09.02.2022

Und ewig grüßt die Stolperfalle vor dem Supermarkt

Nach aktueller obergerichtlicher Rechtsprechung sind im Regelfall plötzliche Niveauunterschiede des Bodenbelages bzw. Abbruchkanten im Bodenbelag von 2 bis 3 cm hinzunehmen. Insoweit handelt es sich zwar nicht um eine starre und unverrückbare Grenze, sondern vielmehr um eine Richtgröße, die im Einzelfall anhand der besonderen Umstände des Streitfalls zu überprüfen und anzupassen ist.

OLG Zweibrücken v. 26.1.2022 - 1 U 209/20
Der Sachverhalt:
Die Beklagte betreibt ein Einkaufscenter. Die Klägerin tätigte dort am späten Nachmittag des Unfalltages mit ihrem Ehemann Einkäufe. Beim Verlassen des Pfalzcenters stürzte sie im Ein- und Ausgangsbereich auf dem Weg in Richtung der Parkplätze. Sie behauptete, im Eingangsbereich habe sich eine Abdeckung für ein Stromkabel befunden, das den dort stehenden Imbisswagen mit Strom versorgt habe. Die Gummiabdeckung habe sich an einer Stelle gelöst und wie eine Schlaufe nach oben gestanden. In diese Schlaufe sei sie hereingetreten und infolge dessen gestürzt. Die Folge war eine komplizierte Ellenbogenluxationsfraktur am rechten Arm. Die Klägerin muss auf Dauer mit einer 16 cm langen Operationsnarbe leben.

Die Beklagte behauptete, im Eingangsbereich habe sich kein Stromkabel befunden. Die Stromversorgung des Imbisswagens sei über einen hinter dem Imbisswagen stehenden Verteilerkasten mit Strom versorgt worden. Im streitgegenständlichen Bereich habe sich lediglich die Abdichtung einer Dehnungsfuge befunden. Diese war an einer Stelle minimal gelöst. Eine Öse oder Schlaufe sei allerdings nicht entstanden. Die Klägerin habe die Abdeckung erkennen müssen, weil sich diese sehr stark vom Bodenbelag unterschieden habe.

Das LG hat der Klage auf Schmerzensgeld i.H.v. 17.500 € stattgegeben. Die hiergegen gerichteten Berufungen der Parteien blieben vor dem OLG erfolglos.

Die Gründe:
Die schwere Ellenbogenverletzung, der langwierige und komplizierte Heilungsverlauf und die bei der Klägerin zurückbleibenden Schäden rechtfertigen den erstinstanzlich ausgeurteilten Schmerzensgeldbetrag. Dieser fügt sich der Judikatur zu vergleichbaren Verletzungen und Verletzungsfolgen ein.

Der Senat nimmt insoweit konkret Bezug auf die Entscheidungen des OLG Dresden vom 10.12.2004 (Az. 1 U 1399/04), des OLG Saarbrücken vom 18.10.2011 (Az. 4 U 400/10), des OLG München vom 16.2.2012 (Az. 1 U 1030/11), des OLG Frankfurt vom 14.1.2019 (Az. 29 U 69/17) sowie des OLG Hamburg vom 8.11.2019 (Az. 1 U 155/18). Ein nicht nur zögerliches, sondern ungebührliches Regulierungsverhalten, das sich schmerzensgelderhöhend auswirken könnte, vermag der Senat schon deshalb nicht zu erkennen, weil bereits die Haftung dem Grunde nach - dies nicht in schlechterdings nicht mehr nachvollziehbarer Weise - beklagtenseits in Abrede gestellt worden ist.

Die Berufung der Beklagten hat ebenfalls keinen Erfolg. Die Vorinstanz hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin auf dem Gehweg zwischen dem Markt und den Parkplätzen an einer quer liegenden, allerdings z.T. wellig hochstehenden Abdeckung hängengeblieben und deshalb gestürzt war. Dass es sich bei dem Hochstehenden nicht (nur) um einen kleinen Streifen gehandelt hatte, wie dies die Beklagte behauptete, vielmehr das Gummiband wellenförmig an mehreren Stellen im Bereich des Gehweges hoch stand, hat die Klägerin voll bewiesen. Infolgedessen ist von einer Verletzung der vertraglichen Nebenpflichten sowie von Verkehrssicherungspflichten von Mitarbeitern der Beklagten auszugehen, die zum Unfall und zur Verletzung der Klägerin führten.

Nach aktueller obergerichtlicher Rechtsprechung sind im Regelfall plötzliche Niveauunterschiede des Bodenbelages bzw. Abbruchkanten im Bodenbelag von 2 bis 3 cm hinzunehmen. Insoweit handelt es sich zwar nicht um eine starre und unverrückbare Grenze, sondern vielmehr um eine Richtgröße, die im Einzelfall anhand der besonderen Umstände des Streitfalls zu überprüfen und anzupassen ist. Einerseits kann eine Haftung bereits bei geringeren Höhenunterschieden in Betracht kommen, so etwa bei Stolperstellen in Fußgängerzonen mit entsprechender Ablenkungswirkung für den Fußgängerverkehr. Andererseits kann auch bei größeren Höhendifferenzen die Annahme des Haftungsgrundes zu verneinen sein, namentlich bei einem Wechsel des Bodenbelags insbesondere an den Schnittstellen zwischen Innenbereichen und Außenbereichen. Im Streitfall war allerdings auf dem Zugangsweg zum und vom Einkaufsmarkt nicht mit erheblichen Stolperfallen zu rechnen.

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