05.07.2024

Räumung einer Büroimmobilie nach ordentlicher Kündigung des Gewerbemietvertrags

Einer Willenserklärung, deren Wortlaut den wahren Willen des Erklärenden bei Abgabe der Erklärung zutreffend wiedergibt, kann nicht nachträglich zu Lasten des Erklärungsempfängers ein abweichender Inhalt beigemessen werden, nur weil für den mit der Erklärung bezweckten Erfolg eine Erklärung anderen Inhalts erforderlich gewesen wäre. Änderungen des Mietzwecks bzw. der zulässigen Nutzungen der Mietsache sind stets wesentliche Vertragsinhalte, die zur Vermeidung der Rechtsfolgen des § 550 BGB der Schriftform bedürfen.

OLG Hamburg v. 31.1.2024 - 4 U 69/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin begehrte als Vermieterin von den Beklagten die Räumung einer Büroimmobilie nach ordentlicher Kündigung des Gewerbemietvertrages. Mieter waren allein der Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 2). Im Jahr 1991 war im Mietvertrag als Mietzweck der "Betrieb einer Rechtsanwaltssozietät" vereinbart worden. Der damalige Vermieter hatte damals schriftlich eingewilligt, den Mietzweck auf den "Betrieb einer Rechtsanwaltssozietät und verwandter Berufsausübung wie Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung und Vermögensberatung" zu erweitern. Dieses Schreiben wurde mit dem Mietvertrag nicht körperlich verbunden. Es enthielt keine Bezugnahme auf den Ursprungsvertrag und wurde auch im zeitlich nachfolgenden Nachtrag zum Mietvertrag vom Oktober 2007 nicht erwähnt.

Nachdem die Beklagten im Jahr 2022 die Ausübung eines Optionsrechts zur weiteren Vertragsverlängerung um 5 Jahre erklärt hatte, sprach der durch Grundstückserwerb in das Vertragsverhältnis eingetretene Vermieter die Kündigung des Mietvertrages mit Wirkung zum 31.3.2023 aus. Er verlangte die Räumung und Herausgabe der Mietsache und berief sich dabei u.a. darauf, dass bei der Erweiterung des Mietzwecks die gesetzliche Schriftform nicht eingehalten worden sei. Die Beklagten hielten dagegen, es liege kein Schriftformverstoß vor. Der Ursprungsvertrag, die Zusatzvereinbarung aus 1991 und die Nachträge aus 2003 und 2007 genügten jeweils für sich der Schriftform. Auch die Tatsache, dass der Beklagte zu 1) die Option nicht auch im Namen der Beklagten zu 2) als Mitmieterin ausgeübt habe, schade nicht.

Das LG hat die Räumungsklage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG die Entscheidung abgeändert und der Klage vollumfänglich stattgegeben.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Herausgabe des Mietobjekts aus § 546 Abs. 1 und 2 BGB.

Die Klägerin hat den Mietvertrag durch die Kündigung im Jahr 2022 gem. § 580a Abs. 2 BGB bzw. gem. § 4 Ziffer 2 des Mietvertrags mit Wirkung zum 31.3.2023 ordentlich gekündigt. Der Kündigung stand eine Befristung des Vertrages nicht entgegen, weil die ursprünglich vereinbarte Vertragslaufzeit abgelaufen war. Dem Schreiben hinsichtlich der Vertragsverlängerung war lediglich eine Erklärung im Namen der Beklagten zu 3), also der Anwaltssozietät, nicht aber eine Erklärung der Beklagten zu 1) und 2) zu entnehmen.

Nach §§ 133, 157 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Einer Willenserklärung, deren Wortlaut den wahren Willen des Erklärenden bei Abgabe der Erklärung zutreffend wiedergibt, kann nicht nachträglich zu Lasten des Erklärungsempfängers ein abweichender Inhalt beigemessen werden, nur weil für den mit der Erklärung bezweckten Erfolg eine Erklärung anderen Inhalts erforderlich gewesen wäre. Die Anwendung dieses Maßstabs führte zur Auslegung, dass der Beklagte zu 1) mit dem Schreiben nur eine Erklärung namens und in Vollmacht der Beklagten zu 3) abgegeben hatte.

Das Recht zur ordentlichen Kündigung folgte zudem aus §§ 578 Abs. 1 und 2, 550 BGB. Denn das Mietverhältnis war mangels Einhaltung der Schriftform hinsichtlich wesentlicher Vertragsbedingungen auf unbestimmte Zeit geschlossen und daher gem. § 550 BGB jederzeit ordentlich kündbar. Die Parteien hatten 1991 die vertragsändernde Vereinbarung, mit der der Mietzweck von "Betrieb einer Rechtsanwaltssozietät" in "Betrieb einer Rechtsanwaltssozietät" geändert werden sollte, weder körperlich noch sonst durch Inbezugnahme mit dem Ursprungsvertrag oder späteren Nachträgen verbunden. Entgegen der Auffassung des LG handelt es sich bei Änderungen des Mietzwecks bzw. der zulässigen Nutzungen der Mietsache stets um wesentliche Vertragsinhalte, die zur Vermeidung der Rechtsfolgen des § 550 BGB der Schriftform bedürfen. Ein Schriftwechsel der Parteien erfüllt diese Formerfordernisse nicht.

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