Übermittlung der Beschwerdeschrift durch den Rechtsanwalt als elektronisches Dokument
BGH v. 7.12.2022 - XII ZB 200/22
Der Sachverhalt:
Die Kindesmutter (Beteiligte zu 2) wendet sich gegen die Verwerfung ihrer Beschwerde in einem Verfahren betreffend die elterliche Sorge für ihr Kind S. Mit einem ihrem erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten am 17.1.2022 zugestellten Beschluss entzog das AG der Kindesmutter Teile der elterlichen Sorge für S und übertrug diese auf das beteiligte Jugendamt als Ergänzungspfleger. Hiergegen legte der zweitinstanzliche Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter mit am 1.2.2022, am 2.2.2022 und am 2.3.2022 per Post beim AG eingegangenen Schriftsätzen wiederholt Beschwerde ein. Die Beschwerdeschrift und die Verfahrensakten gingen am 17.3.2022 beim OLG ein.
Das OLG verwarf die Beschwerde, nachdem es darauf hingewiesen hatte, dass die Beschwerdeschrift innerhalb der am 17.2.2022 abgelaufenen Beschwerdefrist als elektronisches Dokument einzureichen gewesen wäre, und hierauf keine Reaktion erfolgt war. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Kindesmutter hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG hat zu Recht angenommen, dass innerhalb der mit Ablauf des 17.2.2022 endenden Beschwerdefrist (§ 63 Abs. 1 FamFG) keine formwirksame Beschwerde eingegangen ist, weil der Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter die Beschwerdeschrift nicht in der gem. § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG erforderlichen elektronischen Form eingereicht hat.
Nach § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG sind bei Gericht schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen durch einen Rechtsanwalt, durch einen Notar, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse als elektronisches Dokument zu übermitteln. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab dem 1.1.2022 für den in der Bestimmung bezeichneten Personenkreis eine aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs für bei Gericht schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen geschaffen. Die Beschwerdeeinlegung nach § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG wird vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift erfasst.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ergibt sich nichts Anderes daraus, dass nach § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG die Beschwerde außer in Ehe- und Familienstreitsachen (§ 64 Abs. 2 Satz 2 FamFG) sowie in Folgesachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht nur durch Einreichung einer Beschwerdeschrift, sondern auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt werden kann. Die Vorschrift trägt mit dieser zusätzlichen Form der Beschwerdeeinlegung dem Umstand Rechnung, dass in den meisten Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kein Anwaltszwang besteht und die Beteiligten daher das Verfahren selbst führen können. Durch die Möglichkeit, die Beschwerde auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen, soll anwaltlich nicht vertretenen Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit eines erleichterten Zugangs zu den Rechtsmittelgerichten gewährt werden, um den Rechtsschutz für rechtsunkundige oder schreibungewandte Beteiligte zu wahren.
§ 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG räumt daher dem Verfahrensbeteiligten ein Wahlrecht ein. Entscheidet er sich aber dafür, die Beschwerde schriftlich einzureichen, muss die Beschwerdeschrift wie schon § 64 Abs. 2 Satz 3 und 4 FamFG zeigen den gesetzlich vorgesehenen Formerfordernissen entsprechen, zu denen auch § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG zählt. Daher ist ein Rechtsanwalt seit dem 1.1.2022 zur Übermittlung einer Beschwerdeschrift als elektronisches Dokument i.S.v. § 130 a ZPO verpflichtet, wenn die Beschwerde wie hier nicht zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt wird. Das OLG hat daher zu Recht angenommen, dass die Kindesmutter innerhalb der Beschwerdefrist (§ 63 Abs. 1 FamFG) keine formwirksame Beschwerde eingelegt hat.
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Die Kindesmutter (Beteiligte zu 2) wendet sich gegen die Verwerfung ihrer Beschwerde in einem Verfahren betreffend die elterliche Sorge für ihr Kind S. Mit einem ihrem erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten am 17.1.2022 zugestellten Beschluss entzog das AG der Kindesmutter Teile der elterlichen Sorge für S und übertrug diese auf das beteiligte Jugendamt als Ergänzungspfleger. Hiergegen legte der zweitinstanzliche Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter mit am 1.2.2022, am 2.2.2022 und am 2.3.2022 per Post beim AG eingegangenen Schriftsätzen wiederholt Beschwerde ein. Die Beschwerdeschrift und die Verfahrensakten gingen am 17.3.2022 beim OLG ein.
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