Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrags aufgrund Widerspruchs scheitert an analogem Verbot des BetrAVG
LG Nürnberg-Fürth 6.9.2018, 2 O 5504/17Die Klägerin war bis zum 31.10.2010 bei der S AG angestellt. Zum 1.12.2004 hatte die S AG bei einem Versicherungskonsortium, dessen federführende Konsorte die Beklagte ist, im rahmen einer Gruppenversicherung den Abschluss einer Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitsvorsorge beantragt. Es handelte sich um eine Direktversicherung durch Umwandlung von Bruttoarbeitseinkommen ihm Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG. Versicherungsnehmer des Gruppenversicherungsvertrags war die S AG, versicherte Person die Klägerin als deren Arbeitnehmerin. Die Klägerin erwarb aus dem Versicherungsvertrag eine unverfallbare Anwartschaft i.S.d. § 1b Abs. 1 S. 1, Abs. 5 BetrAVG.
Zum 31.10.2010 endete das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei der S AG. Die streitgegenständliche Versicherung wurde ab dem 1.12.2010 durch die Klägerin als Versicherungsnehmerin einer Einzelversicherung bei der Beklagten fortgeführt. Zum 1.12.2013 wurde der Vertrag auf Wunsch der Klägerin beitragsfrei gestellt. Zum 1.12.2016 kündigte die Klägerin schließlich den Vertrag. Im Rahmen der Rückabwicklung zahlte die Beklagte nur den anteiligen Rückkaufswert bezogen auf den Stichtag 1.12.2010 aus. Im Übrigen wird der Vertrag beitragsfrei fortgeführt. Eine Belehrung der Klägerin über ein Widerrufsrecht erfolgte weder bei Vertragsschluss 2004 noch bei Umschreibung des Vertrags in 2010.
Mit Schreiben vom 14.3.2017 widersprach die Klägerin dem Abschluss des Versicherungsvertrags. Sie ist der Meinung, dass ihr aufgrund des Widerspruchs die noch nicht ausbezahlten Beiträge für die Laufzeit des Gruppenversicherungsvertrags zustünden. Der Widerruf könne aufgrund der fehlenden Belehrung noch erfolgen. Die Klage hatte vor dem LG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Klägerin stehen die begehrten Ansprüche aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB oder sonstigem Rechtsgrund nicht zu. Die Klägerin kann dem streitgegenständlichen Vertrag nicht nach § 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F. widersprechen, auch wenn die Beklagte weder der damaligen Arbeitgeberin der Klägerin noch der Klägerin selbst eine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Widerrufsbelehrung erteilt hat. Der Widerspruch der Klägerin, mit der diese die Rückabwicklung des Versicherungsvertrags erreichen will, scheitert jedenfalls an § 2 Abs. 2 S. 4, 5 Hs. 1 BetrAVG analog.
Bei dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag handelt es sich um ein Instrument der betrieblichen Altersvorsorge. Mit Hilfe der betrieblichen Altersvorsorge soll der Lebensstandard des Arbeitnehmers nach Ausscheiden aus dem Berufsleben zumindest teilweise gesichert werden. Deshalb widerspräche eine Berechtigung des Arbeitnehmers, die Beendigung des Versicherungsvertrags vorzeitig zu erzwingen, grundsätzlich dem Versorgungszweck der betrieblichen Altersvorsorge. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen durch § 2 Abs. 2 S. 5 BetrAVG in Ergänzung von § 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG gerade dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer Verfügungen, die den Versorgungszweck gefährden könnten, verboten sein. § 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG stellen deshalb gesetzliche Verbote i.S.d. § 134 BGB dar.
Nach seinem Wortlaut ist die Regelung des § 2 Abs.2 S. 4, 5 Hs. 1 BetrAVG nicht auf den hier vorliegenden Widerspruch nach § 5 VVG a.F. anwendbar. Die im Streitfall bestehende Konstellation lässt eine analoge Anwendung der Regelung zu und erfordert diese. Ausgehend von der Regelungsabsicht, wonach die bestehende Anwartschaft für den Versorgungszweck erhalten bleiben soll, ist festzustellen, dass die Verfügungsbeschränkungen hinsichtlich des Widerspruchs nach § 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F. eine Lücke enthalten. Es ist auszuschließen, dass der Gesetzgeber dabei eine Konstellation im Sinn hatte, nach der noch Jahrzehnte nach Vertragsabschluss durch ein ewiges Widerspruchsrecht eine Rückabwicklung möglich ist und er diese Konstellation bewusst nicht geregelt hat.
Zudem ist die Beendigung des Versicherungsvertrags durch Widerspruch und die daraus folgende Rückabwicklung in seinen Wirkungen mit dem normierten Tatbestand der Kündigung vergleichbar. In beiden Fällen wird die Versicherungsprämie an den Versicherungsnehmers ausgekehrt, so dass dieser vorzeitig darüber verfügen kann. Der Widerspruch entspricht daher in seiner Ausgestaltung einer Konstellation, die der Gesetzgeber durch die Regelung vermeiden wollte. Eine analoge Anwendung ist daher zu bejahen mit der Folge, dass der Widerspruch gem. § 134 BGB nichtig ist.
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