Stellen Betriebsbeschränkungen aufgrund von Corona bei Friseur- und Kosmetikbetrieben Mietmangel dar?
BGH v. 23.11.2022 - XII ZR 96/21
Der Sachverhalt:
Die Beklagten haben vom Kläger Gewerberäume zum Betrieb eines Friseursalons und einer Boutique sowie zur Erbringung von Kosmetikdienstleistungen angemietet. Die monatliche Miete beträgt 3.500 € zzgl. einer monatlichen Nebenkostenvorauszahlung i.H.v. 500 €. Bis zum 31.12.2020 hatten die Beklagten einen Teil der Räumlichkeiten zur Führung eines Betriebs zur Bartpflege untervermietet.
Die COVID-19-Pandemie bedingten Betriebsbeschränkungen des Friseur- und Kosmetikbetriebsgeschäfts führten dazu, dass nur zwei statt vier Kunden gleichzeitig bedient werden konnten. Das Boutiquegeschäft war bis einschließlich 19.4.2020 geschlossen. Die Miete für März 2020 zahlten die Beklagten vollständig. Bei der Miete für April 2020 brachten sie eine Gutschrift aus der Nebenkostenabrechnung für das Abrechnungsjahr 2018/2019 in Abzug, so dass sie nur einen Betrag von 2.477 € überwiesen. Die Mieten für Mai, Juni und Juli 2020 zahlten die Beklagten nicht. Sie waren der Ansicht, für die Monate Mai bis Juli 2020 keine Miete zu schulden. Zudem stehe ihnen wegen des Wegfalls der vertraglich vereinbarten Nutzungsmöglichkeit ein Anspruch auf Rückzahlung der für den Zeitraum von 23.3.2020 bis 30.4.2020 gezahlten Miete sowie ein Anspruch auf Auszahlung des Betriebskostenguthabens für das Abrechnungsjahr 2018/2019 zu.
LG und OLG haben die Beklagten antragsgemäß als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 12.000 € nebst Zinsen zu zahlen. Auch die Revision der Beklagten vor dem BGH blieb erfolglos.
Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagten gem. § 535 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Zahlung der restlichen Miete für die Monate Mai bis Juli 2020. Weder war die Miete in diesem Zeitraum nach § 536 Abs. 1 BGB gemindert noch sind die Beklagten nach § 326 Abs. 1 BGB wegen Unmöglichkeit der von dem Kläger geschuldeten Leistung (§ 275 Abs. 1 BGB) teilweise von ihrer Zahlungsverpflichtung frei geworden. Den Beklagten steht zudem kein Anspruch aus § 313 Abs. 1 BGB auf Anpassung des Mietvertrags dahingehend zu, dass sie von ihrer Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Miete befreit sind. Schließlich bleibt die von den Beklagten erklärte Aufrechnung ohne Erfolg, weil sie auch für die Monate März und April 2020 nicht berechtigt waren, die Miete einzubehalten bzw. zurückzufordern.
Im Fall von Betriebsbeschränkungen, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruhen, kommt zwar grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB in Betracht. Bei der Prüfung des normativen Tatbestandsmerkmals des § 313 Abs. 1 BGB ist dabei entscheidend, ob die Folgen der Störung der Geschäftsgrundlage den Mieter so erheblich belasten, dass ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für ihn zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt. Um dies beurteilen zu können, ist eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Situation des Mieters erforderlich.
Grundsätzlich obliegt es der Vertragspartei, die sich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage beruft, nachzuweisen, dass ihr ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist. Behauptet der Mieter, keine staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten zu haben, muss er darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er sich um mögliche Hilfeleistungen vergeblich bemüht hat. Gelingt ihm dies nicht, muss er sich so behandeln lassen, als hätte er die staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten. Wendet hingegen der Vermieter ein, dass die vom Mieter behaupteten Verluste auf von der COVID-19-Pandemie (vollständig) unabhängigen Umständen beruhen, trifft ihn hierfür die Darlegungs- und Beweislast.
Vorliegend haben die Beklagten nur vorgetragen, dass in den Monaten Mai bis Juli 2020 Einkünfte von 28.500 € weggefallen seien, dass es in dem Zeitraum von April bis August 2020 zu einem Umsatzrückgang von 26,56 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gekommen sei und sie keine staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten hätten. Dass das Berufungsgericht diesen Vortrag für die Darlegung der Unzumutbarkeit nicht für ausreichend erachtet hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, weil diese Angaben nicht genügen, um die wirtschaftliche Situation der Beklagten in den streitgegenständlichen Zeiträumen in der erforderlichen Weise beurteilen zu können.
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Die Beklagten haben vom Kläger Gewerberäume zum Betrieb eines Friseursalons und einer Boutique sowie zur Erbringung von Kosmetikdienstleistungen angemietet. Die monatliche Miete beträgt 3.500 € zzgl. einer monatlichen Nebenkostenvorauszahlung i.H.v. 500 €. Bis zum 31.12.2020 hatten die Beklagten einen Teil der Räumlichkeiten zur Führung eines Betriebs zur Bartpflege untervermietet.
Die COVID-19-Pandemie bedingten Betriebsbeschränkungen des Friseur- und Kosmetikbetriebsgeschäfts führten dazu, dass nur zwei statt vier Kunden gleichzeitig bedient werden konnten. Das Boutiquegeschäft war bis einschließlich 19.4.2020 geschlossen. Die Miete für März 2020 zahlten die Beklagten vollständig. Bei der Miete für April 2020 brachten sie eine Gutschrift aus der Nebenkostenabrechnung für das Abrechnungsjahr 2018/2019 in Abzug, so dass sie nur einen Betrag von 2.477 € überwiesen. Die Mieten für Mai, Juni und Juli 2020 zahlten die Beklagten nicht. Sie waren der Ansicht, für die Monate Mai bis Juli 2020 keine Miete zu schulden. Zudem stehe ihnen wegen des Wegfalls der vertraglich vereinbarten Nutzungsmöglichkeit ein Anspruch auf Rückzahlung der für den Zeitraum von 23.3.2020 bis 30.4.2020 gezahlten Miete sowie ein Anspruch auf Auszahlung des Betriebskostenguthabens für das Abrechnungsjahr 2018/2019 zu.
LG und OLG haben die Beklagten antragsgemäß als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 12.000 € nebst Zinsen zu zahlen. Auch die Revision der Beklagten vor dem BGH blieb erfolglos.
Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagten gem. § 535 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Zahlung der restlichen Miete für die Monate Mai bis Juli 2020. Weder war die Miete in diesem Zeitraum nach § 536 Abs. 1 BGB gemindert noch sind die Beklagten nach § 326 Abs. 1 BGB wegen Unmöglichkeit der von dem Kläger geschuldeten Leistung (§ 275 Abs. 1 BGB) teilweise von ihrer Zahlungsverpflichtung frei geworden. Den Beklagten steht zudem kein Anspruch aus § 313 Abs. 1 BGB auf Anpassung des Mietvertrags dahingehend zu, dass sie von ihrer Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Miete befreit sind. Schließlich bleibt die von den Beklagten erklärte Aufrechnung ohne Erfolg, weil sie auch für die Monate März und April 2020 nicht berechtigt waren, die Miete einzubehalten bzw. zurückzufordern.
Im Fall von Betriebsbeschränkungen, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruhen, kommt zwar grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB in Betracht. Bei der Prüfung des normativen Tatbestandsmerkmals des § 313 Abs. 1 BGB ist dabei entscheidend, ob die Folgen der Störung der Geschäftsgrundlage den Mieter so erheblich belasten, dass ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für ihn zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt. Um dies beurteilen zu können, ist eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Situation des Mieters erforderlich.
Grundsätzlich obliegt es der Vertragspartei, die sich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage beruft, nachzuweisen, dass ihr ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist. Behauptet der Mieter, keine staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten zu haben, muss er darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er sich um mögliche Hilfeleistungen vergeblich bemüht hat. Gelingt ihm dies nicht, muss er sich so behandeln lassen, als hätte er die staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten. Wendet hingegen der Vermieter ein, dass die vom Mieter behaupteten Verluste auf von der COVID-19-Pandemie (vollständig) unabhängigen Umständen beruhen, trifft ihn hierfür die Darlegungs- und Beweislast.
Vorliegend haben die Beklagten nur vorgetragen, dass in den Monaten Mai bis Juli 2020 Einkünfte von 28.500 € weggefallen seien, dass es in dem Zeitraum von April bis August 2020 zu einem Umsatzrückgang von 26,56 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gekommen sei und sie keine staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten hätten. Dass das Berufungsgericht diesen Vortrag für die Darlegung der Unzumutbarkeit nicht für ausreichend erachtet hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, weil diese Angaben nicht genügen, um die wirtschaftliche Situation der Beklagten in den streitgegenständlichen Zeiträumen in der erforderlichen Weise beurteilen zu können.
Aufsatz
Rainer Burbulla
Gewerberaummiete - Die Entwicklungen der Rechtsprechung im 1. Halbjahr 2022
MDR 2023, 12
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