12.09.2023

Pfändbarkeit der Corona-Überbrückungshilfe III

Bei der Corona-Überbrückungshilfe III (Billigkeitsleistung des Bundes in Form einer Corona-Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen, Soloselbständige und Angehörige der Freien Berufe, die in Folge der Corona-Krise erhebliche Umsatzausfälle erleiden) handelt es sich um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 399 1. Fall BGB nicht pfändbare Forderung. Die Unpfändbarkeit der Corona-Überbrückungshilfe III setzt sich jedoch nach deren Überweisung nicht an der Gutschrift auf einem regulären Girokonto des Schuldners fort.

BGH v. 16.8.2023 - VII ZB 64/21
Der Sachverhalt:
Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung wegen einer titulierten Forderung iHv ca. 570.000 €. Die Schuldnerin - eine GmbH - unterhält bei der Drittschuldnerin ein Girokonto. Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 14.7.2021 wurden die Ansprüche der Schuldnerin auf Zahlung der zu ihren Gunsten bei der Drittschuldnerin bestehenden Kontoguthaben gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen.

Mit Bescheid vom 16.7.2021 gewährte das Regierungspräsidium G. der Schuldnerin eine "Billigkeitsleistung des Bundes in Form einer Corona-Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen, Soloselbständige und Angehörige der Freien Berufe, die in Folge der Corona-Krise erhebliche Umsatzausfälle erleiden" (im Folgenden: Corona-Überbrückungshilfe III) iHv ca. 550.000 €. Ausweislich des Bescheids ist eine Abtretung oder Verpfändung der Billigkeitsleistung nicht zulässig.

Ende Juli 2021 hat die Schuldnerin beim AG - Vollstreckungsgericht - unter Vorlage des Bescheids vom 16.7.2021 über die Gewährung der Corona-Überbrückungshilfe III beantragt, den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufzuheben. Hierzu hat sie vorgetragen, sie habe im Jahr 2021 bislang ausschließlich Zahlungen aus der Überbrückungshilfe II und III erhalten. Da ein weiteres Geschäftskonto nicht bestehe, könne sie aufgrund der Pfändung keine notwendigen Zahlungen leisten, auch nicht im Rahmen der Überbrückungshilfe III.

Das AG gab dem Antrag überwiegend statt. Auf die dagegen gerichteten sofortigen Beschwerden der Gläubigerin und der Drittschuldnerin hat das Beschwerdegericht den Beschluss des AG aufgehoben und den Vollstreckungsschutzantrag der Schuldnerin zurückgewiesen.

Der BGH hat die hiergegen erhobene Rechtsbeschwerde der Schuldnerin zurückgewiesen.

Die Gründe:
Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht den Vollstreckungsschutzantrag der Schuldnerin gemäß § 765a ZPO für unbegründet erachtet. § 851 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 399 1. Fall BGB steht der Pfändung des Auszahlungsanspruchs der Schuldnerin bezüglich ihres Kontoguthabens gegen die Drittschuldnerin nicht entgegen.

Allerdings handelt es sich bei der Corona-Überbrückungshilfe III um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 399 1. Fall BGB nicht pfändbare Forderung. Nach § 851 Abs. 1 ZPO ist eine Forderung in Ermangelung besonderer Vorschriften der Pfändung nur insoweit unterworfen, als sie übertragbar ist. Damit verweist § 851 Abs. 1 ZPO u.a. auf die Regelung des § 399 1. Fall BGB. Danach kann eine Forderung nicht abgetreten werden, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann.

Nach diesen Grundsätzen ist die Corona-Überbrückungshilfe III ausweislich der ihr zugrundeliegenden Bestimmungen als zweckgebunden einzustufen (ebenso schon für die Corona-Soforthilfe BGH v. 10.3.2021 - VII ZB 24/20).

Der Forderungspfändungsschutz gemäß § 851 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 399 1. Fall BGB bezüglich der Corona-Überbrückungshilfe III erstreckt sich jedoch nicht auf den bereits überwiesenen und dem Girokonto der Schuldnerin gutgeschriebenen Geldbetrag.

Mit der Gutschrift der Corona-Überbrückungshilfe III auf dem Girokonto ist ein etwaiger Anspruch der Schuldnerin auf die Hilfeleistung gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen und damit auch der bis zu diesem Zeitpunkt bestehende Forderungspfändungsschutz gemäß § 851 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 399 1. Fall BGB. Gegen die Drittschuldnerin ist mit der Gutschrift ein neuer, auf einem selbständigen Rechtsgrund beruhender Anspruch der Schuldnerin entstanden, der grundsätzlich gepfändet werden kann und insoweit eigenständigen Pfändungsschutzregeln unterworfen ist. Die Unpfändbarkeit der Corona-Überbrückungshilfe III setzt sich mithin nach deren Überweisung nicht an der Gutschrift auf dem Girokonto fort.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Zur Pfändbarkeit der Corona-Überbrückungshilfe III nach Gutschrift auf dem Girokonto einer GmbH
BGH vom 16.8.2023 - VII ZB 64/21
DB 2023, 2171

Aufsatz:
Unpfändbarkeit von Corona-Soforthilfen? Nicht immer!
IWWVE 2021, 094

Rechtsprechung:
Kontokorrentfähigkeit des auf Girokonto gutgeschriebenen pfändungsfreien Arbeitseinkommens
BGH vom 22.3.2005 - XI ZR 286/04
Peter Derleder, EWiR 2005, 619

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