Rechtsprechungsänderung hinsichtlich Grundstücksräumung nach Aufhebung des Zuschlags im Zwangsversteigerungsverfahren
BGH v. 14.3.2025 - V ZR 153/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger war seit 1993 als Eigentümer eines Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Ab 2008 wurde die Zwangsversteigerung in das Grundstück betrieben. Im Jahr 2010 erhielt die Beklagte zu 1) den Zuschlag für das Grundstück und wurde als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Zusammen mit dem Beklagten zu 2), ihrem Ehemann, ließ sie ein auf dem Grundstück befindliches Wochenendhaus abreißen und ein neues Wohnhaus errichten, das die Beklagten seit 2012 bewohnen.
Zur Sicherung der für den Hausbau aufgenommenen Kredite wurde das Grundstück mit einer Grundschuld über 280.000 € nebst Zinsen belastet. Der Zuschlagsbeschluss wurde 2014 auf Betreiben des Klägers, der erst nach dem Zuschlag Kenntnis von der Zwangsversteigerung erlangt hatte, rechtskräftig aufgehoben. Er nahm die Beklagte zu 1) gerichtlich auf Grundbuchberichtigung und beide Beklagten auf Räumung und Herausgabe des Grundstücks, Beseitigung des Hauses, Zahlung von Nutzungsersatz sowie Löschung der Grundschuld in Anspruch.
Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage und machen hilfsweise ein Zurückbehaltungsrecht wegen der von ihnen getätigten Aufwendungen für den Hausbau geltend, die sie auf mindestens 500.000 € bezifferten. Nachdem die Klage vor dem LG nur teilweise Erfolg hatte, hat das OLG ihr auf die Berufung des Klägers weitgehend stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache insgesamt zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.
Gründe:
Zu Unrecht hat das OLG ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten wegen der behaupteten Verwendungen für den Hausbau verneint. Den Beklagten kann nämlich ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Verwendungsersatzanspruchs aus § 996 BGB zustehen. Danach kann der Besitzer für andere als notwendige Verwendungen Ersatz nur insoweit verlangen, als sie vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit und vor dem Beginn der in § 990 BGB bestimmten Haftung gemacht werden und der Wert der Sache durch sie noch zu der Zeit erhöht ist, zu welcher der Eigentümer die Sache wiedererlangt.
Nach der bisherigen und in der Rechtsliteratur seit vielen Jahren kritisierten BGH-Rechtsprechung waren Verwendungen nur solche Vermögensaufwendungen, die der Sache zugutekommen sollen, ohne sie grundlegend zu verändern (sog. enger Verwendungsbegriff); eine nicht ersatzfähige grundlegende Veränderung sollte bei der Errichtung eines Gebäudes auf einem fremden Grundstück vorliegen, sofern das Grundstück fortan für einen anderen Zweck genutzt wurde. Diese Rechtsprechung hat der BGH nun geändert, weil aus heutiger Sicht deutlich überwiegende Gründe für einen sog. weiten Verwendungsbegriff sprechen.
Vermögensaufwendungen des Besitzers, die der Sache zugutekommen, stellen auch dann Verwendungen dar, wenn sie die Sache grundlegend verändern. Für die Rechtsprechungsänderung zugunsten eines weiten Verwendungsbegriffs spricht insbesondere der mit den §§ 994 ff. BGB verfolgte Zweck, einen gerechten Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Eigentümer und gutgläubigem Besitzer herbeizuführen. Der Eigentümer wird nicht in seinem Vermögen beeinträchtigt, sondern nur in seiner Dispositionsbefugnis, weil die Ersatzpflicht im Falle des § 996 BGB nur bei einer Verkehrswerterhöhung eintritt.
Zudem ist sie auf die tatsächlich aufgewendeten Kosten des Besitzers beschränkt. Demgegenüber verbliebe dem gutgläubigen und unverklagten Besitzer nach dem engen Verwendungsbegriff nur das wegen der Höhe der Abrisskosten regelmäßig wirtschaftlich wertlose Wegnahmerecht aus § 997 BGB, was eine unangemessene Härte zur Folge hätte. Unabhängig davon führt der enge Verwendungsbegriff zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten und damit zu Rechtsunsicherheit. Denn es fehlen geeignete Kriterien dafür, wann noch eine erhaltende oder verbessernde und wann bereits eine grundlegend verändernde Aufwendung vorliegt. Außerdem kann die Nützlichkeit der Verwendung i.S.v. § 996 BGB nicht deshalb verneint werden kann, weil der Kläger als der Eigentümer kein Interesse an dem Haus hat. Für die Nützlichkeit einer Verwendung ist, wie sich aus Wortlaut und Systematik des Gesetzes ergibt, allein die objektive Verkehrswerterhöhung der Sache maßgeblich. Auf den subjektiven Wert für den Eigentümer kommt es nicht an.
Der Kläger kann von den Beklagten auch nicht den Abriss des Wohnhauses verlangen. Denn ein Anspruch des Eigentümers aus § 1004 Abs. 1 BGB auf Beseitigung des Resultats der Verwendungen gegen einen redlichen Besitzer wie die Beklagten ist ausgeschlossen. Das Verhältnis von Beseitigungs- und Verwendungsersatzanspruch ist zwar gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. § 993 Abs. 1 Halbs. 2 BGB lässt sich aber im Zusammenspiel mit § 989 BGB entnehmen, dass der gutgläubige und nicht verklagte Besitzer als besonders schutzwürdig angesehen wird, weil er nicht zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet und ein Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften ausgeschlossen ist.
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BGH PM Nr. 52/2025 v. 14.3.2025
Der Kläger war seit 1993 als Eigentümer eines Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Ab 2008 wurde die Zwangsversteigerung in das Grundstück betrieben. Im Jahr 2010 erhielt die Beklagte zu 1) den Zuschlag für das Grundstück und wurde als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Zusammen mit dem Beklagten zu 2), ihrem Ehemann, ließ sie ein auf dem Grundstück befindliches Wochenendhaus abreißen und ein neues Wohnhaus errichten, das die Beklagten seit 2012 bewohnen.
Zur Sicherung der für den Hausbau aufgenommenen Kredite wurde das Grundstück mit einer Grundschuld über 280.000 € nebst Zinsen belastet. Der Zuschlagsbeschluss wurde 2014 auf Betreiben des Klägers, der erst nach dem Zuschlag Kenntnis von der Zwangsversteigerung erlangt hatte, rechtskräftig aufgehoben. Er nahm die Beklagte zu 1) gerichtlich auf Grundbuchberichtigung und beide Beklagten auf Räumung und Herausgabe des Grundstücks, Beseitigung des Hauses, Zahlung von Nutzungsersatz sowie Löschung der Grundschuld in Anspruch.
Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage und machen hilfsweise ein Zurückbehaltungsrecht wegen der von ihnen getätigten Aufwendungen für den Hausbau geltend, die sie auf mindestens 500.000 € bezifferten. Nachdem die Klage vor dem LG nur teilweise Erfolg hatte, hat das OLG ihr auf die Berufung des Klägers weitgehend stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache insgesamt zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.
Gründe:
Zu Unrecht hat das OLG ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten wegen der behaupteten Verwendungen für den Hausbau verneint. Den Beklagten kann nämlich ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Verwendungsersatzanspruchs aus § 996 BGB zustehen. Danach kann der Besitzer für andere als notwendige Verwendungen Ersatz nur insoweit verlangen, als sie vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit und vor dem Beginn der in § 990 BGB bestimmten Haftung gemacht werden und der Wert der Sache durch sie noch zu der Zeit erhöht ist, zu welcher der Eigentümer die Sache wiedererlangt.
Nach der bisherigen und in der Rechtsliteratur seit vielen Jahren kritisierten BGH-Rechtsprechung waren Verwendungen nur solche Vermögensaufwendungen, die der Sache zugutekommen sollen, ohne sie grundlegend zu verändern (sog. enger Verwendungsbegriff); eine nicht ersatzfähige grundlegende Veränderung sollte bei der Errichtung eines Gebäudes auf einem fremden Grundstück vorliegen, sofern das Grundstück fortan für einen anderen Zweck genutzt wurde. Diese Rechtsprechung hat der BGH nun geändert, weil aus heutiger Sicht deutlich überwiegende Gründe für einen sog. weiten Verwendungsbegriff sprechen.
Vermögensaufwendungen des Besitzers, die der Sache zugutekommen, stellen auch dann Verwendungen dar, wenn sie die Sache grundlegend verändern. Für die Rechtsprechungsänderung zugunsten eines weiten Verwendungsbegriffs spricht insbesondere der mit den §§ 994 ff. BGB verfolgte Zweck, einen gerechten Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Eigentümer und gutgläubigem Besitzer herbeizuführen. Der Eigentümer wird nicht in seinem Vermögen beeinträchtigt, sondern nur in seiner Dispositionsbefugnis, weil die Ersatzpflicht im Falle des § 996 BGB nur bei einer Verkehrswerterhöhung eintritt.
Zudem ist sie auf die tatsächlich aufgewendeten Kosten des Besitzers beschränkt. Demgegenüber verbliebe dem gutgläubigen und unverklagten Besitzer nach dem engen Verwendungsbegriff nur das wegen der Höhe der Abrisskosten regelmäßig wirtschaftlich wertlose Wegnahmerecht aus § 997 BGB, was eine unangemessene Härte zur Folge hätte. Unabhängig davon führt der enge Verwendungsbegriff zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten und damit zu Rechtsunsicherheit. Denn es fehlen geeignete Kriterien dafür, wann noch eine erhaltende oder verbessernde und wann bereits eine grundlegend verändernde Aufwendung vorliegt. Außerdem kann die Nützlichkeit der Verwendung i.S.v. § 996 BGB nicht deshalb verneint werden kann, weil der Kläger als der Eigentümer kein Interesse an dem Haus hat. Für die Nützlichkeit einer Verwendung ist, wie sich aus Wortlaut und Systematik des Gesetzes ergibt, allein die objektive Verkehrswerterhöhung der Sache maßgeblich. Auf den subjektiven Wert für den Eigentümer kommt es nicht an.
Der Kläger kann von den Beklagten auch nicht den Abriss des Wohnhauses verlangen. Denn ein Anspruch des Eigentümers aus § 1004 Abs. 1 BGB auf Beseitigung des Resultats der Verwendungen gegen einen redlichen Besitzer wie die Beklagten ist ausgeschlossen. Das Verhältnis von Beseitigungs- und Verwendungsersatzanspruch ist zwar gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. § 993 Abs. 1 Halbs. 2 BGB lässt sich aber im Zusammenspiel mit § 989 BGB entnehmen, dass der gutgläubige und nicht verklagte Besitzer als besonders schutzwürdig angesehen wird, weil er nicht zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet und ein Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften ausgeschlossen ist.
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