Notwegerecht bei einem in einer privaten Ringstraße gefangenen Reihenhaus
OLG Rostock v. 28.10.2022 - 3 U 13/21Der Kläger ist Eigentümer eines Flurstücks, das eine gepflasterte Verkehrsfläche darstellt, die als schmale u-förmige Ringstraße angelegt ist und an ihren beiden östlichen Enden an eine öffentliche Straße anschließt. Zwischenzeitlich ist das Flurstück geteilt worden. Der Kläger ist ferner Eigentümer eines bebauten Flurstücks, das am westlichen Scheitelpunkt innerhalb der Ringstraße liegt.
Die Beklagten sind ebenfalls Eigentümer eines Flurstücks in der privaten Ringstraße und bewohnen ein darauf gelegenes Reihenhaus. Eingang und Stellplätze liegen am nördlichen Teil der Ringstraße. Garten und Terrasse liegen im Süden und grenzen an den südlichen Teil der Ringstraße.
Der Kläger war der Ansicht, die Beklagten könnten lediglich ein Notwegerecht bis zu ihrem Grundstück beanspruchen, und zwar gegen Zahlung einer Notwegerente. Es genüge, wenn sie ihr Grundstück erreichen könnten. Die Beklagten haben sich auf Gewohnheitsrecht berufen und im Übrigen die Ansicht vertreten, es sei ihnen nicht zuzumuten, ihr Haus über den Garten, die Terrasse und durch das Wohnzimmer zu betreten.
Das LG hat die Klage auf Unterlassung abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG die Entscheidung teilweise abgeändert und der Klage insofern stattgegeben.
Die Gründe:
Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, kann der Eigentümer gem. § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Der Anspruch ist gem. § 1004 Abs. 2 BGB jedoch ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist, weil sich die Beeinträchtigung nicht als rechtswidrig darstellt.
Im vorliegenden Fall ergibt sich eine Duldungspflicht des Klägers aus § 917 BGB. Fehlt einem Grundstück - wie hier - die zur ordnungsgemäßen Nutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, kann der Eigentümer gem. § 917 Abs. 1 BGB von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Behebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Was erforderlich ist, bestimmt sich nach der Art der Nutzung des Grundstückes. Der BGH hat mit Urteil vom 12.12.2008 (Az. V ZR 106/07) ausgesprochen, dass die Verbindung eines Wohngrundstücks mit der öffentlichen Straße nur über einen Geh- und Radweg auf städtischem Grund nicht genügt und ein Notwegerecht begründet.
Die vom BGH aufgestellten Grundsätze bedeuten aber nicht, dass es genügt, wenn das Grundstück an einem beliebigen Punkt mit dem Kfz erreicht werden kann, also quasi eine Berührungsmöglichkeit besteht. Ausreichend, aber auch erforderlich ist es, wenn das Kfz unmittelbar an das Wohngrundstück heranfahren kann und von dieser Stelle aus der Eingangsbereich in "zumutbarer Weise" (auch mit sperrigen Gegenständen) erreicht werden kann. Da es sich vorliegend um ein Reihenhaus handelt, ist genau dies nicht gegeben. Sie müssten durch den Garten und über die Terrasse ins Wohnzimmer gehen. Den Eingang können sie nicht erreichen, weil dieser sich auf der Nordseite befindet. Folglich ist ihnen das Notwegerecht zu gewähren.
Der Unterlassungsantrag betreffend den südlichen Teil der Ringstraße hat hingegen Erfolg. Da den Beklagten bereits ein Wegerecht an einem anderen Flurstück 4/84 zusteht, ist ihr Grundstück hinreichend erreichbar und es bedarf auch keines Notwegerechtes an einem weiteren Flurstück. Ein weitergehendes Wegerecht, welches über ein Notwegerecht hinaus geht und die Beklagten zu einer kostenlosen Nutzung der Ringstraße berechtigt, ergibt sich aus einer schuldrechtlichen Vereinbarung nicht; ein weitergehendes dingliches Recht, welches durch eine Dienstbarkeit gesichert ist, ist nicht bestellt, wenn der Kläger dies den Beklagten auch angeboten hat.
Rechtsprechung
Notwegerecht bei fehlender Verbindung mit öffentlichem Weg
BGH vom 13.05.2022 - V ZR 4/21
MDR 2022, 1086
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