14.01.2020

Testament: Abkömmlinge sind auch Enkel und Urenkel

Wird in einem Testament der Begriff "Abkömmlinge" verwendet, so beschränkt sich dessen Bedeutung nicht allein auf Kinder, sondern umfasst auch Enkel, Urenkel usw. Dies ergibt sich bereits aus dem Gesetz (§ 1924 BGB).

OLG Oldenburg v. 11.9.2019 - 3 U 24/18
Der Sachverhalt:
Die Eltern der Klägerin setzten sich in einem notariellen Testament gegenseitig zu Alleinerben ein. Erben des Letztversterbenden sollten "unsere gemeinschaftlichen Abkömmlinge zu gleichen Anteilen" sein. Der Überlebende sollte allerdings auch die Erbfolge "unter den gemeinschaftlichen Abkömmlingen abändern" können. Tatsächlich setzte die ihren Ehemann überlebende Ehefrau in einem zweiten Testament ihre eine Tochter und deren Sohn (die Beklagten) zu ihren Erben ein.

Die andere Tochter (Klägerin) hält dies für nicht möglich. Die Eheleute hätten verfügt, nur die "gemeinschaftlichen Abkömmlinge" könnten als Eben eingesetzt werden. Unter den gemeinschaftlichen Abkömmlingen seien aber nur die gemeinsamen Kinder zu verstehen. Eine Erbeinsetzung des Enkelsohns sei nicht möglich. Deswegen sei die Erbeinsetzung der überlebenden Ehefrau unwirksam. Erben seien - nach dem ersten, gemeinsamen Testament - daher weiterhin alle Kinder der Eheleute.

Das LG gab der Klage statt. Erben seien die gemeinsamen Kinder der Eheleute geworden. Die Einsetzung des Enkelsohns durch die Ehefrau sei nach dem gemeinsamen Testament nicht möglich gewesen. Auf die Berufung der Beklagten änderte das OLG das Urteil ab und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Das Testament der Ehefrau ist wirksam. Sie durfte auch den Enkel einsetzen. Das Wort "Abkömmlinge" ist nicht allein auf Kinder beschränkt. "Abkömmlinge" heißt auch Enkel, Urenkel usw. Dies ergibt sich bereits aus dem Gesetz (§ 1924 BGB). Wären nur die Kinder gemeint gewesen, hätten die Eheleute auch den Begriff "Kinder" gewählt.

Es erscheint auch plausibel, dass die Eheleute alle ihre zum Zeitpunkt des Erbfalls lebenden Abkömmlinge - ob Kinder, Enkel oder Urenkel - gleichbehandeln wollten. Denn häufig haben die eigenen Kinder beim Versterben der Eltern bereits eine gefestigte Lebensstellung, während die Enkel und ggf. die Urenkel sich noch ihr eigenes Lebensumfeld schaffen müssen und eher finanzielle Unterstützung nötig haben. Es ist auch nachvollziehbar, dass die Eheleute alle Abkömmlinge gleich behandeln wollten und der Umfang des Erbes der einzelnen Enkelkinder nicht davon abhängen sollte, ob ihre Eltern noch leben und wie viele Geschwister sie jeweils haben.
OLG Oldenburg PM vom 9.1.2020
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