OLG Frankfurt a.M. legt EuGH Fragen zum Widerrufsrecht beim Kilometerleasing vor
OLG Frankfurt a.M. v. 22.9.2021 - 17 U 42/20Der Kläger leaste bei der Beklagten einen Neuwagen. Die Laufzeit des Vertrages betrug 48 Monate. Es war kein ordentliches Kündigungsrecht vorgesehen. Der Kläger sollte ein monatliches Entgelt zahlen. Die Beklagte räumte ihm eine Kaufoption zum regulären Vertragsende ein. Es bestand keine Abnahmeverpflichtung des Klägers. Der Vertrag enthielt eine Regelung über die Laufleistung während der Leasingzeit, wobei für Minderkilometer seitens der Beklagten ein Ausgleich gezahlt werden sollte, während bei Mehrkilometern seitens der Kläger eine Vergütung zahlen sollte. Das kalkulatorische Risiko für den Wert des Fahrzeugs bei Vertragsende trug die Beklagte. Der Vertrag wurde unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen (sog. Fernabsatzvertrag).
Der Kläger hat seine Vertragserklärung widerrufen und verlangt mit der Klage die Rückabwicklung des Leasingvertrages. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat nunmehr das Berufungsverfahren ausgesetzt und gemäß Art. 267 Abs. 1, Abs. 2 AEUV dem EuGH Fragen zum Ausschluss und der Befristung eines fernabsatzrechtlichen Widerrufsrechts zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der Beschluss ist nicht anfechtbar.
Die Vorlagefragen lauten:
- Stellen Kraftfahrzeug-Leasingverträge mit einem Verbraucher mit Kilometerabrechnung mit einer Laufzeit von 48 Monaten Dienstleistungen in dem Bereich "Mietwagen" dar und unterfallen sie deshalb dem Ausnahmetatbestand für ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht gem. Art. 16 lit. l) RL 2001/83/EU?
Wenn die Frage verneint wird:
- Stellen Kraftfahrzeug-Leasingverträge mit einem Verbraucher mit Kilometerabrechnung Verträge über Finanzdienstleistungen im Sinne von Art. 2 lit. b) RL 2002/65/EG, die von Art. 2 Nr. 12 RL 2011/83/EU übernommen wurde, dar?
Die Gründe:
Der BGH hat das Bestehen eines Widerrufsrechts nach § 506 BGB verneint. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sind derartige Verträge nicht als sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe einzuordnen, da in ihnen keine Verpflichtung zum Erwerb des Leasinggegenstandes vorgesehen ist und die Richtlinie 2008/48/EG (Zweite Verbraucherkreditverträge-Richtlinie) derartige Vertragsgestaltungen ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich herausnimmt (BGH v. 24.2.2021 - VIII ZR 36/20).
Damit hängt der Ausgang des Rechtsstreits maßgeblich davon ab, ob dem Kläger ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht zusteht. Die Richtlinie 2011/83/EU, die insoweit mit § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB in deutsches Recht umgesetzt worden ist, nimmt Dienstleistungen im Bereich Mietwagen (Kraftfahrzeugvermietung) zu einem spezifischen Termin oder Zeitraum aus dem Anwendungsbereich des fernabsatzrechtlichen Widerrufsrechts heraus. Es stellt sich damit die Frage, ob in den Bereich der Mietwagen auch Leasingverträge mit Kilometerabrechnung fallen, nachdem bei diesen Verträgen die Gebrauchsüberlassung wie bei der reinen Miete im Vordergrund steht und der EuGH zur Vorgängernorm entschieden hat, dass Automietverträge als Dienstleistungen im Bereich "Beförderung" anzusehen sind (vgl. EuGH v. 10.3.2005 - C 336/03). Die obergerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage ist uneinheitlich.
Sollte der EuGH die vorgenannte Frage verneinen, ist zu klären, ob für die Ausübung des Widerrufsrechts eine Ausschlussfrist von 12 Monaten nach Ablauf der ursprünglichen Widerrufsfrist von 14 Tagen besteht. Von diesem Ausschlusstatbestand hat § 356 Abs. 3 S. 3 BGB ausdrücklich Verträge über Finanzdienstleistungen ausgenommen. Finanzdienstleistungen werden in der Richtlinie 2002/65/EG als Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung definiert. Nachdem bei der vorliegenden Art des Leasingvertrages der Finanzierungscharakter der Dienstleistung nicht im Vordergrund steht, wird erwogen, das Vorliegen einer Finanzdienstleistung zu verneinen. Da die Frage nicht eindeutig zu beantworten ist, ist auch insoweit eine Vorlage an den EuGH veranlasst.