02.12.2024

Scheinvater: Beerdigungskosten rechtfertigen keinen Neubeginn der Frist zur Anfechtung der Vaterschaft

Ein Neubeginn der Frist zur Anfechtung der Vaterschaft durch das Kind gem. § 1600b Abs. 6 BGB setzt die Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung der Vaterschaftszuordnung voraus. Diese liegt jedenfalls bei Volljährigkeit des Kindes nicht per se beim Tod des Scheinvaters vor. Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzukommen. Solche sind nicht deswegen zu bejahen, weil das Kind durch behördliche Anordnung zur Zahlung der Beerdigungskosten des Scheinvaters herangezogen wird.

OLG Nürnberg v. 19.9.2024, 9 WF 753/24
Der Sachverhalt:
Die 27-jährige Antragstellerin hatte die Feststellung beantragt, dass sie nicht das Kind des 2023 verstorbenen P. ist. Gleichzeitig begehrte sie für das Verfahren die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Hierzu trug sie vor, dass ihre Mutter mit dem verstorbenen P. verheiratet war. Aus der Ehe entstammen drei Kinder, außerdem sei sie selbst während der noch bestehenden Ehe geboren worden. Infolgedessen gelte P. als ihr Vater. Nach Scheidung der Ehe habe die Mutter allerdings ihren leiblichen Vater B. geheiratet. Es sei innerhalb der Familie niemals streitig gewesen, dass B. ihr Vater sei.

Die Antragstellerin trug vor, sie begehre die Anfechtung der Vaterschaft des mittlerweile verstorbenen P., weil sie Kenntnis von Umständen erhalten habe, aufgrund derer die Folgen der Vaterschaft für sie unzumutbar geworden seien. So sei sie vom Ordnungsamt angeschrieben und aufgefordert worden, zusammen mit ihren drei Geschwistern aus der ersten Ehe ihrer Mutter für die Beerdigungskosten ihres Scheinvaters aufzukommen. Auf sie selbst entfalle ein Betrag von 904 €. Es sei für sie unerträglich, dass sie als Kind eines Mannes gelte, zu dem sie seit langer Zeit so gut wie keinen Kontakt gehabt habe.

Das AG hat den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung gem. § 76 Abs. 1 FamFG, § 114 ZPO abgelehnt. Das OLG hat die Entscheidung im Beschwerdeverfahren bestätigt.

Die Gründe:
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Die in § 1600b BGB geregelten Anfechtungsfristen waren bereits verstrichen. Auch mit dem Tod des Scheinvaters hatte kein Neubeginn der Frist gem. § 1600b Abs. 6 BGB eingesetzt. Grundsätzlich kann die Vaterschaft binnen zwei Jahren gerichtlich angefochten werden; die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen. Anfechtungsberechtigt ist gem. § 1600 Abs. 1 Nr. 4 BGB auch das Kind, im vorliegenden Verfahren also die Antragstellerin. Die 27-jährige Antragstellerin hat selbst vorgetragen, dass innerhalb der Familie seit langer Zeit bekannt war, dass der verstorbene P. nicht ihr leiblicher Vater war. Die Zweijahresfrist des § 1600b BGB war damit abgelaufen.

Auch ein Neubeginn der Frist zur Anfechtung der Vaterschaft durch das Kind gem. § 1600b Abs. 6 BGB kam nicht in Betracht. Ein solcher setzt die Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung der Vaterschaftszuordnung voraus. Diese liegt jedenfalls bei Volljährigkeit des Kindes nicht per se beim Tod des Scheinvaters vor. Es müssen weitere Umstände hinzukommen. Solche sind allerdings nicht deswegen zu bejahen, weil das Kind durch behördliche Anordnung zur Zahlung der Beerdigungskosten des Scheinvaters herangezogen wird. Allein aus der - hier moderaten - finanziellen Belastung konnte die Antragstellerin nicht die Unzumutbarkeit der Folgen der Vaterschaft für sich in Anspruch nehmen, nachdem sowohl sie als auch ihre Mutter mehr als 20 Jahre lang bei unveränderten Umständen die rechtliche Abstammungssituation akzeptiert hatten.

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