Pauschalreise: Keine kurze Verjährung für Passagiere bei Flugverspätungen
BGH v. 23.2.2024 - X ZR 62/23
Der Sachverhalt:
Die beiden Passagiere waren am 11.5.2019 mit dem beklagten Flugunternehmen von Düsseldorf nach Ägypten geflogen. Der Flug war Bestandteil einer Pauschalreise. Er erreichte den Zielort mit einer Verspätung von drei Stunden und 40 Minuten. Die Klägerin machte am 18.3.2022 aus abgetretenem Recht gerichtlich einen Anspruch auf Ausgleichszahlung i.H.v. insgesamt 800 € nebst Zinsen nach der Fluggastrechteverordnung geltend. Die Beklagte hat sich u.a. auf Verjährung berufen.
AG und LG haben der Klage antragsgemäß stattgegeben. Auch die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.
Gründe:
Zu Recht hat das Berufungsgericht entschieden, dass der Klageanspruch nicht verjährt ist.
Nach EuGH-Rechtsprechung bestimmt sich die Frist, innerhalb derer Klagen auf Ausgleichszahlung nach Art. 5 und Art. 7 der FluggastrechteVO erhoben werden müssen, nach den Vorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten über die Klageverjährung. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass für die Verjährung im Streitfall gem. Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Rom I das deutsche Sachrecht anwendbar ist. Ebenfalls zu Recht hat es entschieden, dass Ansprüche auf Ausgleichszahlung nach Art. 5 und Art. 7 FluggastrechteVO auch dann der regelmäßigen Verjährungsfrist nach § 195 und § 199 Abs. 1 BGB unterliegen, wenn der annullierte oder verspätete Flug für den Fluggast Teil einer Pauschalreise war.
Nach der Systematik des Allgemeinen Teils des BGB gelten die Verjährungsvorschriften der §§ 194 ff. BGB in der Regel auch über das BGB hinaus für alle Ansprüche des Privatrechts, sofern keine Sonderregelungen getroffen sind (BT-Drucks. 15/3653 S. 11; BGH-Urt. v. 19.3.2024 - X ZR 9/23). Insofern hat der BGH bereits entschieden, dass Ansprüche aus Art. 5 und Art. 7 FluggastrechteVO jedenfalls dann der Verjährungsfrist nach § 195 und § 199 Abs. 1 BGB unterliegen, wenn der Flug nicht Teil einer Pauschalreise war (BGH-Urt. v. 10.12.2009 - Xa ZR 61/09). Entgegen einer von einem Teil der Literatur vertretenen Auffassung unterliegen Ausgleichsansprüche nach Art. 5 und Art. 7 FluggastrechteVO auch dann nicht der zweijährigen Verjährungsfrist gem. § 651j BGB, wenn der Flug Teil einer Pauschalreise war. Denn gegen eine Anwendung von § 651j BGB spricht der Wortlaut der Vorschrift.
§ 651j Satz 1 BGB bezieht sich auf die in § 651i Abs. 3 BGB bezeichneten Ansprüche des Reisenden. Dazu gehören Ansprüche auf Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung jedoch nicht. Auch der Umstand, dass die tatsächlichen Umstände, aus denen sich ein Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 5 und Art. 7 FluggastrechteVO ergibt, je nach Fallgestaltung zugleich einen Reisemangel begründen können, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Denn nach den Grundsätzen der Anspruchskonkurrenz ist die Verjährung jedes Anspruchs grundsätzlich gesondert zu beurteilen. Eine für einen Anspruch vorgesehene kurze Verjährung hat nur dann Vorrang, wenn sie nach ihrem Schutzzweck auch die konkurrierenden Ansprüche erfassen will. Ein solcher Zusammenhang besteht zwischen den von § 651j BGB erfassten Ansprüchen und Ansprüchen aus Art. 5 und Art. 7 FluggastrechteVO nicht.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung
Pauschalreisebuchung trotz absehbarer Covid-19-Pandemie
BGH vom 14.11.2023 - X ZR 115/22
MDR 2024, 152
MDR0063502
Rechtsprechung
Pauschalreise-Rücktritt wegen außergewöhnlicher Umstände
BGH vom 19.09.2023 - X ZR 103/22
MDR 2023, 1506
MDR0061589
Kommentierung | BGB
§ 651h Rücktritt vor Reisebeginn
Blankenburg in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023
Aktionsmodul Zivilrecht
Sie können Tage nicht länger machen, aber effizienter. Recherchieren Sie hier mit den führenden Kommentaren, Handbüchern und Zeitschriften für die zivilrechtliche Praxis. Topaktuelle Neuauflage Erman BGB; Updates im Zöller ZPO. Zahlreiche Formulare mit LAWLIFT bearbeiten! Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. 4 Wochen gratis nutzen!
BGH online
Die beiden Passagiere waren am 11.5.2019 mit dem beklagten Flugunternehmen von Düsseldorf nach Ägypten geflogen. Der Flug war Bestandteil einer Pauschalreise. Er erreichte den Zielort mit einer Verspätung von drei Stunden und 40 Minuten. Die Klägerin machte am 18.3.2022 aus abgetretenem Recht gerichtlich einen Anspruch auf Ausgleichszahlung i.H.v. insgesamt 800 € nebst Zinsen nach der Fluggastrechteverordnung geltend. Die Beklagte hat sich u.a. auf Verjährung berufen.
AG und LG haben der Klage antragsgemäß stattgegeben. Auch die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.
Gründe:
Zu Recht hat das Berufungsgericht entschieden, dass der Klageanspruch nicht verjährt ist.
Nach EuGH-Rechtsprechung bestimmt sich die Frist, innerhalb derer Klagen auf Ausgleichszahlung nach Art. 5 und Art. 7 der FluggastrechteVO erhoben werden müssen, nach den Vorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten über die Klageverjährung. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass für die Verjährung im Streitfall gem. Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Rom I das deutsche Sachrecht anwendbar ist. Ebenfalls zu Recht hat es entschieden, dass Ansprüche auf Ausgleichszahlung nach Art. 5 und Art. 7 FluggastrechteVO auch dann der regelmäßigen Verjährungsfrist nach § 195 und § 199 Abs. 1 BGB unterliegen, wenn der annullierte oder verspätete Flug für den Fluggast Teil einer Pauschalreise war.
Nach der Systematik des Allgemeinen Teils des BGB gelten die Verjährungsvorschriften der §§ 194 ff. BGB in der Regel auch über das BGB hinaus für alle Ansprüche des Privatrechts, sofern keine Sonderregelungen getroffen sind (BT-Drucks. 15/3653 S. 11; BGH-Urt. v. 19.3.2024 - X ZR 9/23). Insofern hat der BGH bereits entschieden, dass Ansprüche aus Art. 5 und Art. 7 FluggastrechteVO jedenfalls dann der Verjährungsfrist nach § 195 und § 199 Abs. 1 BGB unterliegen, wenn der Flug nicht Teil einer Pauschalreise war (BGH-Urt. v. 10.12.2009 - Xa ZR 61/09). Entgegen einer von einem Teil der Literatur vertretenen Auffassung unterliegen Ausgleichsansprüche nach Art. 5 und Art. 7 FluggastrechteVO auch dann nicht der zweijährigen Verjährungsfrist gem. § 651j BGB, wenn der Flug Teil einer Pauschalreise war. Denn gegen eine Anwendung von § 651j BGB spricht der Wortlaut der Vorschrift.
§ 651j Satz 1 BGB bezieht sich auf die in § 651i Abs. 3 BGB bezeichneten Ansprüche des Reisenden. Dazu gehören Ansprüche auf Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung jedoch nicht. Auch der Umstand, dass die tatsächlichen Umstände, aus denen sich ein Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 5 und Art. 7 FluggastrechteVO ergibt, je nach Fallgestaltung zugleich einen Reisemangel begründen können, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Denn nach den Grundsätzen der Anspruchskonkurrenz ist die Verjährung jedes Anspruchs grundsätzlich gesondert zu beurteilen. Eine für einen Anspruch vorgesehene kurze Verjährung hat nur dann Vorrang, wenn sie nach ihrem Schutzzweck auch die konkurrierenden Ansprüche erfassen will. Ein solcher Zusammenhang besteht zwischen den von § 651j BGB erfassten Ansprüchen und Ansprüchen aus Art. 5 und Art. 7 FluggastrechteVO nicht.
Rechtsprechung
Pauschalreisebuchung trotz absehbarer Covid-19-Pandemie
BGH vom 14.11.2023 - X ZR 115/22
MDR 2024, 152
MDR0063502
Rechtsprechung
Pauschalreise-Rücktritt wegen außergewöhnlicher Umstände
BGH vom 19.09.2023 - X ZR 103/22
MDR 2023, 1506
MDR0061589
Kommentierung | BGB
§ 651h Rücktritt vor Reisebeginn
Blankenburg in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023
Aktionsmodul Zivilrecht
Sie können Tage nicht länger machen, aber effizienter. Recherchieren Sie hier mit den führenden Kommentaren, Handbüchern und Zeitschriften für die zivilrechtliche Praxis. Topaktuelle Neuauflage Erman BGB; Updates im Zöller ZPO. Zahlreiche Formulare mit LAWLIFT bearbeiten! Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. 4 Wochen gratis nutzen!