Schadensersatz aufgrund fehlerhafter ärztlicher Behandlung umfasst auch Zwischenfinanzierungskosten
OLG Frankfurt a.M. 9.8.2018, 8 U 181/16Die Klägerin sind Eltern einer Tochter, die aufgrund einer Trisomie 18 mit schweren körperlichen Fehlbildungen zur Welt kam und im Alter von drei Jahren an ihrer Grunderkrankung verstarb. Sie konnte ihren Oberkörper und Kopf nicht eigenständig halten, nicht essen, krabbeln und laufen. Neben erheblichen Missbildungen litt sie zudem unter massiven, insbesondere nachts auftretenden Unruhezuständen. Die grundsätzliche Schadensersatzverpflichtung der beklagten Ärzte aufgrund ihrer fehlerhaften Schwangerschaftsbetreuung wurde bereits gerichtlich bindend festgestellt (LG Wiesbaden vom 25.7.2014).
Die Kläger wohnten zum Zeitpunkt der Geburt der behinderten Tochter in einer Eigentumswohnung, die nicht behindertengerecht umgebaut werden konnte. Als ihre Tochter zwei Jahre alt war, entschlossen sich die Kläger zum Bau eines Hauses mit einem im Erdgeschoss gelegenen behindertengerechten Zimmer mit kleinem Badezimmer. Zu diesem Zeitpunkt erwarteten die Kläger ihr zweites Kind. Der Bau wurde bis zum Verkauf der Wohnung über ein Darlehen finanziert. Mit ihrer Klage begehrten die Kläger die Übernahme der ihnen so entstandenen Zwischenfinanzierungskosten in mittlerer fünfstelliger Größenordnung.
Das LG gab der Klage statt. Die dagegen eingelegte Berufung hatte vor dem OLG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Zwischenfinanzierungskosten sind als Folge der fehlerhaften Schwangerschaftsbetreuung von den Beklagten zu übernehmen. Die Kläger haben überzeugend dargelegt, dass sie sich aufgrund der schweren Behinderung ihrer Tochter und nicht wegen einer weitere Kinder umfassenden Familienplanung entschlossen haben, die Eigentumswohnung zu verkaufen und ein Einfamilienhaus in unmittelbarer Nachbarschaft zu bauen.
Die Tochter litt unter schwersten geistigen und psychomotorischen Entwicklungsrückständen. Sie konnte nur mittels eines speziellen Behindertenwagens transportiert werden. Dabei waren in der alten Wohnung der Kläger mehrfache Treppenpodeste zu überwinden. Zudem hatte den Klägern auch kein Parkplatz in unmittelbarer Nähe zur Wohnung zugestanden. Dies spricht alles für die Erforderlichkeit, ein behindertengerechtes Haus zu bauen.
Der Hausbau war zudem im Hinblick auf die krankheitsbedingten nächtlichen Unruhezustände erforderlich. Die Unruhezustände gingen mit einer erheblichen Geräuschentwicklung einher. Die Kläger waren daher erheblichem psychischen Druck ausgesetzt. Sie wollten Störungen und Beeinträchtigungen von Nachbarn vermeiden. Mit dem Schreien eines gesunden Kindes ist dies nicht zu vergleichen. Aus diesen Gründen wäre eine Anmietung einer behindertengerechten Wohnung keine Alternative gewesen.
Darüber hinaus können die Beklagten nicht erfolgreich einwenden, dass es nicht ungewöhnlich sei, dass sich eine Familie bei mehreren Kindern dazu entscheide, ein Haus zu bauen. Es ist gerade vielmehr bereits festgestellt worden, dass die Kläger die erste Schwangerschaft bei fehlerfreier Behandlung abgebrochen hätten. In diesem Fall hätten die Kläger nach der zweiten Schwangerschaft ihr erstes Kind bekommen. Die Eigentumswohnung der Kläger wäre für bis zu zwei gesunde Kinder jedoch völlig ausreichend gewesen.