Unterlassene Gefahrenbremsung kann Schadensersatz verringern
LG Nürnberg-Fürth v. 20.3.2025, 8 O 4305/24
Der Sachverhalt:
Im August 2023 gegen 13:10 Uhr war der Kläger mit seinem Pkw Opel Astra 1.6 d auf der A 73 in Fahrtrichtung Suhl unterwegs. Zum selben Zeitpunkt befuhr der Beklagte zu 2) mit der auf die Beklagte zu 1) zugelassenen Scania Zugmaschine mit Anhänger, die bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert war die A73 in gleicher Fahrtrichtung. Dabei kam es zu einer Streifkollision der Fahrzeuge. Unstreitig war zuletzt, dass die Kollision bei einem Fahrstreifenwechsel des Beklagtenfahrzeuges vom linken Fahrstreifen auf den mittleren Fahrstreifen erfolgte. Die Einzelheiten blieben jedoch streitig. In der Folge gab der Kläger ein Schadensgutachten in Auftrag. Darin wurden Netto-Reparaturkosten i.H.v. 8.449 € und eine Wertminderung von 400 € ermittelt. Für das Gutachten stellte der Sachverständige dem Kläger 1.349 € brutto in Rechnung.
Der Kläger forderte rund 10.223 € Schadensersatz und behauptete, dass das Beklagtenfahrzeug die Spur gewechselt habe, als er sich auf dessen Höhe befunden habe. Der Spurwechsel sei in etwa gleichzeitig mit dem Blinkersetzen erfolgt, sodass der Kläger keine Möglichkeit gehabt habe, den Unfall zu verhindern. Er selbst habe dann versucht, "nach vorne weg zu kommen. Die Beklagten behaupteten, der Spurwechsel sei rechtzeitig angekündigt worden. Unfallursächlich sei gewesen, dass der Kläger sich sehr schnell von hinten angenähert habe.
Das LG gab der Klage weitestgehend statt.
Die Gründe:
Der Kläger kann Schadensersatz auf Grundlage einer 80%-igen Haftungsquote ersetzt verlangen. Einzelne Schadens-Positionen waren zu kürzen.
Der gerichtlich bestellte Sachverständige konnte ausschließen, dass das Klägerfahrzeug im Moment des Anstoßes mit einer deutlich höheren Geschwindigkeit rechts an dem Beklagtenfahrzeug vorbeigefahren war. Dass er auf das Blinken des Beklagtenfahrzeuges mit Gasgeben reagiert hatte, hat der Kläger selbst eingeräumt. Aufgrund der Gesamtbewertung aller Umstände haften die Beklagte gesamtschuldnerisch zu 80% für die dem Kläger entstandenen Schäden. Zu berücksichtigen war dabei insbesondere, dass der Beklagte zu 2) den Fahrstreifenwechsel nicht rechtzeitig angekündigt und damit gegen § 7 Abs. 5 StVO verstoßen hatte.
Auf der anderen Seite war allerdings zu sehen, dass der Kläger inadäquat auf die konkrete Situation reagiert hatte: Anstatt eine Gefahrenbremsung einzuleiten, hatte er seinen Pkw beschleunigt. Auch wenn aufgrund fehlender Anknüpfungstatsachen nicht mit Sicherheit hat festgestellt werden können, ob eine solche Gefahrenbremsung den Unfall letztlich verhindert hätte - der Sachverständige hat insofern lediglich feststellen können, dass nicht ausgeschlossen sei, dass der Kläger die Kollision durch eine starke Verzögerung hätte vermeiden können - war das konkrete Fahrverhalten des Klägers als abstrakt gefährlich anzusehen.
Im vorderen Bereich eines auf eine benachbarte Fahrbahn ziehenden Fahrzeuges verengt sich diese als erstes. Hinzu kam hier, dass sich nach dem übereinstimmenden Parteivortrag vor den Fahrzeugen der Parteien der Verkehr gestaut hatte. Damit musste der Kläger mit erhöhtem Fahrstreifenwechsel der vorausfahrenden Pkws rechnen. Im Gegensatz dazu durfte der Kläger davon ausgehen, dass andere Verkehrsteilnehmer ausreichende Sicherheitsabstände wahrten, sodass er eine Gefahrenbremsung hätte vornehmen können. Aufgrund des konkreten Unfallgeschehens trat damit die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges nicht vollständig hinter den Fahrfehler des Beklagten zu 2) zurück.
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Bayern.Recht
Im August 2023 gegen 13:10 Uhr war der Kläger mit seinem Pkw Opel Astra 1.6 d auf der A 73 in Fahrtrichtung Suhl unterwegs. Zum selben Zeitpunkt befuhr der Beklagte zu 2) mit der auf die Beklagte zu 1) zugelassenen Scania Zugmaschine mit Anhänger, die bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert war die A73 in gleicher Fahrtrichtung. Dabei kam es zu einer Streifkollision der Fahrzeuge. Unstreitig war zuletzt, dass die Kollision bei einem Fahrstreifenwechsel des Beklagtenfahrzeuges vom linken Fahrstreifen auf den mittleren Fahrstreifen erfolgte. Die Einzelheiten blieben jedoch streitig. In der Folge gab der Kläger ein Schadensgutachten in Auftrag. Darin wurden Netto-Reparaturkosten i.H.v. 8.449 € und eine Wertminderung von 400 € ermittelt. Für das Gutachten stellte der Sachverständige dem Kläger 1.349 € brutto in Rechnung.
Der Kläger forderte rund 10.223 € Schadensersatz und behauptete, dass das Beklagtenfahrzeug die Spur gewechselt habe, als er sich auf dessen Höhe befunden habe. Der Spurwechsel sei in etwa gleichzeitig mit dem Blinkersetzen erfolgt, sodass der Kläger keine Möglichkeit gehabt habe, den Unfall zu verhindern. Er selbst habe dann versucht, "nach vorne weg zu kommen. Die Beklagten behaupteten, der Spurwechsel sei rechtzeitig angekündigt worden. Unfallursächlich sei gewesen, dass der Kläger sich sehr schnell von hinten angenähert habe.
Das LG gab der Klage weitestgehend statt.
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Der gerichtlich bestellte Sachverständige konnte ausschließen, dass das Klägerfahrzeug im Moment des Anstoßes mit einer deutlich höheren Geschwindigkeit rechts an dem Beklagtenfahrzeug vorbeigefahren war. Dass er auf das Blinken des Beklagtenfahrzeuges mit Gasgeben reagiert hatte, hat der Kläger selbst eingeräumt. Aufgrund der Gesamtbewertung aller Umstände haften die Beklagte gesamtschuldnerisch zu 80% für die dem Kläger entstandenen Schäden. Zu berücksichtigen war dabei insbesondere, dass der Beklagte zu 2) den Fahrstreifenwechsel nicht rechtzeitig angekündigt und damit gegen § 7 Abs. 5 StVO verstoßen hatte.
Auf der anderen Seite war allerdings zu sehen, dass der Kläger inadäquat auf die konkrete Situation reagiert hatte: Anstatt eine Gefahrenbremsung einzuleiten, hatte er seinen Pkw beschleunigt. Auch wenn aufgrund fehlender Anknüpfungstatsachen nicht mit Sicherheit hat festgestellt werden können, ob eine solche Gefahrenbremsung den Unfall letztlich verhindert hätte - der Sachverständige hat insofern lediglich feststellen können, dass nicht ausgeschlossen sei, dass der Kläger die Kollision durch eine starke Verzögerung hätte vermeiden können - war das konkrete Fahrverhalten des Klägers als abstrakt gefährlich anzusehen.
Im vorderen Bereich eines auf eine benachbarte Fahrbahn ziehenden Fahrzeuges verengt sich diese als erstes. Hinzu kam hier, dass sich nach dem übereinstimmenden Parteivortrag vor den Fahrzeugen der Parteien der Verkehr gestaut hatte. Damit musste der Kläger mit erhöhtem Fahrstreifenwechsel der vorausfahrenden Pkws rechnen. Im Gegensatz dazu durfte der Kläger davon ausgehen, dass andere Verkehrsteilnehmer ausreichende Sicherheitsabstände wahrten, sodass er eine Gefahrenbremsung hätte vornehmen können. Aufgrund des konkreten Unfallgeschehens trat damit die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges nicht vollständig hinter den Fahrfehler des Beklagten zu 2) zurück.
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