21.06.2021

Stolperfalle im Stadion: Schmerzensgeld nach Sturz über eine Stromkabel abdeckende Matte

Die Betreiberin eines Verkaufsstands hat dafür Sorge zu tragen, dass quer durch einen Fußgängerbereich verlegte Stromkabel nicht zu einer Stolperfalle werden und durch ergriffene Sicherungsmaßnahmen - wie Abdeckmatten - keine neuen Stolpergefahren begründet werden, weil sie im Randbereich wellig sind bzw. vom Boden abstehen und von in dichtem Gedränge aus einem großen Fußballstadion strömenden Zuschauern kaum wahrzunehmen sind.

OLG Hamm v. 7.5.2021 - 7 U 27/20
Der Sachverhalt:
Im August 2017 fand in einem großen Fußballstadion in Dortmund ein Bundesligaspiel mit ca. 80.000 Zuschauern statt. Zu dieser Zeit betrieb die Beklagte im Stadion Verkaufsstände, an denen sie Brezel verkaufte. Der Kläger besuchte das Fußballspiel gemeinsam mit seinem Sohn sowie einem Freund aus Schweden. Nach dem Abpfiff des Spiels stürzte der Kläger - als er an einem der Brezel-Verkaufsstände der beklagten Standbetreiberin vorbeikam - auf der Höhe einer von dieser verlegten Kabelmatte. Mit dieser Gummimatte wurden quer über den Durchgang verlaufende Elektrokabel überdeckt. Ob der Kläger über die Gummimatte oder nur in deren Nähe gestürzt war, ist zwischen den Parteien umstritten. Der Kläger hat Riss- und Quetschwunden im Gesicht erlitten, von denen deutliche Narben in der unteren Gesichtshälfte verblieben sind. Er verlangt von der beklagten Standbetreiberin insbesondere Schmerzensgeld- und Schadensersatz von insgesamt fast 10.000 €. Seit dem Sturzereignis werden in dem Fußballstadion keine Kabelmatten mehr verwendet. Die Verkaufsstände stehen nur noch direkt vor Stromquellen oder werden über oberirdische Leitungen versorgt.

Das LG hat festgestellt, dass dem Kläger dem Grunde nach ggü. der beklagten Standbetreiberin ein Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz zustehe, dieser Anspruch aber um 1/3 zu reduzieren sei. Die Gummimatte habe sich mit ihren Rissen und Wellenbildungen in einem derart schlechten Zustand befunden, dass sie jedenfalls so nicht mehr hätte verwendet werden dürfen. Es müsse zudem davon ausgegangen werden, dass der Kläger über die Gummimatte - und nicht etwa davor oder dahinter - gestürzt sei. Der Kläger habe aber durch seine Nachlässigkeit zu seinem Sturz beitragen, weshalb er sich ein Mitverschulden von 1/3 anrechnen lassen müsse. Denn er habe erkennen können, dass an der Stelle eine Gummimatte gelegen habe. Zur Höhe des Anspruchs hat das LG noch keine Entscheidung getroffen.

Gegen dieses Urteil hat sich die Standbetreiberin mit ihrer Berufung gewandt, die sie allerdings wieder zurückgenommen hat, nachdem das OLG per Beschluss auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Berufung hingewiesen hatte.

Die Gründe:
Die Berufung der Standbetreiberin hat keine Aussicht auf Erfolg, da bezogen auf die Stromversorgung des von der Standbetreiberin bewirtschafteten Brezelstands die Pflicht bestanden hat, das quer durch den Fußgängerbereich über den Boden verlaufende Stromkabel durch geeignete Maßnahmen abzusichern, weil es eine Stolperfalle dargestellt hat. Hierzu ist eine Gummimatte zwar grundsätzlich geeignet. Allerdings hat hier diese Matte im Randbereich nicht flach auf dem Boden gelegen, sondern Bögen geworfen, weshalb das Risiko bestanden hat, dass die in großer Zahl aus dem Stadion strömenden Fußballfans in dichtem Gedränge - und wahrscheinlich überwiegend auch noch gedanklich beschäftigt mit dem erlebten Fußballereignis - zwar die Matte als solche, aber nicht deren welligen Randbereich so rechtzeitig haben erkennen können, um dort nicht mit dem Fuß "einzufädeln".

Zutreffend hat das LG nach Anhörung des Klägers und Vernehmung von Zeugen auch angenommen, dass der Sturz des Klägers seinen Ausgang an der Gummimatte genommen hat. Eine abweichende Sturzursache kommt nicht ernstlich in Betracht. Die Matte selbst ist wegen ihres Zustands nicht geeignet gewesen, die vom abgedeckten Kabel ausgehende Stolpergefahr für die Zuschauer zuverlässig abzuwenden, sondern hat im Gegenteil eine neue Gefahrenquelle geschaffen. Der Standbetreiberin ist es nicht gelungen, die ordnungsgemäße Verlegung der Gummimatte nicht nur zu Beginn des Fußballspiels, sondern während des gesamten Zeitraums, in dem sich Zuschauer im Stadion aufhielten, zu gewährleisten. Dies hätte nur durch Verwendung stabiler, sich nicht verformender und bewegender Matten oder ggf. durch ein Abkleben der Ränder erreicht werden können. Das dem Kläger vorzuwerfende Mitverschulden hat das LG mit 1/3 nicht zu gering angesetzt.
Justiz NRW PM vom 17.6.2021
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