05.09.2023

Reiserecht: Was darf man unter dem Begriff "Doppelzimmer" verstehen?

Es ist zumindest nicht unüblich, dass Doppelzimmer ohne Verwendung dieser weiter erläuternder Begriffe für mehr als zwei Personen verwendet werden. Bei einem Übernachtungspreis pro Person von weniger als 100 € pro Nacht in einem nach Landeskategorie der vier Sterne Kategorie zuzuordnenden Hotel mit All-Inklusive Leistungen wären redliche Vertragspartner nach der gebotenen objektiven Betrachtung bei angemessener Interessenabwägung davon ausgegangen, dass lediglich ein Zimmer je vier Personen gebucht sein sollte.

AG München v. 31.5.2023, 242 C 403/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte bei der Beklagten für sich, ihren Ehemann und sechs Mitreisende einen achttägigen Aufenthalt mit Vollpension in einem 4-Sterne Hotel in Italien für Anfang Oktober 2022 zum Preis von 648 € pro Person gebucht. Der Gesamtpreis betrug 5.184 €. Zwischen den Parteien war streitig, was unter der Buchung eines "Doppelzimmer" zu verstehen war. Die Klägerin hatte für die insgesamt acht Personen die Unterbringung im Doppelzimmer "Mountain" gebucht. Ob die Klägerin bei der Buchung auf der Internetseite ausdrücklich zwei oder vier Doppelzimmer gebucht hatte, konnte nicht geklärt werden.

Die Klägerin war der Ansicht, sie habe vier Doppelzimmer mit vier Doppelbetten gebucht. Auf der Buchungsbestätigung sei keine Zimmeranzahl angegeben, sondern nur das Wort "Doppelzimmer" verwendet worden, das auch als Mehrzahl verstanden werden könne. Die vor Ort erfolgte Unterbringung in lediglich zwei Zimmern mit zwei Doppelbetten sei daher mangelhaft gewesen. Die Beklagte war hingegen der Auffassung, die Klägerin habe zwei Doppelzimmer mit einer Belegung mit jeweils vier Personen gebucht. Die Kategorie "Doppelzimmer" sei für bis zu vier Erwachsene buchbar.

Die Klägerin forderte eine Minderung des Reisepreises von 50 %. Das AG wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die Klägerin konnte keine Reisemängel geltend machen und demzufolge auch keine daraus resultierende Minderungs-, Aufwendungs- oder Schadensersatzansprüche.

Die Parteien haben sich zwar über einen regelungsbedürftigen Punkt zunächst unbewusst nicht geeinigt. Es lag ein versteckter Dissens hinsichtlich eines regelungsbedürftigen vertraglichen Nebenpunktes vor, der nach § 155 BGB zunächst dazu führte, dass der Vertrag nicht zustande gekommen war. Die Beklagte war offensichtlich davon ausgegangen, dass lediglich zwei Doppelzimmer Vertragsbestandteil werden sollten. Die Klägerin hat glaubhaft dargelegt, dass sie überzeugt war, sie habe je zwei Erwachsenen ein Doppelzimmer gebucht. Es lag somit ein sog. Scheinkonsens vor, da der mehrdeutige Begriff "Doppelzimmer" nach den Vorstellungen der Parteien im unterschiedlichen Sinn verwendet wurde.

Nach der Auslegungsregel des § 155 BGB war jedoch davon auszugehen, dass der Vertrag auch ohne Einigung über diesen Punkt geschlossen worden wäre. Dies ergab sich aus dem Verhalten der Parteien nach Aufdeckung des Einigungsmangels: Die Klägerin und die Mitreisenden hatten sich nämlich entschieden die Reise fortzuführen und die Reiseleistungen, über die eine Einigung erzielt worden war, weiter in Anspruch zu nehmen. Auch die Beklagte hatte die Leistungen weiter zur Verfügung gestellt, so dass davon ausgegangen werden konnte, dass eine Geltung der Vereinbarungen im Interesse beider Parteien lag und deren mutmaßlichen Willen entsprach.

Die vertragliche Regelungslücke konnte, da eine nachträgliche Einigung der Parteien über den offenen Punkt nicht erfolgt war, mit Vorschriften des dispositiven Rechts geschlossen werden. In Betracht kamen etwa die §§ 315-319, 612, 631 BGB. Enthält das dispositive Recht - wie hier - keine geeigneten Regelungen, hat eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 157, 242 BGB zu erfolgen. Diese Auslegung ergab, dass Vertragsbestandteil die Buchung von (nur) jeweils einem Doppelzimmer pro vier Personen war. Zwar wird der Begriff "Doppelzimmer" wie ausgeführt nicht stets einheitlich verwendet. Nach dem Wortsinn und auch der im Beherbergungsgewerbeüblichen Definition handelt es sich um "ein Zimmer mit Schlafgelegenheiten für zwei Personen in einem Doppelbett oder zwei längsseits aneinander gefügten Einzelbetten".

Somit war der von der Beklagten in der Buchungsbestätigung vorgegebene Begriff nicht eindeutig ist. Es ist zwar grundsätzlich möglich, und unter Klarstellungsgesichtspunkten ggf. geboten, bei einer Anzahl der Reisenden, die die Anzahl der gewöhnlich in einem Doppelzimmer zur Verfügung gestellten Betten übersteigt, klarzustellen, dass dennoch nur ein Doppelzimmer gebucht wird, etwa durch die Begriffe "Mehrbettzimmer", "Doppelzimmer zur Verwendung von vier Personen", Doppelzimmer mit Zustellbetten" oder Ähnlichem. Es ist jedoch jedenfalls in der vorliegenden Konstellation ebenso nicht unüblich, dass Doppelzimmer ohne Verwendung dieser Begriffe für mehr als zwei Personen verwendet werden.

Im vorliegenden Fall ergab sich aus den genannten Umständen und insbesondere aus dem gegenständlichen Reisepreis, dass nach Treu und Glauben gem. §§ 157, 242 BGB nur ein Zimmer je vier Personen geschuldet sein konnte. Der Übernachtungspreis pro Person berechnete sich auf weniger als 100 € pro Nacht und war damit bei einem nach Landeskategorie der vier Sterne Kategorie zuzuordnenden Hotel mit All-Inklusive Leistungen sehr niedrig. Nach der gebotenen objektiven Betrachtung wären redliche Vertragspartner aufgrund der Gesamtumstände der Buchung bei angemessener Interessenabwägung davon ausgegangen, dass bei einem solchen Preis lediglich ein Zimmer je vier Personen gebucht sein sollte. Die Reise hatte demnach die nach der ergänzenden Vertragsauslegung vereinbarte Beschaffenheit i.S.d. § 651 i Abs. 2 S. 1 BGB aufgewiesen.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Die Entwicklungen des Pauschalreiserechts im Jahr 2022
Charlotte Achilles-Pujol, MDR 2023, 1077
MDR0058607

Enthalten im Aktionsmodul Zivilrecht:
Sie können Tage nicht länger machen, aber effizienter. Recherchieren Sie hier mit den führenden Kommentaren, Handbüchern und Zeitschriften für die zivilrechtliche Praxis. Topaktuelle Online-Aktualisierungen im Erman BGB; Updates im Zöller ZPO. Zahlreiche, bewährte Formulare mit LAWLIFT bearbeiten! Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. 4 Wochen gratis nutzen!
AG München - Pressemitteilung v. 4.9.2023
Zurück