29.06.2021

Schwerste Hirnschäden nach verschlucktem Apfel: Eine Mio. € Schmerzenzgeld

Das LG Limburg hat ein Krankenhaus, eine Krankenschwester und eine Belegärztin zur Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. insgesamt einer Mio. € nebst Zinsen verurteilt.

LG Limburg v. 28.6.2021 - 1 O 45/15
Der Sachverhalt:
Der damals einjährige Kläger war am 22.12.2011 wegen eines Infekts stationär eingewiesen worden. Am 26.12.2011 sollte er über einen Portzugang ein Antibiotikum erhalten. Dies regte den Kläger derart auf, dass er sich an einem zuvor gegessen Stück Apfel verschluckte und infolgedessen schwerste Hirnschäden erlitt. Nach der Beweisaufnahme war die Kammer davon überzeugt, dass die Krankenschwester bei der Gabe der Antibiose wusste, dass der Kläger kurz zuvor gegessen hatte. Auch hätte sie aus den Gesamtumständen damit rechnen müssen, dass sich der Kläger über die Gabe des Medikamentes aufregen würde. Sie hätte daher länger mit der Gabe des Medikamentes warten müssen, um ein mögliches Verschlucken von im Mund verbliebenen Speiseresten zu verhindern. Die nach dem Verschlucken eingeleiteten Rettungsmaßnahmen seien überdies fehlerhaft und in der durchgeführten Form sogar schädlich gewesen.

Neben dem Schmerzensgeldausspruch stellte das LG fest, dass dem Kläger sämtliche künftigen unvorhersehbaren immateriellen sowie alle vergangenen und künftigen materiellen Schäden, die ihm infolge einer fehlerhaften Behandlung entstanden sind bzw. noch entstehen werden, zu ersetzen sind. Ggü. einem weiteren mitverklagten Belegarzt, der zum Zeitpunkt des Vorfalls nicht diensthabend war, hat das LG die Klage abgewiesen.

Mit der zugesprochenen Schmerzensgeldsumme blieb das LG erheblich über der vom Kläger beantragten Mindestforderung: Der Kläger hatte beantragt, die Beklagten zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nach pflichtgemäßen Ermessen des Gerichtes, mindestens jedoch i.H.v. 500.000 € zu verurteilen.

Die Gründe:
Für die Höhe des Schmerzensgeldes ist maßgeblich auf die Folgen für den Kläger abzustellen. Der Kläger wird nie ein auch nur näherungsweise normales Leben führen können. Er kann nicht sprechen, nicht laufen. Eine normale Kindheit ist ihm weitgehend verwehrt geblieben. Spielen mit seinen Eltern, Geschwistern oder anderen Kindern, der Besuch eines Kindergartens oder einer normalen Schule, der Aufbau von regulären Sozialbeziehungen zu Gleichaltrigen sind ihm verwehrt. Er kann sich kaum bewegen, nicht selbst essen oder sich waschen und pflegen. Rund um die Uhr ist er auf fremde Hilfe angewiesen. Seine Gefühle und Gedanken kann er nur eingeschränkt äußern. Selbst Essen und Schlafen sind für ihn infolge von Schluckbeschwerden und Epilepsie mit Angstzuständen verbunden.
LG Limburg PM vom 28.6.2021
Zurück