Schlüsselklausel hält der Wirksamkeitskontrolle gem. § 307 BGB stand
KG Berlin v. 29.3.2022 - 6 U 125/19
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist selbständiger Getränkefachhändler in Berlin und beliefert Gaststätten, Kneipen, Bars und Restaurants mit Getränken aller Art. Er hat seit November 2016 bei der Beklagten eine Hausratversicherung abgeschlossen. Dem Vertrag liegen u.a. die "Gothaer Wohnung&Wert-Versicherungsbedingungen (GWW 2014)" zugrunde.
Der Kläger hat behauptet, ihm sei am 17.8.2017 während der Belieferung einer Gaststätte aus seinem verschlossenen Lieferfahrzeug seine Aktentasche entwendet worden, in der sich u.a. Rechnungen mit seiner Wohnanschrift sowie sein Schlüsselbund mit dem daran befindlichen Wohnungs- und Tresorschlüssel befunden habe, mit denen nur kurze Zeit später seine Wohnung betreten und der im Flur befindliche Tresor geöffnet und diverse Wertgegenstände (u.a. Laptop, Handy, Handtasche, Jacken, Goldmünzen, Uhren, Schmuck) im Wert von insgesamt 37.413 € sowie Bargeld i.H.v. 27.000 € entwendet worden seien. Den Schlüsselbund lasse er während der Auslieferung stets in der Aktentasche im Fahrzeug, weil er für die schwere körperliche Arbeit beide Hände benötige und das Tragen des Schlüsselbunds in der Hosentasche dabei hinderlich sei und Schmerzen verursache.
Die Beklagte berief sich auf Leistungsfreiheit und zwar gem. § 32 Nr. 2 GWW 2014 wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls, gem. § 14 Nr. 1e GWW 2014, weil der Kläger der Polizei die Stehlgutliste nicht zeitnah habe zukommen lassen. Zudem habe er das Schadenbild nicht unverändert gelassen und es ihr - der Beklagten - nicht ermöglicht, den Schließzylinder der Wohnungstür und das Türschloss des Transporters zu untersuchen. Letztlich habe der Kläger den Fragebogen nicht vollständig beantwortet.
Das LG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Das KG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Allerdings wurde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zugelassen.
Die Gründe:
Das Vorliegen eines Versicherungsfalls gem. § 28 Nr. 4 a) 4. Spiegelstrich GWW 2014 ist zu verneinen. Danach liegt ein Einbruchdiebstahl vor, "wenn der Täter in einen Raum eines Gebäudes mittels richtiger Schlüssel eindringt, die er ohne fahrlässiges Verhalten des berechtigten Besitzers durch Diebstahl an sich gebracht hat".
Entgegen der Auffassung des Klägers stellt auch das Belassen des Wohnungsschlüssels in einer geschlossenen, aber von außen sichtbaren Aktentasche auf dem Sitz eines Fahrzeugs ein fahrlässiges Verhalten i.S.d. § 28 Nr. 4 a) 4. Spiegelstrich GWW 2014 dar. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Fahrzeug unverschlossen ist. Zwar trifft es zu, dass sich die Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers nach der streitgegenständlichen Vertragsbedingung nur auf das Ansichbringen des später zum unbefugten Eindringen in die Wohnung verwendeten Schlüssels beziehen muss und nicht auf das Ansichbringen der - hier allein von außen sichtbaren - Tasche und/oder auf das anschließende Eindringen des Täters in die Wohnung. Insofern darf es zur Begründung des Fahrlässigkeitsvorwurfs auch keine Rolle spielen, ob sich bei den Schlüsseln in der Aktentasche Papiere mit der Wohnanschrift des Klägers befanden. Trotzdem kann es den Kläger nicht entlasten, dass er den Schlüssel in einer geschlossenen Tasche und damit von außen nicht sichtbar verwahrt hat. Denn er hat zwar nicht den Schlüssel selbst, wohl aber die Aktentasche, in der sich der Schlüssel befand, von außen gut sichtbar auf dem Sitz gelassen.
In Rechtsprechung und Literatur wird die Wirksamkeit der sog. "erweiterten Schlüsselklausel", wie sie auch dem hiesigen Rechtsstreit zugrunde liegt, teilweise gem. § 307 BGB mit der Begründung angezweifelt, dass sie in mehrfacher Hinsicht von dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in § 81 VVG bzw. früher § 61 VVG abweiche und zu einer den Geboten von Treu und Glauben widerstreitenden Benachteiligung des Versicherungsnehmers führe. Der Senat schließt sich jedoch der - wohl - herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur an, wonach die streitgegenständliche Klausel schon deshalb keine Abweichung von den Grundsätzen des § 81 VVG darstellt, weil es sich nicht um die (nachträgliche) Einschränkung eines grundsätzlich zugesagten Versicherungsschutzes handelt, sondern um eine inhaltlich von Anfang an klar beschränkte Erweiterung in einen Bereich, der über die reine Einbruchversicherung hinausgeht und damit um eine primäre Risikobeschreibung und nicht um eine sog. verhüllte Obliegenheit.
Die - entscheidungserhebliche - Rechtsfrage der Auslegung und Wirksamkeit sog. "erweiterter Schlüsselklauseln" ist - soweit ersichtlich - bisher nicht höchstrichterlich entschieden. Die obergerichtliche Rechtsprechung geht zwar überwiegend von einer Wirksamkeit derartiger Schlüsselklauseln aus; soweit ersichtlich hat lediglich das OLG Karlsruhe in einer Entscheidung aus dem Jahr 1996 (Urt. v. 19.9.1996, 12 U 128/96) eine abweichende Ansicht vertreten und eine entsprechende Klausel für unwirksam gehalten. Allerdings kann diese Entscheidung angesichts der angeführten Argumente und der Unterstützung, die sie nach wie vor von durchaus gewichtigen Stimmen in der Literatur erfährt, aus Sicht des Senats nicht als Fehlentscheidung in einem Einzelfall qualifiziert und deshalb unberücksichtigt bleiben. Im Hinblick auf die übliche Verwendung derartiger Schlüsselklauseln in allgemeinen Versicherungsbedingungen kommt der Frage für zu erwartende zukünftige Entscheidungen auch über den Einzelfall hinaus Bedeutung zu.
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Der Kläger ist selbständiger Getränkefachhändler in Berlin und beliefert Gaststätten, Kneipen, Bars und Restaurants mit Getränken aller Art. Er hat seit November 2016 bei der Beklagten eine Hausratversicherung abgeschlossen. Dem Vertrag liegen u.a. die "Gothaer Wohnung&Wert-Versicherungsbedingungen (GWW 2014)" zugrunde.
Der Kläger hat behauptet, ihm sei am 17.8.2017 während der Belieferung einer Gaststätte aus seinem verschlossenen Lieferfahrzeug seine Aktentasche entwendet worden, in der sich u.a. Rechnungen mit seiner Wohnanschrift sowie sein Schlüsselbund mit dem daran befindlichen Wohnungs- und Tresorschlüssel befunden habe, mit denen nur kurze Zeit später seine Wohnung betreten und der im Flur befindliche Tresor geöffnet und diverse Wertgegenstände (u.a. Laptop, Handy, Handtasche, Jacken, Goldmünzen, Uhren, Schmuck) im Wert von insgesamt 37.413 € sowie Bargeld i.H.v. 27.000 € entwendet worden seien. Den Schlüsselbund lasse er während der Auslieferung stets in der Aktentasche im Fahrzeug, weil er für die schwere körperliche Arbeit beide Hände benötige und das Tragen des Schlüsselbunds in der Hosentasche dabei hinderlich sei und Schmerzen verursache.
Die Beklagte berief sich auf Leistungsfreiheit und zwar gem. § 32 Nr. 2 GWW 2014 wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls, gem. § 14 Nr. 1e GWW 2014, weil der Kläger der Polizei die Stehlgutliste nicht zeitnah habe zukommen lassen. Zudem habe er das Schadenbild nicht unverändert gelassen und es ihr - der Beklagten - nicht ermöglicht, den Schließzylinder der Wohnungstür und das Türschloss des Transporters zu untersuchen. Letztlich habe der Kläger den Fragebogen nicht vollständig beantwortet.
Das LG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Das KG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Allerdings wurde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zugelassen.
Die Gründe:
Das Vorliegen eines Versicherungsfalls gem. § 28 Nr. 4 a) 4. Spiegelstrich GWW 2014 ist zu verneinen. Danach liegt ein Einbruchdiebstahl vor, "wenn der Täter in einen Raum eines Gebäudes mittels richtiger Schlüssel eindringt, die er ohne fahrlässiges Verhalten des berechtigten Besitzers durch Diebstahl an sich gebracht hat".
Entgegen der Auffassung des Klägers stellt auch das Belassen des Wohnungsschlüssels in einer geschlossenen, aber von außen sichtbaren Aktentasche auf dem Sitz eines Fahrzeugs ein fahrlässiges Verhalten i.S.d. § 28 Nr. 4 a) 4. Spiegelstrich GWW 2014 dar. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Fahrzeug unverschlossen ist. Zwar trifft es zu, dass sich die Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers nach der streitgegenständlichen Vertragsbedingung nur auf das Ansichbringen des später zum unbefugten Eindringen in die Wohnung verwendeten Schlüssels beziehen muss und nicht auf das Ansichbringen der - hier allein von außen sichtbaren - Tasche und/oder auf das anschließende Eindringen des Täters in die Wohnung. Insofern darf es zur Begründung des Fahrlässigkeitsvorwurfs auch keine Rolle spielen, ob sich bei den Schlüsseln in der Aktentasche Papiere mit der Wohnanschrift des Klägers befanden. Trotzdem kann es den Kläger nicht entlasten, dass er den Schlüssel in einer geschlossenen Tasche und damit von außen nicht sichtbar verwahrt hat. Denn er hat zwar nicht den Schlüssel selbst, wohl aber die Aktentasche, in der sich der Schlüssel befand, von außen gut sichtbar auf dem Sitz gelassen.
In Rechtsprechung und Literatur wird die Wirksamkeit der sog. "erweiterten Schlüsselklausel", wie sie auch dem hiesigen Rechtsstreit zugrunde liegt, teilweise gem. § 307 BGB mit der Begründung angezweifelt, dass sie in mehrfacher Hinsicht von dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in § 81 VVG bzw. früher § 61 VVG abweiche und zu einer den Geboten von Treu und Glauben widerstreitenden Benachteiligung des Versicherungsnehmers führe. Der Senat schließt sich jedoch der - wohl - herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur an, wonach die streitgegenständliche Klausel schon deshalb keine Abweichung von den Grundsätzen des § 81 VVG darstellt, weil es sich nicht um die (nachträgliche) Einschränkung eines grundsätzlich zugesagten Versicherungsschutzes handelt, sondern um eine inhaltlich von Anfang an klar beschränkte Erweiterung in einen Bereich, der über die reine Einbruchversicherung hinausgeht und damit um eine primäre Risikobeschreibung und nicht um eine sog. verhüllte Obliegenheit.
Die - entscheidungserhebliche - Rechtsfrage der Auslegung und Wirksamkeit sog. "erweiterter Schlüsselklauseln" ist - soweit ersichtlich - bisher nicht höchstrichterlich entschieden. Die obergerichtliche Rechtsprechung geht zwar überwiegend von einer Wirksamkeit derartiger Schlüsselklauseln aus; soweit ersichtlich hat lediglich das OLG Karlsruhe in einer Entscheidung aus dem Jahr 1996 (Urt. v. 19.9.1996, 12 U 128/96) eine abweichende Ansicht vertreten und eine entsprechende Klausel für unwirksam gehalten. Allerdings kann diese Entscheidung angesichts der angeführten Argumente und der Unterstützung, die sie nach wie vor von durchaus gewichtigen Stimmen in der Literatur erfährt, aus Sicht des Senats nicht als Fehlentscheidung in einem Einzelfall qualifiziert und deshalb unberücksichtigt bleiben. Im Hinblick auf die übliche Verwendung derartiger Schlüsselklauseln in allgemeinen Versicherungsbedingungen kommt der Frage für zu erwartende zukünftige Entscheidungen auch über den Einzelfall hinaus Bedeutung zu.
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