29.04.2020

Unwirksame Kündigung wegen gewinnbringender Umsetzung eines Neubauvorhabens

Stützt der Vermieter seine Kündigung allein auf den größeren wirtschaftlichen Vorteil im Sinne eines Mehrerlöses von 2.500 € geht das Bestandsinteresse des Mieters, in der bisherigen Wohnung als seinem Lebensmittelpunkt zu verbleiben, dem Verwertungsinteresses des Vermieters in der Regel vor. Dies gilt insbesondere, wenn der Mietvertrag seit über 10 Jahren läuft und der Mieter in der Wohnung seinen Lebens- und Berufsmittelpunkt hat.

LG Oldenburg v. 26.11.2019 - 16 S 328/18
Der Sachverhalt:
Die Beklagte hatte von der damaligen Eigentümerin eine Erdgeschosswohnung in Hude zu Wohnzwecken und zum Betrieb einer Heilpraktiker-Praxis angemietet. Die Wohnung wurde im Jahre 2006/2007 vollständig mit einer Wärmeisolation versehen. Zudem wurden Bad sowie WC erneuert und die Böden der Wohnung ausgewechselt.

Die Klägerin, die ein Bauunternehmen und eine Zimmerei betreibt, erwarb im Jahr 2017 das Hausgrundstück. Mit Schreiben vom 28.7.2017 kündigte sie Klägerin Beklagten das Mietverhältnis zum 30.4.2018. Sieteilte mit, dass sie beabsichtige, das Wohnhaus abzureißen und durch ein Mehrfamilienhaus mit mindestens acht Wohneinheiten zu ersetzen. Die Klägerin führte weiterhin aus, dass dabei voraussichtlich monatliche Erlöse von 3.500 € erzielt werden könnten, wobei die monatlichen Erträge aktuell bei 1.000 € lägen. Die Beklagte widersprach der Kündigung fristgemäß und verlangte die Fortsetzung des Mietverhältnisses.

Das AG gab der Räumungsklage statt. Auf die Berufung der Beklagten hob das LG die Entscheidung auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Räumung, da das Mietverhältnis nicht durch die Kündigung beendet worden war.

Zum einen ist schon zweifelhaft, ob dem Begründungserfordernis für eine ordentliche Kündigung ausreichend Rechnung getragen wurde, da die Kündigung nur sehr oberflächlich damit begründet worden war, dass ein neues Mehrfamilienhaus mit mehr Wohneinheiten errichtet werden soll und der monatliche Erlös um 2.500 € gesteigert werden könne. Letztlich scheiterte die Kündigung jedoch daran, dass die Kammer in dem Fortbestand des Mietvertrages keinen erheblichen Nachteil für den Eigentümer sehen konnte. Vielmehr kam sie zum dem Schluss, dass das Bestandsinteresse des Mieters, in der bisherigen Wohnung als seinem Lebensmittelpunkt zu verbleiben, dem Verwertungsinteresses des Vermieters vorgeht.

Dass ein Fortbestand des jetzigen Mietobjekts unwirtschaftlich sei, konnte das Gericht nicht feststellen. Denn dem Bestand des Mietverhältnisses stand lediglich eine Gewinnoptimierung von monatlich 2.500 € entgegen, wobei insoweit zu berücksichtigen war, dass die Klägerin nach eigenem Vortrag zuvor noch zwei Millionen Euro investieren wollte. Dies war für die Kammer jedoch aus Renditegesichtspunkten wirtschaftlich nur schwer nachvollziehbar. Die Tatsache, dass die Klägerin das Haus zum Zwecke der Errichtung eines Neubaus erworben hatte, war nicht von entscheidender Bedeutung. Schließlich hatte sie den Kauf in der Kenntnis getätigt, dass das Haus vermietet war und dieses Risiko bewusst in Kauf genommen.

Demgegenüber war auf Mieterseite zu berücksichtigen, dass der Mietvertrag seit über 10 Jahren läuft und die Mieterin dort einen gefestigten Lebensmittelpunkt hat. Erschwerend wirkte, dass die Kündigung unmittelbar auch auf die berufliche Existenz der Mieterin Auswirkungen hat, da sie entsprechend der ausdrücklichen Vereinbarungen in den Räumlichkeiten ihre Heilpraktiker-Praxis unterhält und damit ihren Lebensunterhalt bestreitet. Dies lässt ein Verlassen der jetzigen Räumlichkeiten noch gravierender erscheinen. Dies gilt umso mehr, als dass angemessene Räumlichkeiten, die sowohl für Wohnzwecke als auch für die berufliche Tätigkeit geeignet sind, schwer zu finden sind. Und schließlich hat die Mieterin ein nachvollziehbares Interesse daran, in der Nähe ihres bisherigen Patientenstammes zu bleiben.
PM des LG Oldenburg vom 29.4.2020
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