Schmerzensgeld nach Haarfärbung - Hausverbot ist trotzdem rechtens
AG Brandenburg v. 19.12.2022 - 34 C 20/20
Der Sachverhalt:
Am 19.3.2019 hatte die Klägerin den Friseursalon der Beklagten besucht. Sie wollte sich die Harre schneiden und färben lassen. Konkreten Einzelheiten des Gesprächs der Prozessparteien im Vorfeld blieben bis zuletzt streitig. Im Anschluss hieran färbte die Beklagte dann unbestritten der Klägerin die Haare.
Die Klägerin trug vor, dass sie die Beklagte bei dem Gespräch - noch vor der Färbung der Haare - ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass sie bezüglich der Stoffe Ammoniak und Henna in Färbemitteln allergisch sei. Dies sei seitens der Beklagten zunächst ohne weiteren Kommentar zur Kenntnis genommen worden. Als schließlich die Farbe für die Haarfärbung angemischt werden sollte, habe die Beklagte sie - die Klägerin - erneut nach Allergien gefragt. Sie - die Klägerin - habe dann ein zweites Mal darauf verwiesen, dass sie gegen Ammoniak und Henna in Haarfärbemitteln allergisch sei. Die Beklagte habe diesen Satz mit der Bemerkung quittiert, dass Sie nun Bescheid wisse und ihr - der Klägerin - "etwas Schönes mischen" würde.
Als die Klägerin nach dem Friseurbesuch nach Hause gekommen sei und habe sie bereits ein zunehmendes Jucken und Brennen der Kopfhaut bemerkt. Diese Beschwerden hätten sich in den folgenden Stunden und Tagen gesteigert. Schließlich sei eine größer werdende einseitige Schwellung der linken Gesichtshälfte bei ihr festgestellt worden, woraufhin sie ihr Auge nicht mehr habe öffnen können. Daraufhin habe sie Rettungsdienst gerufen, der sie dann per Hubschrauber in das Städtische Klinikum eingeliefert habe. Die medikamentöse Behandlung habe bis zum 28.3.2019 gedauert. Sie habe sich bei der Beklagten beschwert, woraufhin ihr ein "Hausverbot" erteilt worden sei.
In dem von der hiesigen Beklagten durch ihre Anzeige im Hinblick auf falsche Verdächtigung gem. § 164 StGB in Gang gesetzten Strafverfahren gegen die nunmehrige Klägerin wurde letztere durch das AG am 26.4.2021 frei gesprochen. Die Klägerin forderte im hiesigen Zivilverfahren ein angemessenes Schmerzensgeld von mind. 3.500 € sowie Aufhebung des Hausverbots. Das AG hat die Beklagte zu einem Schmerzensgeld i.H.v. 2.500 € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Die Gründe:
Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld i.H.v. insgesamt 2.500 € zu (§ 253 Abs. 2, § 280, § 634 Nr. 4 und § 823 BGB unter Beachtung von § 164 StGB).
Die von der Beklagten erbrachte Leistung war mangelhaft i.S.d. § 633 Abs. 2 BGB. Die Beklagte haftet insofern aus fahrlässig fehlerhafter Haarbehandlung bzw. auch aus fahrlässiger Körperverletzung auf Ersatz des immateriellen Schadens der Klägerin. Die vorgenommene Färbung der Haare der Klägerin war nämlich fehlerhaft und insoweit pflichtwidrig. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stand zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die durchgeführte Haarbehandlung nicht den Regeln des Friseur-Handwerks entsprach. Wenn eine Kundin ausdrücklich vor der Haarbehandlung gegenüber einem Friseur erklärt, dass sie Unverträglichkeiten bzw. eine Allergie hinsichtlich chemischer Stoffe aufweist, muss für jeden Friseur auf der Hand liegen, dass dann auch ggf. hochpotenten Kontaktallergene des Haarfärbemittels eine Allergie bei dieser Kundin auslösen können. Insofern hätte die Beklagte die Klägerin über bestehende Risiken konkret aufklären müssen. Der Klägerin waren aufgrund der fehlenden Hinweise durch die Beklagte die besonderen Risiken der Färbung ihrer Haare nach Überzeugung des Gerichts nicht bewusst.
Unter Berücksichtigung aller für die Bemessung eines Schmerzensgeldes wesentlichen Umstände erschien unter Berücksichtigung von Urteilen vergleichbarer Fälle ein Betrag i.H.v. 2.000 € angemessen, aber auch ausreichend, um allen gesetzlichen Zwecken der Zubilligung eines Schmerzensgeldes gerecht zu werden. Ein weiterer Anspruch auf Schmerzensgeld i.H.v. 500 € ergab sich aus § 823 BGB unter Beachtung von § 164 StGB. Wer - wie hier die Beklagte - eine falsche Verdächtigung begeht, haftet hierfür nach § 823 Abs. 2 BGB. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme hat das erkennende Gericht bereits aufgrund der insofern beigezogenen Strafakte die Überzeugung gewonnen, dass die Beklagte (und nicht die Klägerin) den Tatbestand der falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) erfüllt hat.
Soweit die Klägerin beantragt hatte, festzustellen, dass das von der Beklagten ausgesprochene Hausverbot zum Betreten des Friseursalons der Beklagten unwirksam ist, war die Klage jedoch abzuweisen. Die Beklagte unterliegt in der Ausübung ihres Hausrechts keinen Einschränkungen aus Art. 3 Abs. 1 GG. Der Besuch ihres Friseurladens entscheidet nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme der Klägerin am gesellschaftlichen Leben; der private Betreiber eines Friseurladens bedarf daher für die Erteilung eines Hausverbots gegenüber einem Kunden keines sachlichen Grundes. Ungeachtet der unterschiedlichen Leistungsangebote verschiedener Friseursalons sind diese Leistungen prinzipiell austauschbar. Für den Kunden kommt es typischerweise nicht darauf an, einen ganz bestimmte Friseurladen besuchen zu können. Die Beklagte hat auch keine Monopolstellung, aus der sich ebenfalls gleichheitsrechtliche Anforderungen für das Verhältnis zu den Kunden ergeben könnten.
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Landesrecht Brandenburg
Am 19.3.2019 hatte die Klägerin den Friseursalon der Beklagten besucht. Sie wollte sich die Harre schneiden und färben lassen. Konkreten Einzelheiten des Gesprächs der Prozessparteien im Vorfeld blieben bis zuletzt streitig. Im Anschluss hieran färbte die Beklagte dann unbestritten der Klägerin die Haare.
Die Klägerin trug vor, dass sie die Beklagte bei dem Gespräch - noch vor der Färbung der Haare - ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass sie bezüglich der Stoffe Ammoniak und Henna in Färbemitteln allergisch sei. Dies sei seitens der Beklagten zunächst ohne weiteren Kommentar zur Kenntnis genommen worden. Als schließlich die Farbe für die Haarfärbung angemischt werden sollte, habe die Beklagte sie - die Klägerin - erneut nach Allergien gefragt. Sie - die Klägerin - habe dann ein zweites Mal darauf verwiesen, dass sie gegen Ammoniak und Henna in Haarfärbemitteln allergisch sei. Die Beklagte habe diesen Satz mit der Bemerkung quittiert, dass Sie nun Bescheid wisse und ihr - der Klägerin - "etwas Schönes mischen" würde.
Als die Klägerin nach dem Friseurbesuch nach Hause gekommen sei und habe sie bereits ein zunehmendes Jucken und Brennen der Kopfhaut bemerkt. Diese Beschwerden hätten sich in den folgenden Stunden und Tagen gesteigert. Schließlich sei eine größer werdende einseitige Schwellung der linken Gesichtshälfte bei ihr festgestellt worden, woraufhin sie ihr Auge nicht mehr habe öffnen können. Daraufhin habe sie Rettungsdienst gerufen, der sie dann per Hubschrauber in das Städtische Klinikum eingeliefert habe. Die medikamentöse Behandlung habe bis zum 28.3.2019 gedauert. Sie habe sich bei der Beklagten beschwert, woraufhin ihr ein "Hausverbot" erteilt worden sei.
In dem von der hiesigen Beklagten durch ihre Anzeige im Hinblick auf falsche Verdächtigung gem. § 164 StGB in Gang gesetzten Strafverfahren gegen die nunmehrige Klägerin wurde letztere durch das AG am 26.4.2021 frei gesprochen. Die Klägerin forderte im hiesigen Zivilverfahren ein angemessenes Schmerzensgeld von mind. 3.500 € sowie Aufhebung des Hausverbots. Das AG hat die Beklagte zu einem Schmerzensgeld i.H.v. 2.500 € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Die Gründe:
Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld i.H.v. insgesamt 2.500 € zu (§ 253 Abs. 2, § 280, § 634 Nr. 4 und § 823 BGB unter Beachtung von § 164 StGB).
Die von der Beklagten erbrachte Leistung war mangelhaft i.S.d. § 633 Abs. 2 BGB. Die Beklagte haftet insofern aus fahrlässig fehlerhafter Haarbehandlung bzw. auch aus fahrlässiger Körperverletzung auf Ersatz des immateriellen Schadens der Klägerin. Die vorgenommene Färbung der Haare der Klägerin war nämlich fehlerhaft und insoweit pflichtwidrig. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stand zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die durchgeführte Haarbehandlung nicht den Regeln des Friseur-Handwerks entsprach. Wenn eine Kundin ausdrücklich vor der Haarbehandlung gegenüber einem Friseur erklärt, dass sie Unverträglichkeiten bzw. eine Allergie hinsichtlich chemischer Stoffe aufweist, muss für jeden Friseur auf der Hand liegen, dass dann auch ggf. hochpotenten Kontaktallergene des Haarfärbemittels eine Allergie bei dieser Kundin auslösen können. Insofern hätte die Beklagte die Klägerin über bestehende Risiken konkret aufklären müssen. Der Klägerin waren aufgrund der fehlenden Hinweise durch die Beklagte die besonderen Risiken der Färbung ihrer Haare nach Überzeugung des Gerichts nicht bewusst.
Unter Berücksichtigung aller für die Bemessung eines Schmerzensgeldes wesentlichen Umstände erschien unter Berücksichtigung von Urteilen vergleichbarer Fälle ein Betrag i.H.v. 2.000 € angemessen, aber auch ausreichend, um allen gesetzlichen Zwecken der Zubilligung eines Schmerzensgeldes gerecht zu werden. Ein weiterer Anspruch auf Schmerzensgeld i.H.v. 500 € ergab sich aus § 823 BGB unter Beachtung von § 164 StGB. Wer - wie hier die Beklagte - eine falsche Verdächtigung begeht, haftet hierfür nach § 823 Abs. 2 BGB. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme hat das erkennende Gericht bereits aufgrund der insofern beigezogenen Strafakte die Überzeugung gewonnen, dass die Beklagte (und nicht die Klägerin) den Tatbestand der falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) erfüllt hat.
Soweit die Klägerin beantragt hatte, festzustellen, dass das von der Beklagten ausgesprochene Hausverbot zum Betreten des Friseursalons der Beklagten unwirksam ist, war die Klage jedoch abzuweisen. Die Beklagte unterliegt in der Ausübung ihres Hausrechts keinen Einschränkungen aus Art. 3 Abs. 1 GG. Der Besuch ihres Friseurladens entscheidet nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme der Klägerin am gesellschaftlichen Leben; der private Betreiber eines Friseurladens bedarf daher für die Erteilung eines Hausverbots gegenüber einem Kunden keines sachlichen Grundes. Ungeachtet der unterschiedlichen Leistungsangebote verschiedener Friseursalons sind diese Leistungen prinzipiell austauschbar. Für den Kunden kommt es typischerweise nicht darauf an, einen ganz bestimmte Friseurladen besuchen zu können. Die Beklagte hat auch keine Monopolstellung, aus der sich ebenfalls gleichheitsrechtliche Anforderungen für das Verhältnis zu den Kunden ergeben könnten.
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