14.10.2024

Schmerzensgeld nach Foul beim Fußballspiel?

Besteht ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld nach einem Foul im Rahmen eines Fußballspiels? Diese Frage verneinte das LG Koblenz im konkreten Fall. Ein objektiver Regelverstoß - wie vorliegend das harte Treffen des Klägers mit dem Fuß am Sprunggelenk durch den Beklagten, ohne dass dabei der Ball getroffen worden wäre - indiziere nicht automatisch ein schuldhaftes Verhalten. Auch die Schwere der Verletzung - hier: Bruch des Wadenbeins, Bänderriss und Kapselverletzung mit Langzeitfolgen - lasse keinen automatischen Rückschluss auf ein grob fahrlässiges Einsteigen des Beklagten zu.

LG Koblenz v. 7.8.2024 - 15 O 399/22
Der Sachverhalt:
Die Parteien nahmen als Feldspieler für unterschiedliche Mannschaften im Jahr 2019 an einem Fußballturnier teil. Während eines Spiels der beiden Mannschaften kam es zu einem Foul des Beklagten gegen den Kläger. Hierbei traf der Beklagte den Kläger an dessen rechtem Sprunggelenk, wobei der konkrete Ablauf zwischen den Parteien streitig war. Der Schiedsrichter entschied zwar auf Foul, sah aber von weiteren Maßnahmen, z.B. einer gelben oder roten Karte, ab. Der Kläger behauptete im Verfahren, dass der Beklagte schon vor dem Spiel darüber verärgert gewesen sei, dass der Kläger während des Turniers für zwei unterschiedliche Mannschaften gespielt habe. Der Beklagte habe nach einer erfolglosen Beschwerde vor Beginn des streitgegenständlichen Spiels sinngemäß angekündigt, dass er dies "dann selbst regeln müsse". Aus der Mannschaft des Beklagten sei bezogen auf die Mannschaft des Klägers auch der Satz gefallen: "Die hauen wir gleich um."

Der Beklagte sei während des Spiels - ohne die Chance, an den Ball zu kommen - mit gestrecktem Bein gegen das Sprunggelenk des Klägers gesprungen. Hierbei habe er es darauf angelegt, den Kläger zu treffen. Der Kläger habe durch das Foul einen Bruch des Wadenbeins, einen Bänderriss und eine Kapselverletzung am oberen Sprunggelenk seines rechten Fußes erlitten. Aufgrund der Verletzungen sei er insgesamt dreimal operiert worden und leide bis heute unter den Folgen der Verletzung und könne Kontaktsportarten nicht mehr und sonstige Belastungen, wie etwa Joggen, nur mit Schmerzen und nur eingeschränkt ausführen.

Der Kläger beantragte daher u.a., den Beklagten zur Zahlung von 10.000 € Schmerzensgeld und zur Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von ca. 200 € (Eigenanteile für die Behandlungen) zu verurteilen. Zudem beantragte er die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, alle weiteren aus dem Vorfall resultierenden Schäden zu ersetzen.

Der Beklagte beantragte die Klage abzuweisen. Er behauptete, dass es ihm nicht darum gegangen sei, den Kläger zu verletzen. Es habe sich um einen normalen Zweikampf gehandelt und er habe lediglich unglücklich und unabsichtlich das Bein des Klägers getroffen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Es besteht weder einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB noch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 223 StGB. Die Haftung eines Sportlers aus § 823 BGB setzt den Nachweis voraus, dass dieser schuldhaft gegen die Regeln des sportlichen Wettkampfs verstoßen und dabei einen anderen verletzt hat. Ein objektiver Regelverstoß - wie vorliegend das harte Treffen des Klägers mit dem Fuß am Sprunggelenk durch den Beklagten, ohne dass dabei der Ball getroffen worden wäre - indiziert nicht automatisch ein schuldhaftes Verhalten. Die Eigenart des Fußballspiels als Kampfspiel fordert vom einzelnen Spieler oft Entscheidungen und Handlungen, bei denen er schnell Chancen abwägen und Risiken eingehen muss, um dem Spielzweck erfolgreich Rechnung zu tragen, was im Rahmen des Schuldvorwurfes berücksichtigt werden muss.

Ein Schuldvorwurf ist daher nur berechtigt, wenn die durch den Spielzweck gebotene bzw. noch gerechtfertigte Härte die Grenze zur Unfairness überschreitet. Solange sich das Verhalten des Spielers noch im Grenzbereich zwischen kampfbetonter Härte und unzulässiger Unfairness bewegt, ist ein Verschulden trotz objektiven Regelverstoßes nicht gegeben. Bei Wettkämpfen mit beachtlichem Gefahrenpotential - wie dem Fußballspiel -, bei denen typischerweise auch bei Einhaltung der Regeln oder geringfügigen Regelverletzungen die Gefahr gegenseitiger Schädigung besteht, ist insofern davon auszugehen, dass jeder Teilnehmer diejenigen Verletzungen selbst mit schwersten Folgen in Kauf nimmt, die auch bei Ausübung nach den anerkannten Regeln der jeweiligen Sportart nicht zu vermeiden sind.

Eine Haftung des Beklagten kommt daher nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Regelwidrigkeit oder beim Überschreiten der Grenze zwischen noch gerechtfertigter Härte und unfairem Regelverstoß in Betracht. In der Beweisaufnahme kam es zu unterschiedlichen Darstellungen des Vorfalls. Der erforderliche unfaire Regelverstoß wurde dabei nicht nachgewiesen. Insbesondere steht nicht fest, dass es ein grobes unentschuldbares Foul gegeben hat, was zu Lasten des beweisbelasteten Klägers geht.

Auch die Schwere der Verletzung lässt keinen generellen Rückschluss auf ein grob fahrlässiges Einsteigen des Beklagten zu. Zudem hat auch der Schiedsrichter keine weitere Strafe für das Foul vergeben, was ein Anhaltspunkt dafür ist, dass kein grob von der Norm abweichendes regelwidriges Foul vorgelegen hat.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung/News:
Kampfsport Fußball: Hohe Hürden für Ansprüche auf Schmerzensgeld
LG Frankenthal vom 14.12.2020 - 5 O 57/19

Rechtsprechung:
Haftungsvoraussetzungen bei Verletzung eines Gegenspielers in einem Fußballverbandsspiel
(mit Anmerkung von Dr. Philipp Dördelmann)
OLG Schleswig vom 19.11.2020 - 7 U 214/19
Philipp Dördelmann, VersR 2021, 790

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