Rücktritt wegen Corona: Entschädigungsanspruch des Reiseveranstalters trotz Unmöglichkeit der Reise?
LG Frankfurt a.M. v. 10.8.2021 - 2-24 S 31/21
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um Stornierungskosten i.H.v. ca 600 € nach Rücktritt von einer Pauschalreise nach England im Frühjahr 2020.
Der Kläger hatte wegen der sich abzeichnenden Epidemie am 26.2.2020 den Rücktritt von der Reise erklärt. Im März wurde diese auch durch den Reiseveranstalter offiziell abgesagt. Der Veranstalter behielt dennoch bei der Rückzahlung des Reisepreises die o.g. Summe als Stornierungsgebühr ein.
Das AG sah den Reiseveranstalter insoweit im Recht und wies die Zahlungsklage ab. Zur Begründung führte es aus, der Veranstalter habe nach dem Rücktritt des Klägers einen Anspruch auf angemessene Entschädigung. Die Voraussetzungen des § 651h Abs. 3 BGB lägen nicht vor. Bei der Beurteilung des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände komme es allein auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung an - und zu diesem (am 26.2.2020) sei der Verlauf der Pandemie noch nicht hinreichend prognostizierbar gewesen.
Das LG gab der Berufung des Klägers statt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache wurde die Revision zugelassen.
Die Gründe:
Die Beklagte war vorliegend nicht dazu berechtigt, gemäß § 651h Abs. 1 S. 3 BGB eine angemessene Entschädigung zu verlangen. Denn gemäß § 651 h Abs. 3 BGB kann der Reiseveranstalter keine Entschädigung verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Anerkannt ist, dass auch Naturkatastrophen und Krankheitsausbrücke solche unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände darstellen. Ein erhebliches Indiz für das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände stellt darüber hinaus eine amtliche Reisewarnung für das konkrete Reiseziel dar.
Es kann dabei dahinstehen, ob bei einer ex ante Betrachtung zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Klägers am 26.2.2020 das damals bestehende Infektionsgeschehen im Zusammenhang mit dem Corona-Virus bereits eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines außergewöhnlichen Umstands i.S.d. § 651h Abs. 3 BGB begründete. Entgegen der Ansicht des AG ist für die Beurteilung der Frage, ob unvermeidbare außergewöhnliche Umstände vorliegen, jedenfalls in der vorliegenden Fallgestaltung, in der der Reiseveranstalter die Reise vor Reisebeginn selbst aufgrund eines unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstands absagt, eine ex ante Betrachtung zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Reisenden nicht maßgeblich.
Entscheidend ist, dass der Kläger wegen der Corona-Pandemie von dem Pauschalreisevertrag zurückgetreten ist und die Reise letztlich von der Beklagten vor Reisebeginn auch aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt wurde. Die Frage, ob eine Prognose-Entscheidung des Reisenden hinsichtlich des Auftretens unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung zutreffend war, kann sich nur dann stellen, wenn sich die Gefahr von unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen, wegen der der Reisende den Rücktritt erklärt hat, tatsächlich später nicht realisiert hat. Es würde der Natur des Entschädigungsanspruchs des Reiseveranstalters nach § 651h Abs. 1 S. 3 BGB und der Zielrichtung des Verbraucherschutzes in Art. 12 Abs. 2 der Pauschalreiserichtlinie widersprechen, wenn dem Reiseveranstalter nach seiner Reiseabsage wegen Unmöglichkeit der Reise noch ein Entschädigungsanspruch zustünde.
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Die Parteien streiten um Stornierungskosten i.H.v. ca 600 € nach Rücktritt von einer Pauschalreise nach England im Frühjahr 2020.
Der Kläger hatte wegen der sich abzeichnenden Epidemie am 26.2.2020 den Rücktritt von der Reise erklärt. Im März wurde diese auch durch den Reiseveranstalter offiziell abgesagt. Der Veranstalter behielt dennoch bei der Rückzahlung des Reisepreises die o.g. Summe als Stornierungsgebühr ein.
Das AG sah den Reiseveranstalter insoweit im Recht und wies die Zahlungsklage ab. Zur Begründung führte es aus, der Veranstalter habe nach dem Rücktritt des Klägers einen Anspruch auf angemessene Entschädigung. Die Voraussetzungen des § 651h Abs. 3 BGB lägen nicht vor. Bei der Beurteilung des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände komme es allein auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung an - und zu diesem (am 26.2.2020) sei der Verlauf der Pandemie noch nicht hinreichend prognostizierbar gewesen.
Das LG gab der Berufung des Klägers statt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache wurde die Revision zugelassen.
Die Gründe:
Die Beklagte war vorliegend nicht dazu berechtigt, gemäß § 651h Abs. 1 S. 3 BGB eine angemessene Entschädigung zu verlangen. Denn gemäß § 651 h Abs. 3 BGB kann der Reiseveranstalter keine Entschädigung verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Anerkannt ist, dass auch Naturkatastrophen und Krankheitsausbrücke solche unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände darstellen. Ein erhebliches Indiz für das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände stellt darüber hinaus eine amtliche Reisewarnung für das konkrete Reiseziel dar.
Es kann dabei dahinstehen, ob bei einer ex ante Betrachtung zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Klägers am 26.2.2020 das damals bestehende Infektionsgeschehen im Zusammenhang mit dem Corona-Virus bereits eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines außergewöhnlichen Umstands i.S.d. § 651h Abs. 3 BGB begründete. Entgegen der Ansicht des AG ist für die Beurteilung der Frage, ob unvermeidbare außergewöhnliche Umstände vorliegen, jedenfalls in der vorliegenden Fallgestaltung, in der der Reiseveranstalter die Reise vor Reisebeginn selbst aufgrund eines unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstands absagt, eine ex ante Betrachtung zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Reisenden nicht maßgeblich.
Entscheidend ist, dass der Kläger wegen der Corona-Pandemie von dem Pauschalreisevertrag zurückgetreten ist und die Reise letztlich von der Beklagten vor Reisebeginn auch aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt wurde. Die Frage, ob eine Prognose-Entscheidung des Reisenden hinsichtlich des Auftretens unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung zutreffend war, kann sich nur dann stellen, wenn sich die Gefahr von unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen, wegen der der Reisende den Rücktritt erklärt hat, tatsächlich später nicht realisiert hat. Es würde der Natur des Entschädigungsanspruchs des Reiseveranstalters nach § 651h Abs. 1 S. 3 BGB und der Zielrichtung des Verbraucherschutzes in Art. 12 Abs. 2 der Pauschalreiserichtlinie widersprechen, wenn dem Reiseveranstalter nach seiner Reiseabsage wegen Unmöglichkeit der Reise noch ein Entschädigungsanspruch zustünde.