Reichweite der Haftung eines Kfz-Halters nach § 7 Abs. 1 StVG bei einem Fahrzeugbrand
BGH v. 12.12.2023 - VI ZR 76/23
Der Sachverhalt:
Der Sohn des Klägers hatte am 12.10.2019 den Pkw des Vaters an einer Straße mit leichtem Gefälle abgestellt. Hinter (oberhalb) dem Fahrzeug wurde ein bei der Beklagten haftpflichtversichertes Auto (Renault) geparkt. In der Nacht auf den 13.10.2019 brannten plötzlich beide Fahrzeuge, wobei das Auto des Klägers vollständig zerstört wurde.
Das LG hat die u.a. auf Ersatz von Wiederbeschaffungskosten, Nutzungsausfallschaden und weiteren Kosten i.H.v. insgesamt 6.786 € gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG das Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 6.298 € zu zahlen und ihn von vorgerichtlichen Anwaltskosten freizustellen. Der BGH hat die Entscheidung insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden war und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gründe:
Mit der Begründung des Berufungsgerichts konnte ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Schadensersatz nach § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG nicht bejaht werden.
Voraussetzung der Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist, dass eines der dort genannten Rechtsgüter "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" verletzt bzw. beschädigt worden ist. Dies ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeugs erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann "bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt wurde.
Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen wurde. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht. Im Fall eines Fahrzeugbrandes reicht allein der Umstand, dass Kfz wegen der mitgeführten Betriebsstoffe oder der verwendeten Materialien leicht brennen, allerdings nicht aus, um eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG zu begründen. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Brand als solcher in irgendeinem ursächlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz steht (vgl. Senatsurteile v. 27.11.2007 - VI ZR 210/06).
Infolgedessen hat das OLG einen Anspruch gegen die Beklagte nach § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG rechtsfehlerhaft bejaht. Es hat festgestellt, dass der Renault nachts in Brand geraten war. Dass eine Brandstiftung ausgeschlossen wäre, war den Feststellungen nicht zu entnehmen. Das OLG hat lediglich den Nachweis einer Brandstiftung als nicht erbracht angesehen. Auf dieser Grundlage kam nach der allgemeinen Lebenserfahrung als typische Brandursache nicht nur ein technischer Defekt am parkenden Fahrzeug in Betracht; es blieb vielmehr die Möglichkeit einer Brandstiftung, die das OLG nicht ausgeschlossen hat. Die Feststellungen rechtfertigten die Anwendung eines Anscheinsbeweises, dass eine Betriebseinrichtung des Renault den Brand ausgelöst habe, daher nicht
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Der Sohn des Klägers hatte am 12.10.2019 den Pkw des Vaters an einer Straße mit leichtem Gefälle abgestellt. Hinter (oberhalb) dem Fahrzeug wurde ein bei der Beklagten haftpflichtversichertes Auto (Renault) geparkt. In der Nacht auf den 13.10.2019 brannten plötzlich beide Fahrzeuge, wobei das Auto des Klägers vollständig zerstört wurde.
Das LG hat die u.a. auf Ersatz von Wiederbeschaffungskosten, Nutzungsausfallschaden und weiteren Kosten i.H.v. insgesamt 6.786 € gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG das Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 6.298 € zu zahlen und ihn von vorgerichtlichen Anwaltskosten freizustellen. Der BGH hat die Entscheidung insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden war und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gründe:
Mit der Begründung des Berufungsgerichts konnte ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Schadensersatz nach § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG nicht bejaht werden.
Voraussetzung der Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist, dass eines der dort genannten Rechtsgüter "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" verletzt bzw. beschädigt worden ist. Dies ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeugs erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann "bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt wurde.
Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen wurde. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht. Im Fall eines Fahrzeugbrandes reicht allein der Umstand, dass Kfz wegen der mitgeführten Betriebsstoffe oder der verwendeten Materialien leicht brennen, allerdings nicht aus, um eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG zu begründen. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Brand als solcher in irgendeinem ursächlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz steht (vgl. Senatsurteile v. 27.11.2007 - VI ZR 210/06).
Infolgedessen hat das OLG einen Anspruch gegen die Beklagte nach § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG rechtsfehlerhaft bejaht. Es hat festgestellt, dass der Renault nachts in Brand geraten war. Dass eine Brandstiftung ausgeschlossen wäre, war den Feststellungen nicht zu entnehmen. Das OLG hat lediglich den Nachweis einer Brandstiftung als nicht erbracht angesehen. Auf dieser Grundlage kam nach der allgemeinen Lebenserfahrung als typische Brandursache nicht nur ein technischer Defekt am parkenden Fahrzeug in Betracht; es blieb vielmehr die Möglichkeit einer Brandstiftung, die das OLG nicht ausgeschlossen hat. Die Feststellungen rechtfertigten die Anwendung eines Anscheinsbeweises, dass eine Betriebseinrichtung des Renault den Brand ausgelöst habe, daher nicht
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