Schadensersatzanspruch des Mieters trotz eigener Kündigung bei vorgetäuschtem Eigenbedarf
LG Kassel v. 23.11.2024 - 1 S 222/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte 1983 ein Einfamilienhaus angemietet. Am 3.1.2019 kündigte der beklagte Vermieter das Mietverhältnis zum 31.12.2019 wegen Eigenbedarfs, weil seine Mutter in das Haus einziehen sollte. Daraufhin mieteten die Kläger eine Wohnung und kündigten ihrerseits das Mietverhältnis mit dem Beklagten. Am 2310.2019 bot der Beklagte das Haus über ein Kleinanzeigenportal zur Anmietung an. Im April 2020 vermietete er das Haus, das bis dahin leer gestanden hatte, an einen anderen Mieter.
Die Klägerin verlangte vom Beklagten Schadensersatz i.H.v. insgesamt 15.099 €. Sie behauptete, der Beklagte habe nie beabsichtigt, das Haus seiner Mutter zu überlassen. Der Eigenbedarf sei vorgetäuscht gewesen, um die Klägerin und ihren Ehemann loszuwerden und das Haus neu zu vermieten. Der Beklagte entgegnete, die endgültige Entscheidung, dass seine Mutter nicht in das Haus einzieht, sei erst an ihrem 80. Geburtstag am 17.3.2020 gefallen, und zwar aufgrund der Corona-Pandemie. Ohne diese hätte man den Umzug in Angriff genommen. Zu der Anzeige vom 23.10.2019 führte er aus, es sei angedacht gewesen, zunächst das Haus zwischen zu vermieten, der Wille zur Eigennutzung habe damals fortbestanden.
Das AG hat der Klage i.H.v. 14.742 € stattgegeben. Das LG hat die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 535, 280 Abs. 1 BGB aufgrund unberechtigter Eigenbedarfskündigung vom 3.1.2019.
Der Beklagte war nicht in der Lage, plausibel darzulegen, dass und warum der mit der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf entfallen war. Zwar ist der Mieter darlegungs- und beweisbelastet für die Behauptung, die Eigenbedarfskündigung sei vorgeschoben. Dies gilt auch, obgleich der Mieter bei vorgetäuschtem Eigenbedarf als Pflichtverletzung eine negative Tatsache darlegen und beweisen muss. Dem Mieter steht auch kein Anscheinsbeweis zur Seite. Da er als darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihm vorzutragenden Geschehensablaufs steht und im Gegensatz zum Vermieter keine nähere Kenntnis von den maßgebenden Umständen besitzt, darf sich der Vermieter, wenn ihm nähere Angaben zumutbar sind, jedoch nicht auf ein bloßes Klageleugnen zurückziehen, sondern muss substantiiert entgegnen.
Das Ausmaß dieser sog. sekundären Darlegungslast richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Darlegungen müssen so konkret sein, dass der beweisbelasteten Partei eine Widerlegung möglich ist. Setzt der Vermieter den behaupteten Selbstnutzungswillen nach Auszug des Mieters nicht in die Tat um oder entfällt der Eigenbedarf schon nach kurzer Zeit, liegt der Verdacht nahe, dass der Eigenbedarf nur vorgeschoben war. Unter diesen Umständen ist es Aufgabe des Vermieters, substantiiert und plausibel (stimmig) darzulegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll.
Hierbei sind strenge Anforderungen zu stellen. Erst wenn der Vortrag des Vermieters diesem Maßstab genügt, obliegt dem Mieter der Beweis, dass ein Selbstnutzungswille des Vermieters schon vorher nicht bestand. Und so lag der Fall hier. Aufgrund des Umstandes, dass der Eigengebrauch nicht vollzogen worden war, oblag eigentlich dem Beklagten eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast, so dass er plausibel darzulegen hatte, warum und wann der Nutzungswille entfallen war. Dies ist ihm aber nicht gelungen.
Die Kausalität ist auch nicht durch die Kündigung und den (frühen) Auszug der Mieter unterbrochen worden. Die Kausalität von Schadenspositionen infolge einer Eigenbedarfskündigung ist nämlich auch dann zu bejahen, wenn der Mieter freiwillig auszieht, weil er auf die Angaben des Vermieters in der Eigenbedarfskündigung vertraut.
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Die Klägerin hatte 1983 ein Einfamilienhaus angemietet. Am 3.1.2019 kündigte der beklagte Vermieter das Mietverhältnis zum 31.12.2019 wegen Eigenbedarfs, weil seine Mutter in das Haus einziehen sollte. Daraufhin mieteten die Kläger eine Wohnung und kündigten ihrerseits das Mietverhältnis mit dem Beklagten. Am 2310.2019 bot der Beklagte das Haus über ein Kleinanzeigenportal zur Anmietung an. Im April 2020 vermietete er das Haus, das bis dahin leer gestanden hatte, an einen anderen Mieter.
Die Klägerin verlangte vom Beklagten Schadensersatz i.H.v. insgesamt 15.099 €. Sie behauptete, der Beklagte habe nie beabsichtigt, das Haus seiner Mutter zu überlassen. Der Eigenbedarf sei vorgetäuscht gewesen, um die Klägerin und ihren Ehemann loszuwerden und das Haus neu zu vermieten. Der Beklagte entgegnete, die endgültige Entscheidung, dass seine Mutter nicht in das Haus einzieht, sei erst an ihrem 80. Geburtstag am 17.3.2020 gefallen, und zwar aufgrund der Corona-Pandemie. Ohne diese hätte man den Umzug in Angriff genommen. Zu der Anzeige vom 23.10.2019 führte er aus, es sei angedacht gewesen, zunächst das Haus zwischen zu vermieten, der Wille zur Eigennutzung habe damals fortbestanden.
Das AG hat der Klage i.H.v. 14.742 € stattgegeben. Das LG hat die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 535, 280 Abs. 1 BGB aufgrund unberechtigter Eigenbedarfskündigung vom 3.1.2019.
Der Beklagte war nicht in der Lage, plausibel darzulegen, dass und warum der mit der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf entfallen war. Zwar ist der Mieter darlegungs- und beweisbelastet für die Behauptung, die Eigenbedarfskündigung sei vorgeschoben. Dies gilt auch, obgleich der Mieter bei vorgetäuschtem Eigenbedarf als Pflichtverletzung eine negative Tatsache darlegen und beweisen muss. Dem Mieter steht auch kein Anscheinsbeweis zur Seite. Da er als darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihm vorzutragenden Geschehensablaufs steht und im Gegensatz zum Vermieter keine nähere Kenntnis von den maßgebenden Umständen besitzt, darf sich der Vermieter, wenn ihm nähere Angaben zumutbar sind, jedoch nicht auf ein bloßes Klageleugnen zurückziehen, sondern muss substantiiert entgegnen.
Das Ausmaß dieser sog. sekundären Darlegungslast richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Darlegungen müssen so konkret sein, dass der beweisbelasteten Partei eine Widerlegung möglich ist. Setzt der Vermieter den behaupteten Selbstnutzungswillen nach Auszug des Mieters nicht in die Tat um oder entfällt der Eigenbedarf schon nach kurzer Zeit, liegt der Verdacht nahe, dass der Eigenbedarf nur vorgeschoben war. Unter diesen Umständen ist es Aufgabe des Vermieters, substantiiert und plausibel (stimmig) darzulegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll.
Hierbei sind strenge Anforderungen zu stellen. Erst wenn der Vortrag des Vermieters diesem Maßstab genügt, obliegt dem Mieter der Beweis, dass ein Selbstnutzungswille des Vermieters schon vorher nicht bestand. Und so lag der Fall hier. Aufgrund des Umstandes, dass der Eigengebrauch nicht vollzogen worden war, oblag eigentlich dem Beklagten eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast, so dass er plausibel darzulegen hatte, warum und wann der Nutzungswille entfallen war. Dies ist ihm aber nicht gelungen.
Die Kausalität ist auch nicht durch die Kündigung und den (frühen) Auszug der Mieter unterbrochen worden. Die Kausalität von Schadenspositionen infolge einer Eigenbedarfskündigung ist nämlich auch dann zu bejahen, wenn der Mieter freiwillig auszieht, weil er auf die Angaben des Vermieters in der Eigenbedarfskündigung vertraut.
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