17.05.2024

Ordentliche Kündigung des Mietvertrags wegen wirtschaftlicher Verwertung

Bei einem Verkauf verhindert das Mietverhältnis die Verwertung dann, wenn infolge der Vermietung ein Verkauf zu wirtschaftlich angemessenen Bedingungen nicht möglich ist, oder sich kein Interessent für die vermietete Wohnung findet. Durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses muss der Vermieter selbst erhebliche Nachteile erleiden, wobei auch die für den Vermieter entstehenden Nachteile im Lichte der Sozialpflichtigkeit des Eigentums abzuwägen sind. Die Erheblichkeitsgrenze, bei der von einem wesentlichen Nachteil i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB gesprochen werden kann, ist bei einem Mindererlös von 15 bis 20 % anzusetzen.

AG Dachau v. 10.5.2024 - 4 C 240/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger begehrt von den Beklagten die Räumung und Herausgabe eines Einfamilienhauses. Die Beklagten mieteten von dem Kläger die streitgegenständliche Immobilie mit Mietbeginn im März 2008 an. Die aktuelle Nettomiete beträgt mtl. rd. 2.100 €. Mit anwaltlichem Schreiben erklärte der Kläger im Februar 2022 die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 30.11.2022 wegen wirtschaftlicher Verwertung.

Der Kläger behauptet, dass er durch das bestehende Mietverhältnis an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung der Immobilie gehindert sei. Im Falle der Veräußerung der streitgegenständlichen Immobilie sei in vermietetem Zustand ein Verkaufspreis von maximal 1,3 Mio. € und in unvermietetem Zustand ein Verkaufspreis von 1,75 Mio. € erzielbar. Der Kläger müsste daher im Falle der Veräußerung der streitgegenständlichen Immobilie bei Fortbestehen des Mietverhältnisses mit den Beklagten einen Mindererlös i.H.v. 25,71 % im Verhältnis zum zu erwartenden Erlös bei Veräußerung nach beendetem Mietverhältnis hinnehmen. Im Falle einer baurechtlich genehmigten Errichtung eines weiteren Einfamilienhauses auf dem mitvermieteten rückwärtigen Grundstücksbereich entstehe ein Gewinn i.H.v. 400.000 €, damit betrage die Verlustquote insgesamt 48,57 %. Der Kläger sei finanziell auch auf die möglichen Erlöse durch den Verkauf des Mietobjekts in unvermietetem Zustand und die gleichzeitige Realisierung des Bauvorhabens für den Ankauf einer Immobilie im Ausland zur Verwirklichung eines Lebenstraumes angewiesen.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass die Klage bereits wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses abzuweisen sei. Es handele sich um eine unzulässige Alternativkündigung, da der Kläger im Rahmen eines früheren Rechtsstreits mit Schriftsatz von Dezember 2019 eine Eigenbedarfskündigung für seine Tochter ausgesprochen habe, wobei er bisher nicht erklärt habe, dass er aus dieser Kündigung keine weiteren Rechte herleite.

Das AG gab der Klage statt.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe des streitgegenständlichen Mietobjekts aus § 546 Abs. 1 BGB, da das Mietverhältnis durch die ordentliche Kündigung des Klägers von Februar 2022 unter Berücksichtigung der Kündigungsfrist gem. § 573c Abs. 1 BGB zum 30.11.2022 wirksam beendet worden ist. Den Beklagten ist allerdings gem. § 721 ZPO nach Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Räumungsfrist bis zum 30.9.2024 zu gewähren.

Die Kündigung ist formgerecht gem. § 568 Abs. 1 BGB erklärt worden. Insoweit handelt es sich auch nicht um eine unwirksame Alternativkündigung, da sich aus dem Kündigungsschreiben eindeutig ergibt, dass diese Kündigung allein auf eine wirtschaftliche Verwertung der Immobilie gestützt werden soll. Damit hat der Kläger klar zum Ausdruck gebracht, dass die streitgegenständliche Kündigung nicht auf einen Eigenbedarf gestützt werden soll. Die Voraussetzungen eines Kündigungsgrundes nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB sind vorliegend ebenfalls erfüllt, da der Kläger durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde. Der Bestand des Mietverhältnisses mit den Beklagten hindert insoweit die Verwertung durch die geplante Veräußerung der streitgegenständlichen Immobilie.

Bei einem Verkauf verhindert das Mietverhältnis die Verwertung dann, wenn infolge der Vermietung ein Verkauf zu wirtschaftlich angemessenen Bedingungen nicht möglich ist, oder sich kein Interessent für die vermietete Wohnung findet. Durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses muss der Vermieter selbst erhebliche Nachteile erleiden. Dabei sind allerdings auch die für den Vermieter entstehenden Nachteile im Lichte der Sozialpflichtigkeit des Eigentums abzuwägen. Letztlich dürfen die Einbußen keinen Umfang annehmen, der die Nachteile weit übersteigt, die dem Mieter durch den Verlust der Wohnung entstehen.

Zur Ermittlung der Nachteile des Vermieters ist von den objektiven Gegebenheiten auszugehen. In der überwiegenden Rechtsprechung wird dabei geprüft, wie hoch prozentual der Nachteil des Vermieters in vermietetem Zustand ist. Laut Sachverständigengutachten beträgt der Verkehrswert der streitgegenständlichen Immobilie ohne weitere Bebauung im frei verfügbaren Zustand rd. 1,6 Mio. € und in vermietetem Zustand rd. 1,2 Mio. €. Der Verkehrswert des vermieteten Grundstücks ist nach dem Ertragswertverfahren zu bestimmen, wobei der rückwärtige Grundstücksteil als Gartenland berücksichtigt wird, da dieser im Falle einer Vermietung auch nicht anders nutzbar ist. Im Falle eines frei verfügbaren Grundstücks ist der Verkehrswert dagegen nach dem Sachwertverfahren zu bestimmen, wobei insoweit der rückwärtige Grundstücksteil als Bauland zu bewerten ist, da ein Käufer im frei verfügbaren Zustand das Grundstück auch entsprechend nutzen kann.

Der hier vom Sachverständigen ermittelte Mindererlös von rd. 430.000 €, mithin etwa 26,77 %, ist auch als erheblich anzusehen, da die Erheblichkeitsgrenze, bei der von einem wesentlichen Nachteil i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB gesprochen werden kann, bei einem Mindererlös von 15 bis 20 % anzusetzen ist. Dabei ist regelmäßig auch nicht auf die Vermögensverhältnisse des Vermieters abzustellen. Die Beklagten haben vorliegend keinen Widerspruch gegen die Kündigung des Mietverhältnisses erklärt und auch nicht näher dargelegt, dass die Kündigung für sie eine Härte i.S.v. § 574 BGB bedeutet, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Klägers nicht zu rechtfertigen ist.

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Kommentierung | BGB
§ 573 Ordentliche Kündigung des Vermieters
Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl.

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