23.07.2024

Stromdiebstahl für Elektroauto durch Mieter stellt nicht zwangsläufig einen Kündigungsgrund dar

Hat ein Mieter zum Aufladen seines Elektroautos Strom aus der Allgemeinsteckdose genutzt und lag der Schaden für die Hausgemeinschaft unter 50 €, kann der Vermieter ihm nicht einfach fristlos kündigen. Vor allem nicht, wenn der Mieter auf Schadenswiedergutmachung aus ist. Unversöhnlichkeit stellt keinen Kündigungsgrund für den Vermieter dar. Denn das Kündigungsrecht dient nicht der Bestrafung der Mieter. Dafür sind allein die Strafverfolgungsbehörden zuständig.

AG Leverkusen v. 17.5.2024 - 22 C 157/23
Der Sachverhalt:
Bei den Beklagten handelt es sich um eine dreiköpfige Familie. Sie sind Mieter einer Wohnung des Klägers im ersten Obergeschoss nebst dazugehörigem Kellerraum und Parkplatz neben dem Haus. Die Beklagten hatten ihr Elektroauto mehrfach - mind. 10 Mal - über eine Allgemeinstromstreckdose des Hauses aufgeladen. Hierauf wurde der Kläger durch E-Mails mehrere Mieter aufmerksam gemacht, die sich über das Verhalten der Beklagten beschwerten. Dadurch sind zudem unbezifferte Mehrkosten für den verbrauchten Strom entstanden, der über die Position Allgemeinstrom in den Betriebskosten auf alle Mieter umgelegt wird.

Der Kläger kündigte daraufhin das Mietverhältnis 19.9.2023 fristlos. Als Grund gab er das Nutzen der Allgemeinstreckdose zum Laden des E-Fahrzeuges an. Mit demselben Schreiben kündigte er das Mietverhältnis vorsorglich fristgerecht zum nächst zulässigen Zeitpunkt. Danach erfolgte keine Nutzung der Allgemeinsteckdose mehr durch den Beklagten.

Der Kläger war der Ansicht, dass eine Fortführung des Mietverhältnisses den anderen Mietern wegen den Stromdiebstahls nicht zuzumuten sei. Die Beklagten bedauerten ihr Verhalten ausdrücklich und boten dem Vermieter an, die Mehrkosten für den Allgemeinstrom zu übernehmen, um den Hausfrieden wiederherzustellen. Zuletzt boten sie eine Schadensersatzzahlung von 600 € an. Zudem verwiesen sie darauf, dass es vor der Kündigung keine Anmahnung durch den Vermieter gegeben habe.

Das AG hat die Räumungsklage abgewiesen.

Die Gründe:
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Räumung der streitgegenständlichen Wohnung. Alle ausgesprochenen Kündigungen sind unwirksam, denn der durch die Beklagten verursachte Schaden lag hier unter 50 €. Die Beklagten haben sich wiedergutmachungsbereit gezeigt und es besteht keine Wiederholungsgefahr. Der Hausfrieden wäre damit wiederhergestellt. Ein Festhalten an der Räumungskündigung kann nur noch mit Unversöhnlichkeit begründet werden. Das ist jedoch kein Kündigungsgrund.

Die vom Kläger ausgesprochene fristlose Kündigung vom 19.9.2023 ist nicht wirksam geworden. Schließlich war keine vorherige Abmahnung erfolgt, § 543 Abs. 3 BGB. Zudem lag auch kein Kündigungsgrund vor. Zwar wird allgemein ein Kündigungsgrund bejaht, wenn ein Mieter Stromleitungen anzapft und auf diese Weise Energie verbraucht, ohne dafür zu bezahlen. Für die Wirksamkeit einer fristgerechten Kündigung ist jedoch die Schwere der Pflichtverletzung des Mieters entscheidend. Die Kündigung ist unwirksam, wenn weder die Menge des unberechtigt entnommenen Stroms noch die Dauer der Pflichtverletzung dargelegt werden.

Im vorliegenden Fall war es zweifelhaft, dass aufgrund des - unstreitigen - Stromdiebstahls eine derart schwerwiegende Störung des Hausfriedens vorlag, dass alleine dies eine fristlose Kündigung rechtfertigen konnte. Mangels konkreter Angaben zum Umfang der Ladevorgänge konnte der Schaden nur geschätzt werden. Demnach betrugen die Mehrkosten bei eingeräumten 10 Ladevorgängen zwischen 34,80 € und 42 € insgesamt. Ein solcher Schaden wegen Stromentnahme ist als gering einzustufen. Dabei orientierte sich das Gericht an der gesetzlichen Wertung von §§ 248c Abs. 3 i.V.m. 248a StGB.

Außerdem kam hinzu, dass die Beklagten überkompensatorisch angeboten hatten, 600 € als pauschalen Schadensersatz zu leisten, obgleich ein derart hoher Schaden weder plausibel war noch nachgewiesen werden konnte. Hinzu kam, dass die Beklagten von Anfang an die unbefugte Stromentnahme eingeräumt, sich entschuldigt und Wiedergutmachung angeboten hatten. Infolgedessen konnte der Hausfrieden zwar als gestört angesehen werden, jedoch nur in sehr geringfügigem Maße. Keiner der aufgebrachten Mieter hatte vom Kläger verlangt, dass den Beklagten sofort und fristlos gekündigt werden sollte. Im Übrigen dient das Kündigungsrecht nicht der Bestrafung der Mieter. Dafür sind allein die Strafverfolgungsbehörden zuständig.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | BGB
§ 573 Ordentliche Kündigung des Vermieters
Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl.

Kommentierung | BGB
§ 574 Widerspruch des Mieters gegen die Kündigung
Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl.

Rechtsprechung:
Härtefallprüfung im Räumungsverfahren
BGH vom 13.12.2022 - VIII ZR 96/22
Norbert Monschau, MietRB 2023, 65

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