Streitwert bei Klagen auf künftige Hausgelder bei Bestehen einer Fortgeltungsklausel
OLG Frankfurt a.M. v. 16.8.2024 - 2 W 10/24
Der Sachverhalt:
Nach dem Wirtschaftsplan der klagenden Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) für das Jahr 2023 hatte der Beklagte monatlich Vorschüsse i.H.v. 434 € für Wohngeld und Instandhaltungsrücklage ("Hausgeld") zu leisten. Der Beschluss über den Wirtschaftsplan enthielt eine Fortgeltungsklausel, nach der dieser bis zur nächsten Beschlussfassung fortgeführt wird. Der Beklagte blieb für den Zeitraum Februar bis Juli 2023 1.875 € an Hausgeld schuldig. Am 1.9.2023 wurde ein Dritter Eigentümer der Wohnung.
Die Klägerin hatte vom Beklagten bereits zuvor in ihrer am 9.8.2023 eingereichten und am 6.9.2023 zugestellten Klage Zahlung des rückständigen Hausgelds begehrt und verlangt, den Beklagten zu verpflichten, in der Zukunft monatliches Hausgeld i.H.v. 434 € bis zum Beschluss über einen neuen Wirtschaftsplan zu zahlen.
Das AG hat den Streitwert für das Verfahren, das die Parteien in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, auf 7.083 € festgesetzt. Die Beschwerdeführerin hat im eigenen Namen Beschwerde gegen die Entscheidung des AG mit dem Ziel eingelegt, den Streitwert auf 20.103 € heraufzusetzen. Sie war der Auffassung, es sei statt des einfachen der dreieinhalbfache Jahreswert festzusetzen.
Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Das LG hat sie zurückgewiesen und die weitere Beschwerde wegen einer abweichenden Auffassung zum LG Karlsruhe zugelassen. Doch auch die weitere Beschwerde der Beschwerdeführerin vor dem OLG blieb erfolglos.
Die Gründe:
Das AG hatte den Streitwert für das Verfahren zutreffend auf 7.083 € festgesetzt (§ 39 Abs. 1, § 43 Abs. 1, § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO). Als Wert des hier maßgeblichen Antrags auf Zahlung von Hausgeld i.H.v. 434 € monatlich ab August 2023 war nach der Regelung in § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO vorliegend der Jahreswert des Hausgelds festzusetzen; nicht der dreieinhalbfache Wert nach § 9 S. 1 ZPO.
Zwar hat hat das LG Karlsruhe mit Entscheidung v. 8.7.2022 (Az.: 11 T 42/22), angenommen, dass gem. § 9 S. 1 ZPO der dreieinhalbfache Jahreswert anzusetzen sei. Nach dieser Vorschrift wird der Wert des Rechts auf wiederkehrende Leistungen nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezugs berechnet. Die Gegenansicht hält § 9 ZPO allerdings für unanwendbar (KG v. 6.3.2024 - 10 W 28/24; LG Frankfurt a.M. v. 10.5.2023 - 2-13 T 25/23). Und dem folgt der Senat.
§ 9 ZPO betrifft nur solche Rechte, die ihrer Natur nach und erfahrungsgemäß eine Dauer von wenigstens 42 Monaten haben oder jedenfalls mit Rücksicht auf den Grad der Unbestimmtheit des Zeitpunkts, wann das den Wegfall des Rechts begründende Ereignis eintritt, eine solche Dauer haben können; § 9 ZPO soll nur für Rechte gelten, die ihrer Beschaffenheit nach von dauerndem Bestand sind, andernfalls gilt § 3 ZPO (vgl. BGH v. 14.12.2016 - IV ZR 477/15). Daran fehlt es jedoch bei einem Wirtschaftsplan.
Der Wirtschaftsplan ist vom Verwalter trotz Fortgeltungsklausel für das Wirtschaftsjahr neu aufzustellen und über die Vorschüsse in der jährlich einzuberufenden Eigentümerversammlung neu zu beschließen. Hieraus folgt, dass ein Wirtschaftsplan regelmäßig nicht einen Zeitraum von 42 Monaten Bestand haben wird. Im vorliegenden Fall war zudem nichts dafür ersichtlich oder vorgetragen, dass von einer jährlichen Beschlussfassung abgewichen worden war.
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Die Klägerin hatte vom Beklagten bereits zuvor in ihrer am 9.8.2023 eingereichten und am 6.9.2023 zugestellten Klage Zahlung des rückständigen Hausgelds begehrt und verlangt, den Beklagten zu verpflichten, in der Zukunft monatliches Hausgeld i.H.v. 434 € bis zum Beschluss über einen neuen Wirtschaftsplan zu zahlen.
Das AG hat den Streitwert für das Verfahren, das die Parteien in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, auf 7.083 € festgesetzt. Die Beschwerdeführerin hat im eigenen Namen Beschwerde gegen die Entscheidung des AG mit dem Ziel eingelegt, den Streitwert auf 20.103 € heraufzusetzen. Sie war der Auffassung, es sei statt des einfachen der dreieinhalbfache Jahreswert festzusetzen.
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Zwar hat hat das LG Karlsruhe mit Entscheidung v. 8.7.2022 (Az.: 11 T 42/22), angenommen, dass gem. § 9 S. 1 ZPO der dreieinhalbfache Jahreswert anzusetzen sei. Nach dieser Vorschrift wird der Wert des Rechts auf wiederkehrende Leistungen nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezugs berechnet. Die Gegenansicht hält § 9 ZPO allerdings für unanwendbar (KG v. 6.3.2024 - 10 W 28/24; LG Frankfurt a.M. v. 10.5.2023 - 2-13 T 25/23). Und dem folgt der Senat.
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Der Wirtschaftsplan ist vom Verwalter trotz Fortgeltungsklausel für das Wirtschaftsjahr neu aufzustellen und über die Vorschüsse in der jährlich einzuberufenden Eigentümerversammlung neu zu beschließen. Hieraus folgt, dass ein Wirtschaftsplan regelmäßig nicht einen Zeitraum von 42 Monaten Bestand haben wird. Im vorliegenden Fall war zudem nichts dafür ersichtlich oder vorgetragen, dass von einer jährlichen Beschlussfassung abgewichen worden war.
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