Sonderurlaub für eingetragene Lebenspartnerin zur Betreuung des gemeinsamen Sohnes
VG Berlin v. 9.9.2021 - VG 36 K 68/19
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war als Beamtin am Kammergericht Berlin tätig. Ihre eingetragene Lebenspartnerin gebar ihren mithilfe einer ärztlich unterstützten künstlichen Befruchtung und einer Samenspende gezeugten, gemeinsamen Sohn. In der Folge erkrankte sie so schwer, dass die Klägerin die Betreuung des in ihrem Haushalt lebenden Sohnes übernehmen musste. Zu diesem Zweck beantragte sie bei ihrem Dienstherrn die Gewährung von Sonderurlaub unter Fortzahlung der Bezüge. Dies lehnte das Kammergericht ab.
Die Klägerin legte Widerspruch ein, den die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung mit der Begründung zurückwies, die Klägerin habe keine rechtliche Elternstellung inne. Hiergegen wandte sich die Klägerin u.a. mit der Begründung, in die Geburtsurkunde habe sie nicht eingetragen werden können.
Das VG gab der Klage statt. Gegen das Urteil kann Antrag auf Zulassung der Berufung zum OVG gestellt werden.
Die Gründe:
Tatbestandsvoraussetzung der Gewährung von Sonderurlaub nach der Sonderurlaubsverordnung ist das Vorliegen eines "besonders wichtigen Grundes". Die Auslegung, dass die Betreuung eines Kindes nur dann einen wichtigen Grund darstellt, wenn es sich um leibliche oder angenommene Kinder handelt, nicht aber um Stief- oder Pflegekinder verstößt gegen das Recht auf Gleichheit, Art. 3 Abs. 1 GG, und auf Schutz der Familie, Art. 6 Abs. 1 GG. Die Ungleichbehandlung einer Beamtin, die für ein in ihrem Haushalt lebendes Kind die rechtliche Elternstellung innehat, mit einer Beamtin ohne rechtliche Elternstellung ist sachlich nicht gerechtfertigt.
Sinn und Zweck der Gewährung von Sonderurlaub im Falle der schweren Erkrankung der Betreuungsperson ist es, Beamten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Diesen Zweck erfüllt die Gewährung von Sonderurlaub auch im Falle einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit gemeinsamem Kind. Die rechtliche Elternstellung gegenüber dem betreuungsbedürftigen Kind ist kein sachliches Differenzierungskriterium. Das Grundgesetz schützt die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft von Eltern und Kindern als Familie und setzt nicht den Bestand rechtlicher Verwandtschaft voraus. Damit ist auch die sozial-familiäre Gemeinschaft geschützt, die aus den eingetragenen Lebenspartnerinnen und dem leiblichen bzw. angenommenen Kind besteht.
VG Berlin PM Nr. 55 vom 27.10.2021
Die Klägerin war als Beamtin am Kammergericht Berlin tätig. Ihre eingetragene Lebenspartnerin gebar ihren mithilfe einer ärztlich unterstützten künstlichen Befruchtung und einer Samenspende gezeugten, gemeinsamen Sohn. In der Folge erkrankte sie so schwer, dass die Klägerin die Betreuung des in ihrem Haushalt lebenden Sohnes übernehmen musste. Zu diesem Zweck beantragte sie bei ihrem Dienstherrn die Gewährung von Sonderurlaub unter Fortzahlung der Bezüge. Dies lehnte das Kammergericht ab.
Die Klägerin legte Widerspruch ein, den die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung mit der Begründung zurückwies, die Klägerin habe keine rechtliche Elternstellung inne. Hiergegen wandte sich die Klägerin u.a. mit der Begründung, in die Geburtsurkunde habe sie nicht eingetragen werden können.
Das VG gab der Klage statt. Gegen das Urteil kann Antrag auf Zulassung der Berufung zum OVG gestellt werden.
Die Gründe:
Tatbestandsvoraussetzung der Gewährung von Sonderurlaub nach der Sonderurlaubsverordnung ist das Vorliegen eines "besonders wichtigen Grundes". Die Auslegung, dass die Betreuung eines Kindes nur dann einen wichtigen Grund darstellt, wenn es sich um leibliche oder angenommene Kinder handelt, nicht aber um Stief- oder Pflegekinder verstößt gegen das Recht auf Gleichheit, Art. 3 Abs. 1 GG, und auf Schutz der Familie, Art. 6 Abs. 1 GG. Die Ungleichbehandlung einer Beamtin, die für ein in ihrem Haushalt lebendes Kind die rechtliche Elternstellung innehat, mit einer Beamtin ohne rechtliche Elternstellung ist sachlich nicht gerechtfertigt.
Sinn und Zweck der Gewährung von Sonderurlaub im Falle der schweren Erkrankung der Betreuungsperson ist es, Beamten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Diesen Zweck erfüllt die Gewährung von Sonderurlaub auch im Falle einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit gemeinsamem Kind. Die rechtliche Elternstellung gegenüber dem betreuungsbedürftigen Kind ist kein sachliches Differenzierungskriterium. Das Grundgesetz schützt die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft von Eltern und Kindern als Familie und setzt nicht den Bestand rechtlicher Verwandtschaft voraus. Damit ist auch die sozial-familiäre Gemeinschaft geschützt, die aus den eingetragenen Lebenspartnerinnen und dem leiblichen bzw. angenommenen Kind besteht.