28.05.2024

Schadensersatz und Schmerzensgeld bei fehlerhafter chemischer Haarglättung

Steht einer Kundin nach einer Schädigung ihrer Haare durch eine fehlerhafte chemische Haarglättung ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld zu? Das LG Koblenz sprach der Kundin nur einen Teil des eingeklagten Schmerzensgeldes zu. Der materielle Schadensersatzanspruch wurde gänzlich verneint, da der behauptete Pflegeschaden mit fiktiven Heilbehandlungskosten vergleichbar sei, die nach ständiger Rechtsprechung nicht erstattet würden.

LG Koblenz v. 14.3.2024 - 3 O 267/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin beauftragte die Beklagte, die einen Friseursalon betreibt, eine chemische Haarglättung bei ihr durchzuführen. Die Klägerin hatte zu diesem Zeitpunkt bis über das Schulterblatt langes Haar. Nach Durchführung der Haarglättung war das Haar der Klägerin in den Haarspitzen unkämmbar und verfilzt. Das Haar musste um mindestens 10 cm Länge gekürzt werden. In der Folgezeit wurde ein selbständiges Beweisverfahren durchgeführt und ein Sachverständigengutachten eingeholt.

Die Klägerin behauptet u.a., es sei zu Strukturschäden an ihrem Haar gekommen, die darauf zurückzuführen seien, dass die Beklagte ein für ihr Haar ungeeignetes Produkt für die chemische Haarglättung verwendet habe. Infolge der eingetretenen Haarschäden habe sie sich massiv unwohl gefühlt. Sie habe ihre Sozialkontakte erheblich eingeschränkt und solche weitestgehend vermieden. Das Haarbild sei stark entstellend gewesen, ihr sei es nicht möglich gewesen die Haare zu frisieren oder ordentlich zu kämmen, da die Haare weiter abgebrochen und ausgefallen seien. Sie habe für fast ein Jahr das Haus nur mit Mütze oder Kappe verlassen. Bis zum Erreichen ihrer ursprünglichen Haarlänge dauere es bis zu sechs Jahren. Das massiv beschädigte Haar benötige eine kostenträchtige Intensivpflege.

Für den von ihr behaupteten Pflegeschaden (fiktive Kosten für die regelmäßige Intensivpflege der Haare nach der fehlerhaften Behandlung) macht sie einen Schadensersatz in Höhe von ca. 5.000 € geltend. Hinsichtlich der vorgetragenen Einschränkungen durch die beschädigten Haare verlangt sie ein Schmerzensgeld von mindestens 5.000 €. Zudem verlangt sie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen künftigen materiellen und immateriellen Schaden anlässlich der mangelhaften Haarbehandlung zu ersetzen.

Die Beklagte behauptet u.a., der Zustand der Haare sei durch eine von der Klägerin selbst vorgenommene Behandlung mit unbekannten Mitteln zurückzuführen. Ebenso komme eine andere, natürliche Ursache in Betracht, etwa eine vorangegangene Schwangerschaft der Klägerin. Zudem habe sich die Klägerin eine Typveränderung gewünscht, das Abschneiden der Haare auf Schulterlänge sei Teil dieses Wunsches gewesen.

Das LG hat der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.500 € nebst Zinsen iHv 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7.9.2022 zugesprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Nach der Vernehmung von Zeugen und aufgrund des Ergebnisses eines eingeholten Sachverständigengutachtens war festzustellen, dass das von der Beklagten ausgewählte und verwendete Mittel für die Behandlung der Haare der Klägerin ungeeignet und somit die vertraglich geschuldete Haarbehandlung mangelhaft gewesen ist. Ausweislich des Sachverständigengutachtens kann der an den Haaren der Klägerin eingetretene Schaden auch nicht durch eine Schwangerschaft oder durch von der Klägerin verwendete Drogerieprodukte eingetreten sein.

Da der Verlust und das Abschneiden von Haaren als Körperverletzung anerkannt sei, kann die Klägerin eine billige Entschädigung in Geld von der Beklagten verlangen. Der Anspruch soll den erlittenen immateriellen Schaden angemessen ausgleichen, dabei einerseits Ausgleich für erlittene Schmerzen und Leiden gewähren sowie andererseits Genugtuung verschaffen für das, was durch den Schädiger angetan wurde. Bei der Festsetzung der Höhe des Schmerzensgeldes war zu berücksichtigen, dass die Klägerin angesichts des Verlaufs des selbstständigen Beweisverfahrens und um sich nicht dem Vorwurf einer Beweisvereitelung ausgesetzt zu sehen, über einen Zeitraum von jedenfalls eineinhalb Jahren mit dem Makel unnormal strohiger, quasi verunstalteter Haare, den sie auch schlecht hat verbergen können, hat leben müssen. Dies hat eine erhebliche seelische Beeinträchtigung dargestellt.

Weiter schmerzensgelderhöhend ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin sich angesichts des Ausmaßes der Haarschäden zu einem Kurzhaarschnitt gezwungen gesehen hat, um die optischen Auswirkungen möglichst gering zu halten und dennoch weiterhin damit hat leben müssen, dass ihr die Haare bei kleinster physikalischer Beeinträchtigung abgebrochen sind. Hinzu kommt, dass die Beklagte nicht nur zunächst die Zahlung komplett verweigert, sondern sowohl im Verlauf des selbstständigen Beweisverfahrens als auch im vorliegenden Verfahren der Klägerin unterstellt hat, die Schädigung der Haare letztlich selbst verantwortet zu haben. Dies ist als schmerzensgelderhöhende zusätzliche Kränkung der Klägerin zu berücksichtigen.

Soweit die Klägerin für den von ihr behaupteten Pflegeschaden (fiktive Kosten für die regelmäßige Intensivpflege der Haare nach der fehlerhaften Behandlung) einen Schadensersatz iHv ca. 5.000 € geltend gemacht hat, wurde die Klage abgewiesen. Der behauptete Pflegeschaden ist mit fiktiven Heilbehandlungskosten vergleichbar, die nach ständiger Rechtsprechung nicht erstattungsfähig sind.

Da die Haare der Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung auf Schulterlänge nachgewachsen waren und auch mit Folgeschäden nicht zu rechnen ist, wurde die Klage hinsichtlich des geltend gemachten Feststellungsantrags abgewiesen.

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Kurzbeitrag:
VersR REPORT: Ausgewählte Rechtsprechung zum Haftungs- und Schadensrecht
Oliver Brand / Lothar Jaeger, VersR 2023, S21

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