Schäden an Gehwegen begründen nicht zwangsläufig eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht
LG Lübeck v. 6.9.2024 - 10 O 240/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger war am Nachmittag des 25.9.2021 in Begleitung seiner Ehefrau zu Fuß in Lübeck unterwegs. Er behauptete, er sei aus der Innenstadt kommend in Richtung Holstentor gegangen. Im Bereich vor dem ehemaligen Karstadt Sport Gebäude sei er an einer mittig auf dem Gehweg herausstehenden Kante einer Gehwegplatte mit dem linken Fuß hängen geblieben und gestürzt. Die Gehwegplatte habe einen Niveauunterschied zwischen 1 und 2,5 cm zu den umliegenden Gehwegplatten aufgewiesen. Diese Schwelle habe der Kläger nicht wahrnehmen und erwarten können.
Der Kläger war der Ansicht, die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Insbesondere seien an den Bereich um den Unfallort hohe Anforderungen bezüglich der Verkehrssicherungspflicht zu stellen, weil dieser Bereich als Haupteinfallstor zum Innenstadtbereich der Stadt Lübeck stark frequentiert sei.
Das LG die Klage auf Schadensersatz abgewiesen.
Die Gründe:
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 34 S. 1 GG i.V.m. § 10 Abs. 1 S. 2, 3, Abs. 2, 4 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Schleswig-Holstein in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.11.2003 (StrWG-SH) zu.
Zwar ist die Beklagte als Trägerin der Straßenbaulast für die Erfüllung der Straßenverkehrssicherungspflichten in dem streitgegenständlichen Bereich räumlich und sachlich zuständig. § 10 Abs. 1 S. 2 StrWG-SH verlangt vom Träger der Straßenbaulast, Straßen in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu unterhalten, wobei nach § 10 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 StrWG-SH bei der Unterhaltung die Belange von älteren Menschen zu berücksichtigen sind. Daraus folgt, dass sich Straßen grundsätzlich nicht in einem einwandfreien Zustand befinden müssen und von ihnen mit Blick auf etwaige Unebenheiten eine Restgefahr ausgehen kann. Der Umfang der Sorge für die Verkehrssicherheit wird maßgeblich von der Art und der Häufigkeit der Benutzung des Verkehrswegs und seiner Bedeutung bestimmt. Grundsätzlich muss der Straßenbenutzer sich aber den vorgefundenen Straßenverhältnissen anpassen.
Selbst wenn man zugunsten des Klägers von einem Höhenunterschied der Gehwegplatten von bis zu 2,5 cm ausgeht, war mit Blick auf die Gesamtumstände kein pflichtwidriger Zustand des Gehwegs festzustellen. Die Rechtsprechung beurteilt die Pflichtwidrigkeit von Schäden an Gehwegen und unterschiedlicher Höhenniveaus im Fußgängerbereich mit Blick auf die konkreten Umstände des Einzelfalls. Für eine Fußgängerzone oder die nicht für den Kfz-Verkehr bestimmte Zuwegung zu einem Marktplatz wurde ein Niveauunterschied unter 2 bis 2,5 cm als erheblich angesehen (OLG Oldenburg v. 20.12.1985, Az. 6 U 72/85; OLG Hamm v. 16.10.2020, Az. 11 U 72/19), ebenso wie eine Asphaltkante von 3 cm, während mit absackenden Pflastersteinen eher zu rechnen ist (OLG Stuttgart v. 26.11.2020, Az. 2 U 437/19). Auf Gehwegen im Allgemeinen werden Niveauunterschiede von ca. 2 bis 3 cm regelmäßig akzeptiert (OLG Koblenz v. 26.7.2018, Az. 1 U 149/18; OLG Koblenz v. 23.6.2010, Az. 1 U 1526/09; OLG Frankfurt v. 10.2.2003, Az. 1 U 153/01). Entscheidend ist dabei jeweils, inwieweit Gehwegschäden für den Fußgängerverkehr mit Blick auf die örtlichen Begleitumstände erkennbar und ein Überqueren vermeidbar ist (vgl. auch BGH v. 5.7.2012, Az. III ZR 240/11). Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflichtverletzung kann erst angenommen werden, wenn auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintritt und nicht rechtzeitig erkennbar ist (OLG Saarbrücken v. 26.11.2015, Az. 4 U 110/14).
Zwar ist die hier maßgebliche Straße hoch frequentiert. Daraus folgten aber nicht ohne Weiteres erhöhte Sorgfaltsanforderungen der Beklagten. Denn die Klägerseite hat daraus keine Ableitung für die Erkennbarkeit der Gehwegschäden gezogen. Sie hat insbesondere nicht vorgetragen, dass die Straße regelmäßig derart frequentiert ist, dass Fußgänger in einem gedrängten Verkehr den vor ihnen liegenden Gehweg nicht erkennen können. Ein regelmäßig derart gedrängter Fußgängerverkehr ist auch dem Gericht nicht bekannt. Die Holstenstraße ist im unteren Bereich auch nicht durch eine Vielzahl ansprechender Schaufenster geprägt, die zu einer Ablenkung von Fußgängern führen würden. Der Kläger hatte auch nicht substantiiert vorgetragen, dass sich der gesamte Gehweg in einem schadhaften Zustand befunden habe, der ein Ausweichen vor etwaigen Gefahren unmöglich gemacht hätte.
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Landesregierung Schleswig-Holstein
Der Kläger war am Nachmittag des 25.9.2021 in Begleitung seiner Ehefrau zu Fuß in Lübeck unterwegs. Er behauptete, er sei aus der Innenstadt kommend in Richtung Holstentor gegangen. Im Bereich vor dem ehemaligen Karstadt Sport Gebäude sei er an einer mittig auf dem Gehweg herausstehenden Kante einer Gehwegplatte mit dem linken Fuß hängen geblieben und gestürzt. Die Gehwegplatte habe einen Niveauunterschied zwischen 1 und 2,5 cm zu den umliegenden Gehwegplatten aufgewiesen. Diese Schwelle habe der Kläger nicht wahrnehmen und erwarten können.
Der Kläger war der Ansicht, die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Insbesondere seien an den Bereich um den Unfallort hohe Anforderungen bezüglich der Verkehrssicherungspflicht zu stellen, weil dieser Bereich als Haupteinfallstor zum Innenstadtbereich der Stadt Lübeck stark frequentiert sei.
Das LG die Klage auf Schadensersatz abgewiesen.
Die Gründe:
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 34 S. 1 GG i.V.m. § 10 Abs. 1 S. 2, 3, Abs. 2, 4 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Schleswig-Holstein in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.11.2003 (StrWG-SH) zu.
Zwar ist die Beklagte als Trägerin der Straßenbaulast für die Erfüllung der Straßenverkehrssicherungspflichten in dem streitgegenständlichen Bereich räumlich und sachlich zuständig. § 10 Abs. 1 S. 2 StrWG-SH verlangt vom Träger der Straßenbaulast, Straßen in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu unterhalten, wobei nach § 10 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 StrWG-SH bei der Unterhaltung die Belange von älteren Menschen zu berücksichtigen sind. Daraus folgt, dass sich Straßen grundsätzlich nicht in einem einwandfreien Zustand befinden müssen und von ihnen mit Blick auf etwaige Unebenheiten eine Restgefahr ausgehen kann. Der Umfang der Sorge für die Verkehrssicherheit wird maßgeblich von der Art und der Häufigkeit der Benutzung des Verkehrswegs und seiner Bedeutung bestimmt. Grundsätzlich muss der Straßenbenutzer sich aber den vorgefundenen Straßenverhältnissen anpassen.
Selbst wenn man zugunsten des Klägers von einem Höhenunterschied der Gehwegplatten von bis zu 2,5 cm ausgeht, war mit Blick auf die Gesamtumstände kein pflichtwidriger Zustand des Gehwegs festzustellen. Die Rechtsprechung beurteilt die Pflichtwidrigkeit von Schäden an Gehwegen und unterschiedlicher Höhenniveaus im Fußgängerbereich mit Blick auf die konkreten Umstände des Einzelfalls. Für eine Fußgängerzone oder die nicht für den Kfz-Verkehr bestimmte Zuwegung zu einem Marktplatz wurde ein Niveauunterschied unter 2 bis 2,5 cm als erheblich angesehen (OLG Oldenburg v. 20.12.1985, Az. 6 U 72/85; OLG Hamm v. 16.10.2020, Az. 11 U 72/19), ebenso wie eine Asphaltkante von 3 cm, während mit absackenden Pflastersteinen eher zu rechnen ist (OLG Stuttgart v. 26.11.2020, Az. 2 U 437/19). Auf Gehwegen im Allgemeinen werden Niveauunterschiede von ca. 2 bis 3 cm regelmäßig akzeptiert (OLG Koblenz v. 26.7.2018, Az. 1 U 149/18; OLG Koblenz v. 23.6.2010, Az. 1 U 1526/09; OLG Frankfurt v. 10.2.2003, Az. 1 U 153/01). Entscheidend ist dabei jeweils, inwieweit Gehwegschäden für den Fußgängerverkehr mit Blick auf die örtlichen Begleitumstände erkennbar und ein Überqueren vermeidbar ist (vgl. auch BGH v. 5.7.2012, Az. III ZR 240/11). Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflichtverletzung kann erst angenommen werden, wenn auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintritt und nicht rechtzeitig erkennbar ist (OLG Saarbrücken v. 26.11.2015, Az. 4 U 110/14).
Zwar ist die hier maßgebliche Straße hoch frequentiert. Daraus folgten aber nicht ohne Weiteres erhöhte Sorgfaltsanforderungen der Beklagten. Denn die Klägerseite hat daraus keine Ableitung für die Erkennbarkeit der Gehwegschäden gezogen. Sie hat insbesondere nicht vorgetragen, dass die Straße regelmäßig derart frequentiert ist, dass Fußgänger in einem gedrängten Verkehr den vor ihnen liegenden Gehweg nicht erkennen können. Ein regelmäßig derart gedrängter Fußgängerverkehr ist auch dem Gericht nicht bekannt. Die Holstenstraße ist im unteren Bereich auch nicht durch eine Vielzahl ansprechender Schaufenster geprägt, die zu einer Ablenkung von Fußgängern führen würden. Der Kläger hatte auch nicht substantiiert vorgetragen, dass sich der gesamte Gehweg in einem schadhaften Zustand befunden habe, der ein Ausweichen vor etwaigen Gefahren unmöglich gemacht hätte.
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