 389 BGB aufrechenbarer Gegenanspruch auf Nachzahlung von Neben- und Betriebskosten besteht nicht. Zwar war die Aufrechnung wirksam erklärt worden, jedoch fehlte es an der Gegenforderung, da die Regelung im Mietvertrag so auszulegen war, dass nur die Heizkosten abzurechnen waren, während die sonstigen Betriebs- und Nebenkosten pauschal abgegolten wurden. Denn bei der Regelung handelte es sich um von der Beklagten gestellte AGB gem. § 305 Abs. 1 S.1 BGB. Dass das verwendete Formular teilweise handschriftlich ausgefüllt worden war, änderte niuchts daran. Nach § 305 Abs. 1 S.2 BGB kommt es nämlich gerade auf Schriftart und Form des Vertrags nicht an.
Gem. § 305c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung der AGB zu Lasten des Verwenders. Diese Regelung bewirkt nicht nur, dass eine unklar formulierte Geschäftsbedingung im Zweifel unwirksam ist, sondern auch, dass bei in jedem Fall gegebener Wirksamkeit - wie hier - die dem Kunden günstigste Auslegung zum Tragen kommt. Was die günstige Auslegung ist, ergibt sich dabei aus der individuellen Situation des Kunden im jeweiligen Individualprozess. Im Fall einer geforderten Nachzahlung von Neben- und Betriebskosten ist dies eine Auslegung dahingehend, dass eine Pauschale vereinbart ist.
Diese Auslegung war hier mit dem Wortlaut vereinbar. Eine solche Auslegungsmöglichkeit ergab sich insbesondere daraus, dass das im Fettdruck vorgegebene Feld für die Vorauszahlung der Nebenkosten unausgefüllt geblieben war. Bei einer Vereinbarung aller Neben- und Betriebskosten einschließlich der Heizkosten als nicht weiter zwischen den einzelnen Kostenarten differenzierende Vorauszahlung sah die Vertragssystematik es hier vor, den Wert an dieser Stelle handschriftlich einzufügen. Die aufgeführten einzelnen Kostenarten enthielten ausdrücklich auch die Heizkosten.
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