Unterhaltsabänderungsverfahren: Wer darf das Kind vertreten und wer nicht?
OLG Hamburg v. 12.10.2023 - 12 UF 81/23
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten sind die nicht verheirateten Eltern eines 15-jährigen Mädchens. Sie sind gemeinsam sorgeberechtigt. Der Lebensmittelpunkt des Kindes lag ursprünglich bei der Mutter. Der Vater hat sich zunächst in einer vollstreckbaren Urkunde dazu verpflichtet, an die gemeinsame Tochter einen Kindesunterhalt i.H.v. 105% des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe zu zahlen. Inzwischen hat der Vater wesentliche Teile der Betreuung übernommen. Dies führte zu einer Herabsetzung des Unterhalts auf den Mindestunterhalt. Ob die Eltern ein symmetrisches Wechselmodell leben, ist zwischen ihnen umstritten.
Der Vater hat gegen die Tochter ein Unterhaltsabänderungsverfahren rechtshängig gemacht. Das AG hat am 8.6.2023 im Wege der einstweiligen Anordnung für die Tochter eine Ergänzungspflegschaft mit dem Wirkungskreis Vertretung im Unterhaltsverfahren eingerichtet. Keiner der Eltern sei gem. §§ 1629 Abs. 2 S. 2, 1824 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB vertretungsbefugt. Die Eltern führten ein symmetrisches Wechselmodell. Gegen diese Entscheidung wandte sich die Mutter mit ihrer Beschwerde. Sie war der Ansicht, dass die Beteiligten kein symmetrisches Wechselmodell führten.
Das OLG hat die Ergänzungspflegschaft aufgehoben und das Verfahren eingestellt.
Die Gründe:
Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft für die gemeinsame Tochter lagen hier nicht vor.
Die Mutter ist im rechtshängigen Unterhaltsverfahren für ihre Tochter allein vertretungsberechtigt. Zwar steht den Eltern das gemeinsame Sorgerecht gem. § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB zu. Der Vater ist jedoch aufgrund der Einleitung des Unterhaltsabänderungsverfahrens gem. §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 2, 181 BGB gegenüber seiner Tochter in diesem Verfahren nicht mehr vertretungsberechtigt. Nach § 1629 Abs. 2 S. 1 BGB können der Vater und die Mutter das Kind insoweit nicht vertreten, als nach § 1824 BGB ein Betreuer von der Vertretung des Betreuten ausgeschlossen ist. Gem. § 1824 Abs. 2 bleibt § 181 BGB unberührt. Danach kann ein Vertreter im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen.
Zwar findet § 181 BGB auf Prozesshandlungen grundsätzlich keine direkte Anwendung. Es gilt insoweit aber der allgemein anerkannte Rechtsgedanke, dass in einem Prozess niemand auf beiden Seiten Partei sein kann. Dies wäre vorliegend der Fall, da der nach dem Titel zur Unterhaltszahlung verpflichtete Vater seine Tochter, vertreten durch sich selbst und ihre Mutter, auf Herabsetzung des Titels in Anspruch nimmt. Seine Klagerhebung führt zu einem Ausschluss seiner Vertretungsmacht für seine Tochter.
Der Ausschluss des Vaters von der Vertretungsmacht hat nicht zur Folge, dass die Mutter ebenfalls nicht mehr vertretungsberechtigt ist. Früher wurde - insbesondere im Vaterschaftsanfechtungsprozess - vertreten, dass bei einer gemeinsamen elterlichen Sorge der Eltern und bei einem Ausschluss des rechtlichen Vaters von der Vertretung die elterliche Sorge nicht bei der Mutter anwächst, so dass für das im Verfahren beteiligte Kind ein Ergänzungspfleger zu bestellen war. Diese Rechtsprechung hat der BGH inzwischen aufgegeben (BGH, B. v. 24.3.2021 - XII ZB 364/19, FamRZ 2021, 1127). Die Mutter ist nur dann von der Vertretung ausgeschlossen, wenn in ihrer Person ein eigenes Vertretungshindernis besteht. Dies war hier nicht der Fall, denn die Eltern sind nicht miteinander verheiratet, so dass eine Anwendung von §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 1 Nr. 1, 3 BGB ausschied.
Mehr zum Thema:
Kommentierung | BGB
§ 1684 Umgang des Kindes mit den Eltern
Döll in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023
Kommentierung | FamFG
§ 89 Ordnungsmittel
Hammer in Prütting/Helms, FamFG, Kommentar, 6. Aufl. 2023
6. Aufl./Lfg. 09.2022
Aktionsmodul Familienrecht:
Online-Unterhaltsrechner mit jeweils den aktuellen Werten der Düsseldorfer Tabelle. Top Inhalte online: FamRZ und FamRZ-Buchreihe von Gieseking, FamRB von Otto Schmidt, "Gerhardt" von Wolters Kluwer und vielen Standardwerken. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO: Für Fachanwälte mit Beiträgen zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!
Landesrecht Hamburg
Die Beteiligten sind die nicht verheirateten Eltern eines 15-jährigen Mädchens. Sie sind gemeinsam sorgeberechtigt. Der Lebensmittelpunkt des Kindes lag ursprünglich bei der Mutter. Der Vater hat sich zunächst in einer vollstreckbaren Urkunde dazu verpflichtet, an die gemeinsame Tochter einen Kindesunterhalt i.H.v. 105% des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe zu zahlen. Inzwischen hat der Vater wesentliche Teile der Betreuung übernommen. Dies führte zu einer Herabsetzung des Unterhalts auf den Mindestunterhalt. Ob die Eltern ein symmetrisches Wechselmodell leben, ist zwischen ihnen umstritten.
Der Vater hat gegen die Tochter ein Unterhaltsabänderungsverfahren rechtshängig gemacht. Das AG hat am 8.6.2023 im Wege der einstweiligen Anordnung für die Tochter eine Ergänzungspflegschaft mit dem Wirkungskreis Vertretung im Unterhaltsverfahren eingerichtet. Keiner der Eltern sei gem. §§ 1629 Abs. 2 S. 2, 1824 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB vertretungsbefugt. Die Eltern führten ein symmetrisches Wechselmodell. Gegen diese Entscheidung wandte sich die Mutter mit ihrer Beschwerde. Sie war der Ansicht, dass die Beteiligten kein symmetrisches Wechselmodell führten.
Das OLG hat die Ergänzungspflegschaft aufgehoben und das Verfahren eingestellt.
Die Gründe:
Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft für die gemeinsame Tochter lagen hier nicht vor.
Die Mutter ist im rechtshängigen Unterhaltsverfahren für ihre Tochter allein vertretungsberechtigt. Zwar steht den Eltern das gemeinsame Sorgerecht gem. § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB zu. Der Vater ist jedoch aufgrund der Einleitung des Unterhaltsabänderungsverfahrens gem. §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 2, 181 BGB gegenüber seiner Tochter in diesem Verfahren nicht mehr vertretungsberechtigt. Nach § 1629 Abs. 2 S. 1 BGB können der Vater und die Mutter das Kind insoweit nicht vertreten, als nach § 1824 BGB ein Betreuer von der Vertretung des Betreuten ausgeschlossen ist. Gem. § 1824 Abs. 2 bleibt § 181 BGB unberührt. Danach kann ein Vertreter im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen.
Zwar findet § 181 BGB auf Prozesshandlungen grundsätzlich keine direkte Anwendung. Es gilt insoweit aber der allgemein anerkannte Rechtsgedanke, dass in einem Prozess niemand auf beiden Seiten Partei sein kann. Dies wäre vorliegend der Fall, da der nach dem Titel zur Unterhaltszahlung verpflichtete Vater seine Tochter, vertreten durch sich selbst und ihre Mutter, auf Herabsetzung des Titels in Anspruch nimmt. Seine Klagerhebung führt zu einem Ausschluss seiner Vertretungsmacht für seine Tochter.
Der Ausschluss des Vaters von der Vertretungsmacht hat nicht zur Folge, dass die Mutter ebenfalls nicht mehr vertretungsberechtigt ist. Früher wurde - insbesondere im Vaterschaftsanfechtungsprozess - vertreten, dass bei einer gemeinsamen elterlichen Sorge der Eltern und bei einem Ausschluss des rechtlichen Vaters von der Vertretung die elterliche Sorge nicht bei der Mutter anwächst, so dass für das im Verfahren beteiligte Kind ein Ergänzungspfleger zu bestellen war. Diese Rechtsprechung hat der BGH inzwischen aufgegeben (BGH, B. v. 24.3.2021 - XII ZB 364/19, FamRZ 2021, 1127). Die Mutter ist nur dann von der Vertretung ausgeschlossen, wenn in ihrer Person ein eigenes Vertretungshindernis besteht. Dies war hier nicht der Fall, denn die Eltern sind nicht miteinander verheiratet, so dass eine Anwendung von §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 1 Nr. 1, 3 BGB ausschied.
Kommentierung | BGB
§ 1684 Umgang des Kindes mit den Eltern
Döll in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023
Kommentierung | FamFG
§ 89 Ordnungsmittel
Hammer in Prütting/Helms, FamFG, Kommentar, 6. Aufl. 2023
6. Aufl./Lfg. 09.2022
Aktionsmodul Familienrecht:
Online-Unterhaltsrechner mit jeweils den aktuellen Werten der Düsseldorfer Tabelle. Top Inhalte online: FamRZ und FamRZ-Buchreihe von Gieseking, FamRB von Otto Schmidt, "Gerhardt" von Wolters Kluwer und vielen Standardwerken. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO: Für Fachanwälte mit Beiträgen zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!