Sofortige Beschwerde durch den Rechtsanwalt: Erfordernis der elektronischen Übermittlung
BGH v. 31.5.2023 - XII ZB 124/22
Der Sachverhalt:
Das Verfahren betrifft ein Ablehnungsgesuch gegen die zuständige Richterin in einer Familiensache. Gegenstand des Hauptsacheverfahrens ist die Entziehung der elterlichen Sorge für die beiden betroffenen Kinder wegen Kindeswohlgefährdung. Das Gesuch gegen die Abteilungsrichterin ist durch am 28.12.2021 zugestellten Beschluss des AG zurückgewiesen worden. Am 11.1.2022 hat die Verfahrensbevollmächtigte des Kindesvaters per Telefax und mit einfachem Brief sofortige Beschwerde eingelegt.
Nach Hinweis des OLG vom 16.2.2022 auf die mögliche Unzulässigkeit des Rechtsmittels hat sie die sofortige Beschwerde am 17.2.2022 elektronisch übermittelt und mit späterem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das OLG hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die sofortige Beschwerde verworfen.
Der BGH hat auch die dagegen erhobene Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.
Die Gründe:
Das Beschwerdegericht ist zutreffend von einer Verfristung der sofortigen Beschwerde ausgegangen. Der Senat hat zwischenzeitlich entschieden, dass bei einer nach § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG von einem Rechtsanwalt schriftlich eingelegten Beschwerde die Beschwerdeschrift nach § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG als elektronisches Dokument zu übermitteln ist (BGH v. 7.12.2022 - XII ZB 200/22 - FamRZ 2023, 461 Rn. 7 mwN und BGH v. 31.5.2023 - XII ZB 428/22 - zur Veröffentlichung bestimmt).
Nichts anderes gilt, wenn sich das Beschwerdeverfahren - wie hier gemäß § 6 Abs. 2 FamFG - aufgrund einer Verweisung auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung nach §§ 567 ff. ZPO richtet. Die Einlegung erfordert im Fall der Einreichung einer Beschwerdeschrift nach §§ 569 Abs. 2, 130 d ZPO ebenfalls die elektronische Übermittlung (vgl. BGH v. 10.1.2023 - VIII ZB 41/22 - FamRZ 2023, 627 Rn. 15 zur Berufung).
Das Beschwerdegericht hat eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Recht abgelehnt. Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, musste sich die Verfahrensbevollmächtigte bewusst sein, dass ab dem 1.1.2022 die schriftliche Rechtsmitteleinlegung durch einen Rechtsanwalt nur im Wege der Übermittlung als elektronisches Dokument möglich war. Der Kindesvater muss sich das Verschulden seiner Verfahrensbevollmächtigten nach § 11 Satz 5 FamFG iVm § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
Der von der Rechtsbeschwerde angeführte Wiedereinsetzungsgrund nach § 233 ZPO ist nicht gegeben. Ob die hier ergangene Rechtsbehelfsbelehrung vollständig ist und insbesondere die erst während des Laufs der Beschwerdeeinlegungsfrist in Kraft getretene Vorschrift des § 130 d ZPO eine Formvorschrift im Sinne des § 232 Satz 1 ZPO darstellt, kann dafür offenbleiben.
Denn von einem Rechtsanwalt kann erwartet werden, dass er (selbst) die Voraussetzungen für die wirksame Einlegung eines Rechtsmittels kennt. Diese Voraussetzungen hat er im hier gegebenen Fall einer Rechtsänderung während der laufenden Frist zur Einlegung der Berufung sogar mit erhöhter Sorgfalt zu überprüfen. Das wird im vorliegenden Fall noch dadurch unterstrichen, dass die elektronische Übermittlung seit dem 1.1.2022 für sämtliche Anwaltsschriftsätze zwingend einzuhalten ist.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung:
Beschwerdeeinlegung durch Rechtsanwalt nur mit elektronischem Dokument
BGH vom 7.12.2022 - XII ZB 200/22
MDR 2023, 316
Rechtsprechung:
§§ 14b I, 64 II FamFG: beA-Nutzungspflicht des anwaltlichen berufsmäßigen Verfahrenspflegers auch bei nicht anwaltlicher Tätigkeit
BGH vom 31.1.2023 - XIII ZB 90/22
FamRZ 2023, 719
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Das Verfahren betrifft ein Ablehnungsgesuch gegen die zuständige Richterin in einer Familiensache. Gegenstand des Hauptsacheverfahrens ist die Entziehung der elterlichen Sorge für die beiden betroffenen Kinder wegen Kindeswohlgefährdung. Das Gesuch gegen die Abteilungsrichterin ist durch am 28.12.2021 zugestellten Beschluss des AG zurückgewiesen worden. Am 11.1.2022 hat die Verfahrensbevollmächtigte des Kindesvaters per Telefax und mit einfachem Brief sofortige Beschwerde eingelegt.
Nach Hinweis des OLG vom 16.2.2022 auf die mögliche Unzulässigkeit des Rechtsmittels hat sie die sofortige Beschwerde am 17.2.2022 elektronisch übermittelt und mit späterem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das OLG hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die sofortige Beschwerde verworfen.
Der BGH hat auch die dagegen erhobene Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.
Die Gründe:
Das Beschwerdegericht ist zutreffend von einer Verfristung der sofortigen Beschwerde ausgegangen. Der Senat hat zwischenzeitlich entschieden, dass bei einer nach § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG von einem Rechtsanwalt schriftlich eingelegten Beschwerde die Beschwerdeschrift nach § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG als elektronisches Dokument zu übermitteln ist (BGH v. 7.12.2022 - XII ZB 200/22 - FamRZ 2023, 461 Rn. 7 mwN und BGH v. 31.5.2023 - XII ZB 428/22 - zur Veröffentlichung bestimmt).
Nichts anderes gilt, wenn sich das Beschwerdeverfahren - wie hier gemäß § 6 Abs. 2 FamFG - aufgrund einer Verweisung auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung nach §§ 567 ff. ZPO richtet. Die Einlegung erfordert im Fall der Einreichung einer Beschwerdeschrift nach §§ 569 Abs. 2, 130 d ZPO ebenfalls die elektronische Übermittlung (vgl. BGH v. 10.1.2023 - VIII ZB 41/22 - FamRZ 2023, 627 Rn. 15 zur Berufung).
Das Beschwerdegericht hat eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Recht abgelehnt. Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, musste sich die Verfahrensbevollmächtigte bewusst sein, dass ab dem 1.1.2022 die schriftliche Rechtsmitteleinlegung durch einen Rechtsanwalt nur im Wege der Übermittlung als elektronisches Dokument möglich war. Der Kindesvater muss sich das Verschulden seiner Verfahrensbevollmächtigten nach § 11 Satz 5 FamFG iVm § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
Der von der Rechtsbeschwerde angeführte Wiedereinsetzungsgrund nach § 233 ZPO ist nicht gegeben. Ob die hier ergangene Rechtsbehelfsbelehrung vollständig ist und insbesondere die erst während des Laufs der Beschwerdeeinlegungsfrist in Kraft getretene Vorschrift des § 130 d ZPO eine Formvorschrift im Sinne des § 232 Satz 1 ZPO darstellt, kann dafür offenbleiben.
Denn von einem Rechtsanwalt kann erwartet werden, dass er (selbst) die Voraussetzungen für die wirksame Einlegung eines Rechtsmittels kennt. Diese Voraussetzungen hat er im hier gegebenen Fall einer Rechtsänderung während der laufenden Frist zur Einlegung der Berufung sogar mit erhöhter Sorgfalt zu überprüfen. Das wird im vorliegenden Fall noch dadurch unterstrichen, dass die elektronische Übermittlung seit dem 1.1.2022 für sämtliche Anwaltsschriftsätze zwingend einzuhalten ist.
Rechtsprechung:
Beschwerdeeinlegung durch Rechtsanwalt nur mit elektronischem Dokument
BGH vom 7.12.2022 - XII ZB 200/22
MDR 2023, 316
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§§ 14b I, 64 II FamFG: beA-Nutzungspflicht des anwaltlichen berufsmäßigen Verfahrenspflegers auch bei nicht anwaltlicher Tätigkeit
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