Online-Teilnahme an WEG-Versammlungen - Wer darf die Anforderungen an Hard- und Software bestimmen?
AG Berlin-Mitte v. 2.5.2024 - 22 C 50/23 WEG
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Mit Schreiben vom 23.10.2023 hatte die Hausverwaltung unter Beifügung der Tagesordnung sowie vorgeschlagener Beschlussanträge zur Versammlung eingeladen. Ein Hinweis auf die Möglichkeit, Online an der Versammlung teilzunehmen, enthielt die Einladung nicht. Unter TOP 9 war die Abstimmung über die Möglichkeit der Online-Teilnahme an Eigentümerversammlungen angekündigt.
In der Wohnungseigentümerversammlung vom 1.11.2023, an der die Klägerin persönlich teilnahm, wurde unter TOP 1 mehrheitlich beschlossen, dass der TOP 9 ("Beschluss zur Möglichkeit der Online-Teilnahme"), als zweiter Tagesordnungspunkt behandelt werden solle. Unter TOP 2 beschlossen die Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümerinnen, dass es den Eigentümern für die nächste Eigentümerversammlungen gem. § 23 Absatz 1 Satz 2 WEG gestattet sein soll, an der Versammlung online teilzunehmen. Dabei wurde bestimmt, dass das elektronische Kommunikationssystem seitens der Hausverwaltung in Absprache mit dem Verwaltungsbeirat dann aktuell festgelegt gelegt werden soll.
Die Klägerin behauptete, es hätten bereits bei der Abstimmung zu TOP 2 Wohnungseigentümer bzw. -eigentümerinnen online teilgenommen. Sie meinte die Beschlüsse seien nichtig, jedenfalls ungültig. Zudem war sie der Ansicht, die Wohnungseigentümer hätten eine Entscheidung über die Modalitäten der Teilnahme, insbesondere zur Wahl des elektronischen Kommunikationssystems oder Vorgaben zu den technischen Anforderungen an Hard- und Software, treffen müssen.
Das AG hat die Klage insbesondere zur Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses zur Möglichkeit der Online-Teilnahme an Versammlungen abgewiesen.
Die Gründe:
Der Beschluss zu TOP 2 (Möglichkeit der Online-Teilnahme an Versammlungen) ist weder nichtig, noch ungültig.
Weder die Veränderung der Reihenfolge der Tagesordnung, noch die inhaltliche Ausgestaltung des Beschlusses oder fehlende Erläuterungen zu Hardware- und Softwareausstattung begründeten eine Nichtigkeit. Der Beschluss ist insbesondere hinreichend bestimmt und konkret gefasst worden. Er greift in inhaltlicher Hinsicht auch nicht in den unantastbaren Kernbereich der Wohnungseigentümer ein. Selbst wenn an dem Beschluss und der Erörterung Eigentümer bzw. Eigentümerinnen online teilgenommen hätten, begründete dies keine Nichtigkeit. Den Vortrag der Klägerin unterstellt, wäre der Gestattungsbeschluss zwar formell mangelhaft. Denn eine wirksame Teilnahme an der Beschlussfassung ohne Anwesenheit am Versammlungsort ist erst möglich, wenn zuvor hierüber gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG ein Beschluss (sog. Gestattungsbeschluss) gefasst worden ist. Formelle Fehler, d.h. Mängel, welche die Art und Weise des Zustandekommens von Beschlüssen betreffen, begründen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung aber nur in Ausnahmefällen die Nichtigkeit eines Beschlusses (vgl. für sog. Corona-Versammlungen jüngst: BGH, Urt. v. 8.3.2024 - V ZR 80/23).
Selbst die Nichteinladung einzelner Eigentümer führt regelmäßig nur zur Anfechtbarkeit der Beschlüsse, nicht aber zu deren Nichtigkeit. Eine solche ist etwa in seltenen Fällen böswilliger Nichteinladung erwogen worden. Daran gemessen führte die Verletzung des § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG vorliegend nicht zur Nichtigkeit. Auch § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG ist eine dispositive Vorschrift. Anhaltspunkte dafür, dass bewusst und in böswilliger Absicht einzelnen Wohnungseigentümer/innen die online-Teilnahme trotz fehlenden Gestattungsbeschlusses ermöglicht werden sollte, waren weder dargetan noch ersichtlich.
Der Beschluss zu TOP 2 entspricht zudem einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Die Wohnungseigentümer mussten keine Entscheidungen über die Modalitäten der Teilnahme, insbesondere zur Wahl des elektronischen Kommunikationssystems oder Vorgaben zu den technischen Anforderungen an Hard- und Software, treffen. Es ist durchaus möglich diese Entscheidungen der Verwaltung in Absprache mit dem Beirat zu überlassen (Hinweis u.a. auf AG München v. 27.4.2022, 1292 C 19128/21 WEG, ZMR 2022, 931). Soweit teilweise gegenteiliges vertreten wird, (Hinweis u.a. auf Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 23 WEG Rz. 35), überzeugt dies nicht. Der Wortlaut des § 23 Abs. 1 S. 2 WEG sieht nämlich lediglich vor, dass eine Entscheidung über die grundsätzliche Gestattung und die wahrzunehmenden Eigentümerrechte zu treffen sind.
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Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Mit Schreiben vom 23.10.2023 hatte die Hausverwaltung unter Beifügung der Tagesordnung sowie vorgeschlagener Beschlussanträge zur Versammlung eingeladen. Ein Hinweis auf die Möglichkeit, Online an der Versammlung teilzunehmen, enthielt die Einladung nicht. Unter TOP 9 war die Abstimmung über die Möglichkeit der Online-Teilnahme an Eigentümerversammlungen angekündigt.
In der Wohnungseigentümerversammlung vom 1.11.2023, an der die Klägerin persönlich teilnahm, wurde unter TOP 1 mehrheitlich beschlossen, dass der TOP 9 ("Beschluss zur Möglichkeit der Online-Teilnahme"), als zweiter Tagesordnungspunkt behandelt werden solle. Unter TOP 2 beschlossen die Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümerinnen, dass es den Eigentümern für die nächste Eigentümerversammlungen gem. § 23 Absatz 1 Satz 2 WEG gestattet sein soll, an der Versammlung online teilzunehmen. Dabei wurde bestimmt, dass das elektronische Kommunikationssystem seitens der Hausverwaltung in Absprache mit dem Verwaltungsbeirat dann aktuell festgelegt gelegt werden soll.
Die Klägerin behauptete, es hätten bereits bei der Abstimmung zu TOP 2 Wohnungseigentümer bzw. -eigentümerinnen online teilgenommen. Sie meinte die Beschlüsse seien nichtig, jedenfalls ungültig. Zudem war sie der Ansicht, die Wohnungseigentümer hätten eine Entscheidung über die Modalitäten der Teilnahme, insbesondere zur Wahl des elektronischen Kommunikationssystems oder Vorgaben zu den technischen Anforderungen an Hard- und Software, treffen müssen.
Das AG hat die Klage insbesondere zur Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses zur Möglichkeit der Online-Teilnahme an Versammlungen abgewiesen.
Die Gründe:
Der Beschluss zu TOP 2 (Möglichkeit der Online-Teilnahme an Versammlungen) ist weder nichtig, noch ungültig.
Weder die Veränderung der Reihenfolge der Tagesordnung, noch die inhaltliche Ausgestaltung des Beschlusses oder fehlende Erläuterungen zu Hardware- und Softwareausstattung begründeten eine Nichtigkeit. Der Beschluss ist insbesondere hinreichend bestimmt und konkret gefasst worden. Er greift in inhaltlicher Hinsicht auch nicht in den unantastbaren Kernbereich der Wohnungseigentümer ein. Selbst wenn an dem Beschluss und der Erörterung Eigentümer bzw. Eigentümerinnen online teilgenommen hätten, begründete dies keine Nichtigkeit. Den Vortrag der Klägerin unterstellt, wäre der Gestattungsbeschluss zwar formell mangelhaft. Denn eine wirksame Teilnahme an der Beschlussfassung ohne Anwesenheit am Versammlungsort ist erst möglich, wenn zuvor hierüber gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG ein Beschluss (sog. Gestattungsbeschluss) gefasst worden ist. Formelle Fehler, d.h. Mängel, welche die Art und Weise des Zustandekommens von Beschlüssen betreffen, begründen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung aber nur in Ausnahmefällen die Nichtigkeit eines Beschlusses (vgl. für sog. Corona-Versammlungen jüngst: BGH, Urt. v. 8.3.2024 - V ZR 80/23).
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Der Beschluss zu TOP 2 entspricht zudem einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Die Wohnungseigentümer mussten keine Entscheidungen über die Modalitäten der Teilnahme, insbesondere zur Wahl des elektronischen Kommunikationssystems oder Vorgaben zu den technischen Anforderungen an Hard- und Software, treffen. Es ist durchaus möglich diese Entscheidungen der Verwaltung in Absprache mit dem Beirat zu überlassen (Hinweis u.a. auf AG München v. 27.4.2022, 1292 C 19128/21 WEG, ZMR 2022, 931). Soweit teilweise gegenteiliges vertreten wird, (Hinweis u.a. auf Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 23 WEG Rz. 35), überzeugt dies nicht. Der Wortlaut des § 23 Abs. 1 S. 2 WEG sieht nämlich lediglich vor, dass eine Entscheidung über die grundsätzliche Gestattung und die wahrzunehmenden Eigentümerrechte zu treffen sind.
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