19.02.2020

Notarhaftung bei Verwendung einer (unwirksamen) unbefristeten Fortgeltungsklausel

Bei Verwendung einer (unwirksamen) unbefristeten Fortgeltungsklausel in einem von ihm vorformulierten Angebot zum Kauf einer Immobilie handelt der Zentral- bzw. Vollzugsnotar amtspflichtwidrig, wenn er ohne vorherige Abklärung des Willens der Käufer in Bezug auf das weitere Vorgehen im Rahmen der ihm obliegenden "betreuenden" Belehrung die Annahme der Verkäuferin beurkundet und den Kaufvertrag vollzieht, insbesondere, indem er die Fälligkeit des Kaufpreises gegenüber den Käufern bestätigt.

BGH v. 23.1.2020 - III ZR 28/19
Der Sachverhalt:
Die Kläger nehmen den Beklagten wegen notarieller Amtspflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch. Im November 2006 hatte der Notar K. ein Angebot der Kläger zum Kauf einer Eigentumswohnung beurkundet. § 2 des Angebots enthielt u.a. folgende Klausel:

"An das Angebot hält sich der Käufer bis zum 31.12.2006 gebunden. ...

Nach Ablauf der Frist erlischt nur die Bindung an das Angebot. Das Angebot selbst gilt solange weiter, bis der Käufer dieses gegenüber dem - Notar J., ... [= Beklagter]
nachstehend Vollzugsnotar genannt, widerruft. Der Vollzugsnotar ist vom Verkäufer zur Entgegennahme des Widerrufs bevollmächtigt worden.
Der Käufer ist darüber belehrt, dass er nach Ablauf der Frist das Angebot ausdrücklich widerrufen muss, sofern er nicht mehr an das Angebot gebunden sein will und der Widerruf erst mit Zugang bei dem Vollzugsnotar wirksam wird."


Der Angebotstext war - mit Ausnahme des von Notar K. eingefügten Ablaufdatums der Bindungsfrist - vom Beklagten als Muster zur Verwendung in einer Vielzahl von Fällen für die Verkäuferin vorformuliert worden.

Im März 2007 beurkundete der Beklagte die Annahme des Angebots durch die Verkäuferin und vollzog den Kaufvertrag. Die Kläger machten daraufhin geltend, der Beklagte habe sie pflichtwidrig nicht darauf hingewiesen, dass sie zum Zeitpunkt der Beurkundung der Annahme nicht mehr an ihr Angebot gebunden gewesen seien. Sie verlangten deshalb von ihm die Erstattung des gezahlten Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Übertragung des Eigentums an der Wohnung.

Das LG hat die Klage unter Verweis auf den Subsidiaritätsgrundsatz des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO mit der Begründung abgewiesen, die Kläger hätten die Verkäuferin in Anspruch nehmen können. Die Berufung blieb erfolglos. Auf die Revision der Kläger hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.

Gründe:
Das Berufungsgericht hat zwar rechtsfehlerfrei eine schuldhafte Amtspflichtverletzung des beklagten Notars angenommen, ist jedoch zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Kläger beweispflichtig dafür sind, dass bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten der Wohnungskauf nicht abgewickelt worden und der geltend gemachte Kaufpreisschaden nicht entstanden wäre. Denn in der vorliegenden Fallkonstellation zielt die Frage, wie sich die Kläger hypothetisch verhalten hätten, auf das Bestehen einer den haftungsausfüllenden Zurechnungszusammenhang unterbrechenden Reserveursache ab, für die der Beklagte als Schädiger die Beweislast trägt.

Bei Verwendung einer (unwirksamen) unbefristeten Fortgeltungsklausel in einem von ihm vorformulierten Angebot zum Kauf einer Immobilie handelt der Zentral- bzw. Vollzugsnotar amtspflichtwidrig, wenn er ohne vorherige Abklärung des Willens der Käufer in Bezug auf das weitere Vorgehen im Rahmen der ihm obliegenden "betreuenden" Belehrung die Annahme der Verkäuferin beurkundet und den Kaufvertrag vollzieht, insbesondere, indem er die Fälligkeit des Kaufpreises gegenüber den Käufern bestätigt. Da die haftungsausfüllende Kausalität dieser Pflichtverletzung für den eingetretenen Kaufpreisschaden feststeht, betrifft die hypothetische Frage, ob dieser auch bei pflichtgemäßem Verhalten des beklagten Notars entstanden wäre, weil die Urkundsbeteiligten ungeachtet der ihnen gegenüber offengelegten Zweifel an der fortbestehenden Wirksamkeit ihres Angebots an dem Abschluss des Kaufvertrags festgehalten hätten, eine im Rahmen des haftungsausfüllenden Zurechnungszusammenhangs zu beachtende Reserveursache, für die der Notar nachweispflichtig ist.

Der Rechtsfehler des OLG ist auch entscheidungserheblich. Zwar hat es die Vorinstanz aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme für "sehr viel wahrscheinlicher" gehalten, dass die Kläger auf eine Belehrung des Beklagten hin eine erneute Vertragserklärung abgegeben hätten, als dass der Wohnungskauf nicht abgewickelt worden und der geltend gemachte Kaufpreisschaden nicht entstanden wäre. Dieser (nur) vergleichenden Betrachtung lässt sich indes nicht zweifelsfrei entnehmen, dass das Berufungsgericht es auch bei zutreffender Verortung der Beweislast auf Seiten des beklagten Notars in einem dem Beweismaß des § 287 ZPO entsprechenden Sinne als ganz überwiegend wahrscheinlich und damit als erwiesen angesehen hätte, dass die Kläger auf Hinweis zur Beseitigung der Rechtsunsicherheit ein neues Kaufangebot abgegeben hätten.
BGH online
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