21.03.2023

Schwarzgeldabrede: Gilt die zivilrechtliche Sanktionierung von Steuerhinterziehungen auch außerhalb des SchwarzArbG?

Ein in schriftlicher Form geschlossener Kaufvertrag, in dem der tatsächlich vereinbarte Kaufpreis zum Zwecke der Steuerverkürzung wahrheitswidrig zu niedrig angegeben wird, kann gem. § 134 BGB i.V.m. § 370 AO nichtig sein. Ein Anspruch auf Rückforderung des geleisteten Kaufpreises kann bei Nichtigkeit des Kaufvertrages auf Grund eines Verstoßes gegen § 370 AO gem. § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen sein.

OLG Hamm v. 6.2.2023 - 2 U 78/22
Der Sachverhalt:
Der Beklagte war Inhaber eines Sportstudios und Eigentümer der zugehörigen Einrichtungsgegenstände. Dieses hatte er am 6.4.2018 an die Klägerin verkauft. Laut Kaufvertrag sollte der vereinbarte Kaufpreis "nur" 5.000 €." Darüber hinaus vereinbarten die Parteien mündlich, dass die Klägerin über den schriftlich festgehaltenen Betrag von 5.000 € hinaus weitere 30.000 € als Kaufpreis an den Beklagten zahlt, der Kaufpreis insgesamt also 35.000 € beträgt.

Die Klägerin zahlte an den Beklagten mind. 1.000 €. Der Beklage übergab das Sportstudio an die Klägerin. Der Beklagte erklärte im September 2018, dass er vom Vertrag zurücktrete, was die Klägerin kurz darauf akzeptierte. Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, es sei mit dem Beklagten abgesprochen gewesen, dass die Zahlung der weiteren 30.000 € in bar "an der Steuer vorbei" erfolgen solle. Sie habe dementsprechend gehandelt. Der Beklagte behauptete, die Klägerin habe an ihn neben der Überweisung i.H.v. 1.000 € keine weitere Zahlung geleistet.

Das LG hat den Beklagten verurteilt an die Klägerin 31.000 € Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Sportstudios nebst Inventargegenständen zu zahlen. Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG die Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum BGH zugelassen.

Die Gründe:
Ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin folgte weder aus § 346 Abs. 1 BGB noch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB.

Der Rückgewähranspruch scheiterte bereits daran, dass der Kaufvertrag gem. § 134 BGB nichtig ist. Voraussetzung eines Rücktritts vom Vertrag und damit für das Entstehen eines Rückgewährschuldverhältnisses ist stets das Vorliegen eines wirksam abgeschlossenen Vertrages. Bei Verträgen, die - wie hier - von Anfang an nicht wirksam zustande gekommen sind, erfolgt die Rückabwicklung nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts. Dies war hier der Fall, da der Vertrag bereits nach dem Vorbringen der Klägerin wegen eines Verstoßes gegen § 370 AO gem. § 134 BGB nichtig war.

Die BGH-Rechtsprechung zu Verstößen gegen das Schwarzarbeitergesetz ist nach Ansicht des erkennenden Senats auf Grund der Vergleichbarkeit des zu entscheidenden Falls mit den Schwarzarbeiterfällen und der damit einhergehenden Problematik - insbesondere der Benachteiligung von Wettbewerbern - jedenfalls auf den hiesigen Fall übertragbar. Ob die von dem für das Werkvertragsrecht zuständigen VII. Zivilsenat des BGH aufgestellten Rechtssätze unabhängig vom Einzelfall uneingeschränkt für den Bereich des Kaufrechts Anwendung finden, bedarf dabei keiner Entscheidung. In den letzten Jahren ist sowohl in der Gesetzgebung als auch in der Rechtsprechung ein härteres Vorgehen gegen Steuerhinterziehung angegangen und durchgesetzt worden. Das geht einher mit einer Änderung der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Steuerhinterziehung, die zunehmend nicht mehr als sog. Kavaliersdelikt begriffen wird, sondern als ernst zu nehmende Straftat, welcher deutlich entgegengetreten werden soll.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1, § 818 Abs. 1 BGB. Dem steht nämlich § 817 Satz 2 BGB entgegen. Dieser ist - ungeachtet seiner systematischen Stellung - nicht nur auf § 817 Satz 1 BGB, sondern auf sämtliche Fälle der Leistungskondiktion anzuwenden. Danach ist die Rückforderung des Geleisteten ausgeschlossen, wenn dem Leistenden ein in § 817 Satz 1 BGB genannter Verstoß zur Last fällt. Dies ist dann anzunehmen, wenn der Zweck seiner Leistung in der Art bestimmt war, dass der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Der Ausschluss des Rückforderungsanspruchs setzt einen beiderseitigen Gesetzesverstoß nicht voraus, sondern greift auch ein, wenn nur eine Partei gehandelt hat.

Die Leistung der Klägerin - die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises - war für sich genommen wertneutral. Allerdings verstieß nicht nur die vertragliche Vereinbarung der Parteien über die fehlerhafte Angabe des Kaufpreises gegen das gesetzliche Verbot, sondern auch die in Ausführung dieser Vereinbarung erfolgende Leistungserbringung. § 817 Satz 2 BGB ist nicht, auch nicht unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB), einschränkend auszulegen mit der Folge, dass der Ersatzanspruch nicht ausgeschlossen ist.

Allerdings besteht in Rechtsprechung und Literatur Uneinigkeit über die Reichweite der zivilrechtlichen Sanktionierung von Steuerhinterziehungen außerhalb des Schwarzarbeitsgesetzes. Infolgedessen wurde gem. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO die Revision zum BGH zugelassen.

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Kommentierung | BGB
§ 323 Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung
Ulber in Erman, BGB, 16./17. Aufl. 2020/2023

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