17.11.2021

Rechtsprechung zur nicht bezahlten Sachverständigenrechnung auf den Fall der noch offenen Reparaturkosten anwendbar?

Die subjektive Schadensbetrachtung führt nach BGH-Rechtsprechung nicht dazu, dass der Versicherer dem Geschädigten auf Zahlung von ggf. überhöhten Reparaturkosten haftet, ohne dass die Erforderlichkeit der Kosten nach den Anforderungen von § 287 ZPO zunächst genügend dargelegt wird. Bislang dürfte es noch nicht höchstrichterlich geklärt sein, ob die BGH-Rechtsprechung zur nicht bezahlten Sachverständigenrechnung auf den Fall der noch offenen Reparaturkosten anwendbar ist.

LG Köln v. 14.4.2021 - 9 S 77/19
Der Sachverhalt:
Der Kläger begehrte die Freistellung von restlichen Reparaturkosten bezüglich seines Fahrzeugs nach einem Verkehrsunfall vom 24.11.2017, für den die Beklagte als Haftpflichtversicherung des gegnerischen Fahrzeugs dem Grunde nach unstreitig haftet. Am Unfalltag hatte der Kläger eine "Sicherheitsabtretung Haftpflichtschaden" abgegeben, in der er seine Schadensersatzansprüche gegen den Fahrer, Halter und den Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten Fahrzeugs aus dem vorgenannten Unfallereignis auf Erstattung der Reparaturkosten sowie der Mietwagenkosten unwiderruflich an das Autohaus T GmbH & Co. KG sicherungshalber abtrat. Er ließ die Schäden an seinem Fahrzeug durch einen Gutachter dokumentieren und der Höhe nach (brutto 12.574 €) ermitteln. Der Kläger ließ sodann sein Fahrzeug bei der T GmbH & Co. KG instandsetzen.

Die T GmbH & Co. KG stellte dem Kläger am 20.12.2017 einen Betrag i.H.v. brutto 14.457 € in Rechnung. Hierauf zahlte die Beklagte 13.372 €, so dass der streitgegenständliche Restbetrag offenblieb. Die 1.085 € hat der Kläger bislang nicht an die T GmbH & Co. KG gezahlt. Die Beklagte hat bestritten, dass die abgerechneten Reparaturkosten in voller Höhe erforderlich waren, um das Fahrzeug instand zu setzen.

Der Kläger hat in der ersten Instanz die Auffassung vertreten, die Beklagte trage das Werkstattrisiko. Die Beklagte schulde dem Kläger auch die Mehrkosten, die ohne eigene Schuld des Geschädigten die von ihm beauftragte Werkstatt in Folge unwirtschaftlicher oder unsachgemäßer Maßnahmen verursacht habe; die Werkstatt sei nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten. Die vom Sachverständigen kalkulierten Kosten könnten lediglich eine Prognose sein.

Das AG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Werkstattrisiko gehe zu Lasten des Schädigers. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG das Urteil teilweise aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Kläger von Reparaturkosten i.H.v. 436 € gegenüber der T GmbH & Co. KG freizustellen, Zug-um-Zug gegen Abtretung eventueller Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die T GmbH & Co. KG. Allerdings wurde die Revision zum BGH zugelassen.

Die Gründe:
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Zahlungsanspruch aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG i.V.m. § 249 Abs. 1, 2 S. 2 BGB zu. Die Reparaturkosten i.H.v. 436 € sind in diesem Fall als erforderlich i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB anzusehen.

Die subjektive Schadensbetrachtung führt nach BGH-Rechtsprechung nicht dazu, dass der Versicherer dem Geschädigten auf Zahlung von ggf. überhöhten Reparaturkosten haftet, ohne dass die Erforderlichkeit der Kosten nach den Anforderungen von § 287 ZPO zunächst genügend dargelegt wird. Die Ausführungen des BGH zur Erforderlichkeit von Sachverständigenkosten in seinem Urteil vom 19.7.2016 - Az.: VI ZR 491/15 sind auf eine Reparaturkostenrechnung übertragbar.

Die Reparaturrechnung bezüglich der streitigen Positionen sind noch nicht beglichen, weshalb den Kläger die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, dass die streitigen Positionen erforderlich waren. Den Beweis hat der Kläger bezüglich nur einiger Positionen führen können. Der Kläger kann nach den plausiblen Ausführungen des Sachverständigen somit Freistellung von den Kosten i.H.v. 436 € brutto verlangen.

Allerdings ist die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), da bislang nicht höchstrichterlich geklärt sein dürfte, ob die BGH-Rechtsprechung zur nicht bezahlten Sachverständigenrechnung auf den hier vorliegenden Fall der noch offenen Reparaturkosten anwendbar ist.
Justiz NRW
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