04.04.2024

Rücknahme des Versteigerungsantrags bis zum Wirksamwerden des Aufhebungsbeschlusses widerruflich

Die Rücknahme des Versteigerungsantrags nach § 29 ZVG ist als eine auf den Erlass des Aufhebungsbeschlusses gerichtete Prozesshandlung grundsätzlich bis zum Wirksamwerden des Aufhebungsbeschlusses widerruflich. Die mit der Rücknahme des Versteigerungsantrags bezweckte Verfahrensbeendigung tritt erst mit dem konstitutiv wirkenden Aufhebungsbeschluss ein.

BGH v. 15.2.2024 - V ZB 44/23
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind in Trennung lebende Eheleute und jeweils zur Hälfte Eigentümer des im Eingang des Beschlusses bezeichneten Grundbesitzes. Zur Aufhebung der Gemeinschaft beantragte der Beteiligte zu 1) die Teilungsversteigerung; die Beteiligte zu 2) trat dem Zwangsversteigerungsverfahren bei.

Im Versteigerungstermin erklärte der Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 1), er nehme den Antrag auf Zwangsversteigerung zurück. Daraufhin nahm die Beteiligte zu 2) ihren Beitrittsantrag zurück. Auf Nachfrage des Rechtspflegers, ob der Beteiligte zu 1) den Antrag wirklich zurücknehmen wolle, erklärte der Verfahrensbevollmächtigte nach Rücksprache mit dem Beteiligten zu 1), die Rücknahme des Vollstreckungsantrags werde zurückgenommen und die Zuschlagserteilung beantragt.

Das AG erteilte antragsgemäß den Zuschlag auf das Meistgebot der Ersteherin. Die gegen den Zuschlagsbeschluss gerichtete sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2) hatte vor dem LG ebenso wenig Erfolg wie die vorliegende Rechtsbeschwerde vor dem BGH.

Die Gründe:
Der Zuschlag ist zu Recht nicht versagt worden. Ein Versagungsgrund ist nach § 100 Abs. 3 i.V.m. § 83 Nr. 6 ZVG u.a. dann gegeben, wenn die Zwangsversteigerung aus einem sonstigen Grund unzulässig ist. Die Rücknahme des Antrags gem. § 29 ZVG stellt zwar einen solchen sonstigen Grund dar. Vorliegend liegt aber jedenfalls im Ergebnis keine Rücknahme des Vollstreckungsantrags vor.

Selbst wenn der Beteiligte zu 1) bereits die Rücknahme des Vollstreckungsantrags erklärt hätte, wäre die Rücknahmeerklärung jedenfalls wirksam widerrufen worden. Es ist umstritten, ob eine Antragsrücknahme nach § 29 ZVG wirksam widerrufen werden kann. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass die Antragsrücknahme vor Erlass des Aufhebungsbeschlusses widerrufen werden könne, weil die Beschlagnahmewirkungen nur durch einen konstitutiven Aufhebungsbeschluss entfielen und somit auch erst hierdurch das Verfahren beendet werde. Die insbesondere in der älteren Rechtsprechung und Literatur vertretene Gegenmeinung sieht in der Rücknahmeerklärung eine ab dem Eingang bei Gericht unwiderrufliche verfahrensbeendende Prozesshandlung. Gestützt wird diese Auffassung vornehmlich auf ein Verständnis, wonach dem Aufhebungsbeschluss nach § 29 ZVG lediglich deklaratorische Wirkung zukomme. Die erstgenannte Auffassung trifft zu.

Im Ausgangspunkt sind Prozesshandlungen wegen ihrer prozessgestaltenden Wirkung dann grundsätzlich unwiderruflich, wenn sie als so genannte Bewirkungshandlungen die Prozesslage unmittelbar beeinflussen, wie dies etwa bei der Rücknahme der Klage oder der Rücknahme eines Rechtsmittels der Fall ist. Prozesshandlungen, deren bezweckter Erfolg erst auf Grund eines Tätigwerdens des Gerichts eintritt (sog. Erwirkungshandlungen), sind dagegen widerruflich, solange durch sie keine geschützte Position der Gegenseite entstanden ist. Unter dem Tätigwerden des Gerichts ist dabei eine gerichtliche Entscheidung, durch die auf den Prozess eingewirkt wird, zu verstehen.

Daran gemessen handelt es sich bei der Rücknahme des Versteigerungsantrags um eine Erwirkungshandlung. Infolgedessen ist die Rücknahme des Versteigerungsantrags nach § 29 ZVG als eine auf den Erlass des Aufhebungsbeschlusses gerichtete Prozesshandlung grundsätzlich bis zum Wirksamwerden des Aufhebungsbeschlusses widerruflich; die mit der Rücknahme des Versteigerungsantrags bezweckte Verfahrensbeendigung tritt erst mit dem konstitutiv wirkenden Aufhebungsbeschluss ein.

Mehr zum Thema:

Kurzbeitrag:
Buchtipp: Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 8. Aufl.
Walter Kogel, FamRB 2023, 483
FAMRB0061228

Aufsatz:
Teilungsversteigerung bei Trennung und Scheidung
Walter Kogel, FamRZ 2022, 1661

Aktionsmodul Familienrecht:
Online-Unterhaltsrechner mit jeweils den aktuellen Werten der Düsseldorfer Tabelle. Top Inhalte online: FamRZ und FamRZ-Buchreihe von Gieseking, FamRB von Otto Schmidt, "Gerhardt" von Wolters Kluwer und vielen Standardwerken. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO: Für Fachanwälte mit Beiträgen zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!
BGH online
Zurück