Streit um die Ehewohnung nach der Trennung
AG Sigmaringen v. 29.7.2024, 2 F 189/24 eA
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten sind verheiratete Eheleute, die seit Februar 2024 getrennt leben und Miteigentümer eines Einfamilienhauses mit Garage sind. Zum Haus gehört eine Außenanlage mit Swimmingpool, Whirlpool und Geräteschuppen, die sich auf einem Flurstück befinden, das im Alleineigentum des Antragsgegners steht. Die Eltern des Antragsgegners wohnen im gleichen Ort, wo dieser eine Unterkunft bezogen hat, um bei den drei gemeinsamen, minderjährigen Kindern sein zu können. Von 2018 bis 2020 hatte der Antragsgegner die Kinder hauptsächlich betreut, während die Antragstellerin in Vollzeit gearbeitet hat. Seit Februar 2024 bzw. der Trennung der Eltern leben die Kinder mit der Mutter zusammen in der dortigen Immobilie und werden hauptsächlich von der Mutter betreut und versorgt.
Zwischen den Beteiligten bestehen Streitigkeiten, die zunächst verbal ausgeführt worden waren. Am 9.4.2024 soll die Antragstellerin den Antragsgegner ins Gesicht geschlagen haben. Ob es im Gegenzug zu Handgreiflichkeiten gekommen ist, ist streitig. Der Vater hatte sich, um Streitigkeiten mit der Antragstellerin aus dem Weg zu gehen, seit Februar 2024 zum Teil aus der Immobilie zurückgezogen. Ob er aus der Immobilie ausgezogen ist, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Die Antragstellerin machte geltend, der Antragsgegner terrorisiere sie und versuche sich in ihr Leben einzumischen. Es sei aggressiv und dies fortlaufend. Am 9.4.2024 habe sie sich nur gewehrt. Der Antragsgegner könne bei seinen Eltern im gleichen Dorf wohnen oder in einer weiteren eigenen Wohnung, die bis Oktober vermietet sei. Die Kinder würden ausschließlich von ihr betreut. Die Antragstellerin beantragte die Wohnungszuweisung und Gewaltschutzanordnungen nach § 1 GewSchG.
Der Antragsgegner beantragte im Gegenzug, ihm die Wohnung zur alleinigen Nutzung zuzuweisen. Er behauptete, nie aus der Immobilie ausgezogen zu sei. Nicht er habe die Antragstellerin geschlagen, sondern umgekehrt habe sie ihn ins Gesicht geschlagen. Er würde die Antragstellerin auch nicht terrorisieren. Er brauche die Immobilie zur weiteren Betreuung der Kinder sowie zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit. In der Garage habe er ein Lager und im Wohnhaus einen Büroraum.
Das AG hat die Immobilie samt Garage, Vorplatz, Außenanlage mit Garten, Swimmingpool, Whirlpool und Geräteschuppen für die Zeit des Getrenntlebens bis zur Rechtskraft der Scheidung der Antragstellerin zur alleinigen Nutzung zugewiesen. Den Antrag des Antragsgegners hat es zurückgewiesen.
Die Gründe:
Der Antragstellerin ist die Ehewohnung zur alleinigen Nutzung zuzuweisen, weil sie jedenfalls derzeit und seit der Trennung die Hauptbezugsperson der gemeinsamen Kinder ist und diese in erster Linie betreut.
Die Wohnung ist vorzugsweise dem Elternteil zuzuweisen, der die gemeinsamen Kinder in erster Linie betreut. Die Bedürfnisse der Kinder an einer geordneten, ruhigen und möglichst entspannten Familiensituation ohne eine örtliche Veränderung haben Vorrang vor dem Interesse des Antragsgegners am Verbleib in der Ehewohnung. Dem Wohl der Kinder ist am besten dadurch gedient, dass sie möglichst viel Lebenszeit in der Ehewohnung verbringen. Die Ehewohnung dem Antragsgegner zuzuweisen, würde bedeuten, die Kinder von der Hauptbezugsperson zu trennen oder die Kinder zu zwingen, mit der Mutter aus der Immobilie auszuziehen. Beides ist nicht Kindeswohl-förderlich. Es entspricht dem Kindeswohl derzeit am besten, wenn alles so bleibt wie es ist:
Die Ehewohnung ist nach § 1361b Abs. 1 BGB in der Regel dem Ehegatten zuzuweisen, der das gemeinsame Kind / die gemeinsamen Kinder (hauptsächlich) betreut. Der Antragsgegner ist im Februar 2024 aus der Ehewohnung ausgezogen, jedenfalls hat er sich aus der Ehewohnung zurückgezogen und zum Teil in einem Wohnwagen, zum Teil bei seinen Eltern, die im gleichen Ort wohnen, übernachtet. Jedenfalls dadurch ist die Antragstellerin zur Hauptbezugsperson der Kinder geworden. Zur Ehewohnung i.S.d. § 1361b BGB gehören auch Garage, Vorplatz und Garten.
Zwar hatte der Antragsgegner geltend gemacht, dass er seit eh und jäh die Kinder betreue und versorge. Dass ihm durch den Gewaltschutzbeschluss die Betreuung und Versorgung unmöglich gemacht wurde, hatte er aber nicht geltend gemacht. Eine solche Ausnahme ist zwar auch dann anzunehmen, wenn sich aus den Umständen von sich aus ergibt, dass ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 3 GewSchG besteht, ohne dass sich der Antragsgegner darauf explizit berufen muss. Weder die gemeinsame elterliche Sorge noch das Umgangsrecht des Täters mit einem gemeinsamen Kind nach Trennung der Eltern rechtfertigt jedoch - ohne Hinzutreten weiterer Umstände - die Annahme eines berechtigten Interesses. Sieht sich der Antragsgegner in der Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge oder des Umgangsrechts durch einen Gewaltschutzbeschluss gehindert, so muss er dies im Verfahren geltend machen, um eine Einschränkung des Gewaltschutz-Beschlusses erreichen zu können.
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Landesrechtsprechung Baden-Württemberg
Die Beteiligten sind verheiratete Eheleute, die seit Februar 2024 getrennt leben und Miteigentümer eines Einfamilienhauses mit Garage sind. Zum Haus gehört eine Außenanlage mit Swimmingpool, Whirlpool und Geräteschuppen, die sich auf einem Flurstück befinden, das im Alleineigentum des Antragsgegners steht. Die Eltern des Antragsgegners wohnen im gleichen Ort, wo dieser eine Unterkunft bezogen hat, um bei den drei gemeinsamen, minderjährigen Kindern sein zu können. Von 2018 bis 2020 hatte der Antragsgegner die Kinder hauptsächlich betreut, während die Antragstellerin in Vollzeit gearbeitet hat. Seit Februar 2024 bzw. der Trennung der Eltern leben die Kinder mit der Mutter zusammen in der dortigen Immobilie und werden hauptsächlich von der Mutter betreut und versorgt.
Zwischen den Beteiligten bestehen Streitigkeiten, die zunächst verbal ausgeführt worden waren. Am 9.4.2024 soll die Antragstellerin den Antragsgegner ins Gesicht geschlagen haben. Ob es im Gegenzug zu Handgreiflichkeiten gekommen ist, ist streitig. Der Vater hatte sich, um Streitigkeiten mit der Antragstellerin aus dem Weg zu gehen, seit Februar 2024 zum Teil aus der Immobilie zurückgezogen. Ob er aus der Immobilie ausgezogen ist, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Die Antragstellerin machte geltend, der Antragsgegner terrorisiere sie und versuche sich in ihr Leben einzumischen. Es sei aggressiv und dies fortlaufend. Am 9.4.2024 habe sie sich nur gewehrt. Der Antragsgegner könne bei seinen Eltern im gleichen Dorf wohnen oder in einer weiteren eigenen Wohnung, die bis Oktober vermietet sei. Die Kinder würden ausschließlich von ihr betreut. Die Antragstellerin beantragte die Wohnungszuweisung und Gewaltschutzanordnungen nach § 1 GewSchG.
Der Antragsgegner beantragte im Gegenzug, ihm die Wohnung zur alleinigen Nutzung zuzuweisen. Er behauptete, nie aus der Immobilie ausgezogen zu sei. Nicht er habe die Antragstellerin geschlagen, sondern umgekehrt habe sie ihn ins Gesicht geschlagen. Er würde die Antragstellerin auch nicht terrorisieren. Er brauche die Immobilie zur weiteren Betreuung der Kinder sowie zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit. In der Garage habe er ein Lager und im Wohnhaus einen Büroraum.
Das AG hat die Immobilie samt Garage, Vorplatz, Außenanlage mit Garten, Swimmingpool, Whirlpool und Geräteschuppen für die Zeit des Getrenntlebens bis zur Rechtskraft der Scheidung der Antragstellerin zur alleinigen Nutzung zugewiesen. Den Antrag des Antragsgegners hat es zurückgewiesen.
Die Gründe:
Der Antragstellerin ist die Ehewohnung zur alleinigen Nutzung zuzuweisen, weil sie jedenfalls derzeit und seit der Trennung die Hauptbezugsperson der gemeinsamen Kinder ist und diese in erster Linie betreut.
Die Wohnung ist vorzugsweise dem Elternteil zuzuweisen, der die gemeinsamen Kinder in erster Linie betreut. Die Bedürfnisse der Kinder an einer geordneten, ruhigen und möglichst entspannten Familiensituation ohne eine örtliche Veränderung haben Vorrang vor dem Interesse des Antragsgegners am Verbleib in der Ehewohnung. Dem Wohl der Kinder ist am besten dadurch gedient, dass sie möglichst viel Lebenszeit in der Ehewohnung verbringen. Die Ehewohnung dem Antragsgegner zuzuweisen, würde bedeuten, die Kinder von der Hauptbezugsperson zu trennen oder die Kinder zu zwingen, mit der Mutter aus der Immobilie auszuziehen. Beides ist nicht Kindeswohl-förderlich. Es entspricht dem Kindeswohl derzeit am besten, wenn alles so bleibt wie es ist:
Die Ehewohnung ist nach § 1361b Abs. 1 BGB in der Regel dem Ehegatten zuzuweisen, der das gemeinsame Kind / die gemeinsamen Kinder (hauptsächlich) betreut. Der Antragsgegner ist im Februar 2024 aus der Ehewohnung ausgezogen, jedenfalls hat er sich aus der Ehewohnung zurückgezogen und zum Teil in einem Wohnwagen, zum Teil bei seinen Eltern, die im gleichen Ort wohnen, übernachtet. Jedenfalls dadurch ist die Antragstellerin zur Hauptbezugsperson der Kinder geworden. Zur Ehewohnung i.S.d. § 1361b BGB gehören auch Garage, Vorplatz und Garten.
Zwar hatte der Antragsgegner geltend gemacht, dass er seit eh und jäh die Kinder betreue und versorge. Dass ihm durch den Gewaltschutzbeschluss die Betreuung und Versorgung unmöglich gemacht wurde, hatte er aber nicht geltend gemacht. Eine solche Ausnahme ist zwar auch dann anzunehmen, wenn sich aus den Umständen von sich aus ergibt, dass ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 3 GewSchG besteht, ohne dass sich der Antragsgegner darauf explizit berufen muss. Weder die gemeinsame elterliche Sorge noch das Umgangsrecht des Täters mit einem gemeinsamen Kind nach Trennung der Eltern rechtfertigt jedoch - ohne Hinzutreten weiterer Umstände - die Annahme eines berechtigten Interesses. Sieht sich der Antragsgegner in der Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge oder des Umgangsrechts durch einen Gewaltschutzbeschluss gehindert, so muss er dies im Verfahren geltend machen, um eine Einschränkung des Gewaltschutz-Beschlusses erreichen zu können.
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