03.03.2021

Pflicht zur Mietzahlung trotz Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts im "Corona-Lockdown"

Ein Einzelhändler, dessen Ladenlokal im "Corona-Lockdown" für den Publikumsverkehr geschlossen werden musste, kann seine Mietzahlung nicht ohne Weiteres aussetzen oder reduzieren. Vor dem Hintergrund der in Literatur und Rechtsprechung streitigen Fragen zum Vorliegen eines Mangels des Mietobjekts durch die angeordneten Schließungen bzw. der Unmöglichkeit der Leistung der Vermieter, hat der Senat zur Fortbildung des Rechts die Revision zugelassen.

OLG Karlsruhe v. 24.2.2021 - 7 U 109/20
Der Sachverhalt:
Die Beklagte hat Geschäftsräume von den Klägern angemietet und betreibt dort eine Filiale einer Einzelhandelskette. Die Filiale war vom 18.3.2020 bis einschließlich 19.4.2020 wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Die Beklagte kündigte am 24.3.2020 an, die Miete für April 2020 nicht zu bezahlen. Daraufhin wurde sie am 1.4.2020 schriftlich von den Klägern aufgefordert, die Miete fristgerecht zu überweisen. Die Aufforderung blieb erfolglos, die Kläger haben Klage auf Zahlung der Miete für den Monat April 2020 sowie auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten erhoben. Die Beklagte hat mit der Klageerwiderung hilfsweise die Aufrechnung mit einem Teil der Miete vom März 2020 erklärt, nachdem die streitgegenständliche Filiale ab dem 20.4.2020 wieder eröffnet werden konnte.

Die Kläger waren der Ansicht, die behördlich angeordnete Schließung der Filiale lasse ihren Anspruch auf Zahlung des Mietzinses für den Gewerberaum nicht entfallen. Es handele sich hierbei nicht um einen Mangel der Mietsache. Da eine Mindestmiete vereinbart worden sei, werde diese unabhängig davon geschuldet, ob in dem Ladengeschäft Umsätze generiert würden oder nicht. Dieses Risiko trage die Beklagte im Verhältnis zu den Klägern allein. Die Gebrauchsüberlassung der Mieträume an die Beklagte sei auch nicht unmöglich. Für eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB fehle es an einer von der Beklagten darzulegenden Existenzgefährdung.

Das LG hat das Vorliegen eines Sachmangels verneint und die Beklagte zur Zahlung von 5.081 € zuzüglich Zinsen sowie Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten wurde vom OLG zurückgewiesen. Allerdings wurde zur Fortbildung des Rechts die Revision beim BGH zugelassen.

Die Gründe:
Eine allgemeine coronabedingte Schließungsanordnung begründet keinen Sachmangel des Mietobjekts, der einen Mieter zur Minderung der Miete berechtigt.

Der Zustand der Mieträume als solcher erlaubte die vertraglich vorgesehene Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts weiterhin, so dass auch unter diesem Aspekt die Mietzahlungspflicht nicht in Wegfall geriet. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass eine Unzumutbarkeit der vollständigen Mietzahlung in solchen Fällen unter dem Gesichtspunkt eines "Wegfalls der Geschäftsgrundlage" grundsätzlich in Betracht kommen kann. Dies setzt jedoch voraus, dass die Inanspruchnahme des Mieters zu einer Vernichtung seiner Existenz führen oder sein wirtschaftliches Fortkommen zumindest schwerwiegend beeinträchtigen würde und auch die Interessenlage des Vermieters eine Vertragsanpassung erlaubt.

Hierfür ist jedoch eine Prüfung der Umstände des Einzelfalls erforderlich, bei der u.a. der Rückgang der Umsätze, mögliche Kompensationen durch Onlinehandel oder durch öffentliche Leistungen, ersparte Aufwendungen zum Beispiel durch Kurzarbeit sowie fortbestehende Vermögenswerte durch weiterhin verkaufbare Ware zu berücksichtigen sind. Solche besonderen Umstände, die zu einer Unzumutbarkeit der Mietzahlung führen könnten, hatte die berufungsführende Einzelhandelskette im jetzt entschiedenen Einzelfall nicht in ausreichender Weise geltend gemacht.

Vor dem Hintergrund der in Literatur und Rechtsprechung streitigen Fragen zum Vorliegen eines Mangels des Mietobjekts durch die angeordneten Schließungen, der Unmöglichkeit der Leistung der Vermieter, die zu einer Minderung der Miete bzw. zu einem Wegfall der Mietzahlungspflicht der Beklagten führen würden, ohne dass es auf die in ihrer Erforderlichkeit ebenfalls umstrittene Darstellung der Unzumutbarkeit des Festhaltens am unveränderten Vertragsverhältnis ankäme, hat der Senat zur Fortbildung des Rechts die Revision zugelassen.
Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 25.2.2021
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