Scheidung: Voraussetzungen für die Anwendung der Härteklausel
OLG Bamberg v. 15.12.2021, 7 UF 211/21
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten sind seit 2019 verheiratet. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20.7.2021 hat der Antragsteller die Ehescheidung beantragt. Der Scheidungsantrag wurde der Antragsgegnerin am 24.7.2021 zugestellt. Die Ehegatten leben seit spätestens 26.8.2020 getrennt. Am 3.8.2021 wurde der Antragsteller persönlich angehört. Er teilte mit, dass er die Ehe für gescheitert halte und geschieden werden wolle.
Am 26.8.2021 wurden die Antragsgegnerin angehört. Die Antragsgegnerin lehnte bei der Anhörung die Ehescheidung ab. Sie habe zwar dem Antragsteller am 26.8.2020 die Trennung mitgeteilt, jedoch möchte sie, dass der Ehemann ihr spätestens nach 3 Jahren nachweise, dass er nicht mehr alkoholabhängig sei. Dann könne über eine neue Lebensgemeinschaft nachgedacht werden. Zudem teilte die Antragsgegnerin mit, dass sie grundsätzlich suizidgefährdet sei und durch die Scheidung noch weniger Perspektiven im Leben sehe.
Mit Endbeschluss vom 26.8.2021 führte das Familiengericht die Ehescheidung durch. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Ehe der Ehegatten gescheitert sei. Es könne insgesamt nicht mehr erwartet werden, dass die Ehegatten die Lebensgemeinschaft wiederherstellen. Es genüge, dass sich ein Ehegatte endgültig abgewendet habe. Auch die Antragsgegnerin wolle zumindest derzeit nicht mehr mit dem Antragsteller in einem Haushalt leben. Es lägen auch keine Härtegründe i.S.v. § 1568 BGB vor, die eine derzeitige Scheidung ausschließen würden. Zwar sei die Antragsgegnerin psychisch erkrankt, jedoch würde eine Scheidung sich allenfalls nur zeitlich verschieben. Zudem sei die Antragsgegnerin bereits jetzt mit dem Scheitern der Ehe konfrontiert. Die größte Belastung sei durch die Trennung ausgelöst worden.
Das OLG wies die hiergegen gerichtete Beschwerde zurück.
Die Gründe:
Die Vorinstanz hat in seiner Entscheidung zu Recht die Ehe der Beteiligten geschieden, da diese nach §§ 1564 Satz 1 und 3, 1565 Abs. 1 Satz 1 BGB gescheitert ist.
Der Anwendungsbereich des § 1568 Abs. 1 Altern. 2 BGB ist durch das Erfordernis außergewöhnlicher Umstände auf solche Fälle beschränkt, in denen nach objektiver Beurteilung eine Ausnahmesituation vorliegt. Zur Versagung der Ehescheidung können nur solche Härten führen, die durch den Scheidungsausspruch selbst verursacht oder wesentlich mitverursacht werden, eine allein durch das Scheitern der Ehe verursachte Härte genügt nicht.
Die Scheidung darf nicht allein deshalb versagt werden, weil sie von dem Ehegatten, der sie ablehnt, aufgrund seiner inneren Verfassung und Einstellung als besondere Härte empfunden werden würde. Selbst wenn die Ehescheidung, also der Scheidungsausspruch, an sich eine Depression und damit einhergehende Gedanken vertiefen würde, ist viel tiefgreifender die Trennung der Beteiligten und die damit einhergehenden Lebensveränderungen auf die Beteiligten und die grundlegende psychische Disposition des Ehegatten, der nicht geschieden werden will.
Eine schwere Härte ist zudem dann zu verneinen, wenn demjenigen, welcher die Härte vorbringt, selbst die innere Bereitschaft fehlt, die Ehe fortzusetzen. Dies ist hier der Fall, da die Antragsgegnerin auch derzeit ausschließt, die Ehe unter den objektiven Umständen (aus ihrer Sicht die vorhandene Alkoholabhängigkeit des Antragstellers) fortzusetzen. Der Umstand, dass es aus Sicht der Antragsgegnerin eine befristete Trennung sein sollte, ändert hieran nichts, da auch die Antragsgegnerin die Fortsetzung der Beziehung derzeit ablehnt. Die Bedingung, die sie an die Fortsetzung der Beziehung stellt - nämlich Krankheitseinsicht und Behandlung des Antragstellers - liegt nicht in ihrer Hand. Der Antragsteller jedoch lehnt eine Fortführung der Ehe ab.
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Den Volltext der Entscheidung finden Sie in unserer Datenbank Otto Schmidt online.
Auslegung der Härteklausel des § 1587c BGB im Versorgungsausgleich
BVerfG vom 20.05.2003 - 1 BVR 237/97
Helmut Borth, FamRB 2003, 387
Aktionsmodul Familienrecht
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Bayern.Recht
Die Beteiligten sind seit 2019 verheiratet. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20.7.2021 hat der Antragsteller die Ehescheidung beantragt. Der Scheidungsantrag wurde der Antragsgegnerin am 24.7.2021 zugestellt. Die Ehegatten leben seit spätestens 26.8.2020 getrennt. Am 3.8.2021 wurde der Antragsteller persönlich angehört. Er teilte mit, dass er die Ehe für gescheitert halte und geschieden werden wolle.
Am 26.8.2021 wurden die Antragsgegnerin angehört. Die Antragsgegnerin lehnte bei der Anhörung die Ehescheidung ab. Sie habe zwar dem Antragsteller am 26.8.2020 die Trennung mitgeteilt, jedoch möchte sie, dass der Ehemann ihr spätestens nach 3 Jahren nachweise, dass er nicht mehr alkoholabhängig sei. Dann könne über eine neue Lebensgemeinschaft nachgedacht werden. Zudem teilte die Antragsgegnerin mit, dass sie grundsätzlich suizidgefährdet sei und durch die Scheidung noch weniger Perspektiven im Leben sehe.
Mit Endbeschluss vom 26.8.2021 führte das Familiengericht die Ehescheidung durch. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Ehe der Ehegatten gescheitert sei. Es könne insgesamt nicht mehr erwartet werden, dass die Ehegatten die Lebensgemeinschaft wiederherstellen. Es genüge, dass sich ein Ehegatte endgültig abgewendet habe. Auch die Antragsgegnerin wolle zumindest derzeit nicht mehr mit dem Antragsteller in einem Haushalt leben. Es lägen auch keine Härtegründe i.S.v. § 1568 BGB vor, die eine derzeitige Scheidung ausschließen würden. Zwar sei die Antragsgegnerin psychisch erkrankt, jedoch würde eine Scheidung sich allenfalls nur zeitlich verschieben. Zudem sei die Antragsgegnerin bereits jetzt mit dem Scheitern der Ehe konfrontiert. Die größte Belastung sei durch die Trennung ausgelöst worden.
Das OLG wies die hiergegen gerichtete Beschwerde zurück.
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Der Anwendungsbereich des § 1568 Abs. 1 Altern. 2 BGB ist durch das Erfordernis außergewöhnlicher Umstände auf solche Fälle beschränkt, in denen nach objektiver Beurteilung eine Ausnahmesituation vorliegt. Zur Versagung der Ehescheidung können nur solche Härten führen, die durch den Scheidungsausspruch selbst verursacht oder wesentlich mitverursacht werden, eine allein durch das Scheitern der Ehe verursachte Härte genügt nicht.
Die Scheidung darf nicht allein deshalb versagt werden, weil sie von dem Ehegatten, der sie ablehnt, aufgrund seiner inneren Verfassung und Einstellung als besondere Härte empfunden werden würde. Selbst wenn die Ehescheidung, also der Scheidungsausspruch, an sich eine Depression und damit einhergehende Gedanken vertiefen würde, ist viel tiefgreifender die Trennung der Beteiligten und die damit einhergehenden Lebensveränderungen auf die Beteiligten und die grundlegende psychische Disposition des Ehegatten, der nicht geschieden werden will.
Eine schwere Härte ist zudem dann zu verneinen, wenn demjenigen, welcher die Härte vorbringt, selbst die innere Bereitschaft fehlt, die Ehe fortzusetzen. Dies ist hier der Fall, da die Antragsgegnerin auch derzeit ausschließt, die Ehe unter den objektiven Umständen (aus ihrer Sicht die vorhandene Alkoholabhängigkeit des Antragstellers) fortzusetzen. Der Umstand, dass es aus Sicht der Antragsgegnerin eine befristete Trennung sein sollte, ändert hieran nichts, da auch die Antragsgegnerin die Fortsetzung der Beziehung derzeit ablehnt. Die Bedingung, die sie an die Fortsetzung der Beziehung stellt - nämlich Krankheitseinsicht und Behandlung des Antragstellers - liegt nicht in ihrer Hand. Der Antragsteller jedoch lehnt eine Fortführung der Ehe ab.
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Auslegung der Härteklausel des § 1587c BGB im Versorgungsausgleich
BVerfG vom 20.05.2003 - 1 BVR 237/97
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