Schmutzige Scheidung: Auslegung einer Unterlassungserklärung
OLG Brandenburg v. 5.2.2025 - 9 UF 169/24
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten sind 2023 rechtskräftig geschieden worden. Im Zusammenhang mit der Scheidung war es zu erheblichen Streitigkeiten gekommen. Nachdem sich die Antragstellerin durch vom Antragsgegner getätigte Äußerungen angegriffen bis hin beleidigt gefühlt und ihn wegen deliktischer Straftaten abgemahnt hatte, unterzeichnete dieser am 18.5.2022 eine Unterlassungserklärung. Darin verpflichtete er sich - bei Meidung einer für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung an die Antragstellerin zu zahlenden Vertragsstrafe i.H.v. 3.000 € - es zu unterlassen, der Antragstellerin gegenüber bestimmte näher aufgeführte Erklärungen abzugeben, u.a. diejenige Du bist so unwiderruflich abscheulich!.
Mit E-Mail vom 17.8.2022 schrieb der Antragsgegner der Antragstellerin u.a.: "Du bist berechnend, langfristig planend, böse, abscheulich und wusstest es die ganze Zeit wie Du mich um mein Erbe zielstrebig bereichern kannst! Ich schäme mich für Dich!"
In Bezug auf diese E-Mail hat die Antragstellerin den Antragsgegner erfolglos zur Abgabe einer weiteren Unterlassungserklärung mit Zahlung von Abmahnkosten aufgefordert. Sie war der Ansicht, der Antragsgegner habe durch die in der E-Mail getätigte(n) Äußerung(en) gegen die von ihm abgegebene Unterlassungserklärung verstoßen. Es sei unerheblich, dass es sich dabei nicht um eine identische Wortwahl handele. Zudem bestehe ihrer Ansicht nach Unterlassungs-/Schadensersatzanspruch aufgrund deliktischer Haftung des Antragsgegners. Der Antragsgegner meinte, die streitgegenständliche Äußerung in der E-Mail sei nicht beleidigend und zudem durch das Recht der Meinungsfreiheit geschützt, zumal sie nicht der von ihm abgegebenen Unterlassungserklärung unterfalle.
Das Amtsgericht hat die Anträge der Antragstellerin insgesamt zurückgewiesen und dabei insbesondere einen Unterlassungsanspruch verneint. Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das OLG die Entscheidung teilweise abgeändert und den Antragsgegner dazu verpflichtet, an die Antragstellerin einen Betrag von 6.136 € zu zahlen.
Die Gründe:
Die wirksam vereinbarte Vertragsstrafe ist verwirkt, § 339 S. 2 BGB i.V.m. der Unterlassungserklärung vom 18.5.2022.
Die Reichweite von Strafvereinbarungen im Zusammenhang mit Unterlassungspflichten ist nach den allgemeinen Auslegungskriterien und dem Grundsatz einer nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung zu bestimmen. Liegt der Strafabrede eine vorprozessuale Abmahnung zugrunde, so hat die Auslegung auch das Abmahnschreiben und die dort angegebenen Verbotsnormen zu berücksichtigen. Für die Auslegung der vorliegenden Unterlassungserklärung ergab sich darauf einerseits, dass der Antragsgegner die aufgeführten Begriffe nicht (mehr) gegenüber der Antragstellerin verwenden durfte, und andererseits, dass mit den dort einzelnen aufgeführten Äußerungen der Antragsgegner sich auch verpflichtet hatte, gegen die Antragstellerin und ihre Wertschätzung richtende gleichlautende - vor allem vulgäre - Äußerungen zu unterlassen.
Mit seiner E-Mail vom 17.8.2022 hatte der Antragsgegner gegen die Unterlassungserklärung erkennbar verstoßen. Die Verwendung des Wortes "abscheulich" verstieß gegen die Unterlassungserklärung, in der konkret dieses Wort aufgeführt war. Zudem ließ der Gesamtkontext erkennen, dass sich dieses Wort gegen die Antragstellerin in Abwertung ihrer Persönlichkeit richtete und damit gegen seine Verpflichtung, unter Verwendung dieses Begriffes erneut eine Geringschätzung gegenüber der Antragstellerin zum Ausdruck zu bringen, verstoßen wurde.
Die Tatsache, dass insoweit der Zusatz unwiderruflich fehlte, war ohne Belang, da es auf den Sinnzusammenhang (Abwertung der Persönlichkeit) ankam und im Übrigen von dem Begriff unwiderruflich abscheulich erkennbar das Wort abscheulich den wesentlichen Kern des Angriffs gegen die Persönlichkeit der Antragstellerin darstellte. Zwar steht es den Vertragsparteien frei, eine Vereinbarung zu treffen, die sich auf die konkrete Verletzungsform beschränkt, mit der Folge, dass die Vertragsstrafe nur bei völlig gleichen Verletzungshandlungen verwirkt ist. Dafür bedarf es aber regelmäßig besonderer Anhaltspunkte, die nach den vorangegangenen Ausführungen hier gerade fehlten. Dann aber ist an der Grundregel festzuhalten, dass von einer Unterlassungserklärung auch Verletzungsformen erfasst werden, die im Kern gleichartig sind.
Nebenzwecke wie z.B. eine bloße Unmutsäußerung (worauf das AG seine abweichende Auffassung stützte) spielten beim Zustandekommen und der Auslegung dieser Erklärung keine - jedenfalls keine maßgebliche - Rolle, weil mit der Unterlassungserklärung zugleich auch ein Streit der Beteiligten beigelegt worden war. Insbesondere war nicht erkennbar, dass der Antragsgegner mit der Unterlassungserklärung nur dann die aufgeführten Begriffe nicht anführen durfte, wenn diese einzig und allein der Herabsetzung der Antragstellerin dienen sollten. Bei einer abweichenden Betrachtung würde der Zweck solcher Unterlassungserklärungen (vereinfacht: Unterlasse mir gegenüber Äußerungen wie ....) ausgehöhlt werden.
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Landesrecht Brandenburg
Die Beteiligten sind 2023 rechtskräftig geschieden worden. Im Zusammenhang mit der Scheidung war es zu erheblichen Streitigkeiten gekommen. Nachdem sich die Antragstellerin durch vom Antragsgegner getätigte Äußerungen angegriffen bis hin beleidigt gefühlt und ihn wegen deliktischer Straftaten abgemahnt hatte, unterzeichnete dieser am 18.5.2022 eine Unterlassungserklärung. Darin verpflichtete er sich - bei Meidung einer für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung an die Antragstellerin zu zahlenden Vertragsstrafe i.H.v. 3.000 € - es zu unterlassen, der Antragstellerin gegenüber bestimmte näher aufgeführte Erklärungen abzugeben, u.a. diejenige Du bist so unwiderruflich abscheulich!.
Mit E-Mail vom 17.8.2022 schrieb der Antragsgegner der Antragstellerin u.a.: "Du bist berechnend, langfristig planend, böse, abscheulich und wusstest es die ganze Zeit wie Du mich um mein Erbe zielstrebig bereichern kannst! Ich schäme mich für Dich!"
In Bezug auf diese E-Mail hat die Antragstellerin den Antragsgegner erfolglos zur Abgabe einer weiteren Unterlassungserklärung mit Zahlung von Abmahnkosten aufgefordert. Sie war der Ansicht, der Antragsgegner habe durch die in der E-Mail getätigte(n) Äußerung(en) gegen die von ihm abgegebene Unterlassungserklärung verstoßen. Es sei unerheblich, dass es sich dabei nicht um eine identische Wortwahl handele. Zudem bestehe ihrer Ansicht nach Unterlassungs-/Schadensersatzanspruch aufgrund deliktischer Haftung des Antragsgegners. Der Antragsgegner meinte, die streitgegenständliche Äußerung in der E-Mail sei nicht beleidigend und zudem durch das Recht der Meinungsfreiheit geschützt, zumal sie nicht der von ihm abgegebenen Unterlassungserklärung unterfalle.
Das Amtsgericht hat die Anträge der Antragstellerin insgesamt zurückgewiesen und dabei insbesondere einen Unterlassungsanspruch verneint. Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das OLG die Entscheidung teilweise abgeändert und den Antragsgegner dazu verpflichtet, an die Antragstellerin einen Betrag von 6.136 € zu zahlen.
Die Gründe:
Die wirksam vereinbarte Vertragsstrafe ist verwirkt, § 339 S. 2 BGB i.V.m. der Unterlassungserklärung vom 18.5.2022.
Die Reichweite von Strafvereinbarungen im Zusammenhang mit Unterlassungspflichten ist nach den allgemeinen Auslegungskriterien und dem Grundsatz einer nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung zu bestimmen. Liegt der Strafabrede eine vorprozessuale Abmahnung zugrunde, so hat die Auslegung auch das Abmahnschreiben und die dort angegebenen Verbotsnormen zu berücksichtigen. Für die Auslegung der vorliegenden Unterlassungserklärung ergab sich darauf einerseits, dass der Antragsgegner die aufgeführten Begriffe nicht (mehr) gegenüber der Antragstellerin verwenden durfte, und andererseits, dass mit den dort einzelnen aufgeführten Äußerungen der Antragsgegner sich auch verpflichtet hatte, gegen die Antragstellerin und ihre Wertschätzung richtende gleichlautende - vor allem vulgäre - Äußerungen zu unterlassen.
Mit seiner E-Mail vom 17.8.2022 hatte der Antragsgegner gegen die Unterlassungserklärung erkennbar verstoßen. Die Verwendung des Wortes "abscheulich" verstieß gegen die Unterlassungserklärung, in der konkret dieses Wort aufgeführt war. Zudem ließ der Gesamtkontext erkennen, dass sich dieses Wort gegen die Antragstellerin in Abwertung ihrer Persönlichkeit richtete und damit gegen seine Verpflichtung, unter Verwendung dieses Begriffes erneut eine Geringschätzung gegenüber der Antragstellerin zum Ausdruck zu bringen, verstoßen wurde.
Die Tatsache, dass insoweit der Zusatz unwiderruflich fehlte, war ohne Belang, da es auf den Sinnzusammenhang (Abwertung der Persönlichkeit) ankam und im Übrigen von dem Begriff unwiderruflich abscheulich erkennbar das Wort abscheulich den wesentlichen Kern des Angriffs gegen die Persönlichkeit der Antragstellerin darstellte. Zwar steht es den Vertragsparteien frei, eine Vereinbarung zu treffen, die sich auf die konkrete Verletzungsform beschränkt, mit der Folge, dass die Vertragsstrafe nur bei völlig gleichen Verletzungshandlungen verwirkt ist. Dafür bedarf es aber regelmäßig besonderer Anhaltspunkte, die nach den vorangegangenen Ausführungen hier gerade fehlten. Dann aber ist an der Grundregel festzuhalten, dass von einer Unterlassungserklärung auch Verletzungsformen erfasst werden, die im Kern gleichartig sind.
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