19.08.2022

Unzulässiger Antrag auf Versagung der Vollstreckung nach der Brüssel Ia-Verordnung

Ein Antrag auf Versagung der Vollstreckung nach der Brüssel Ia-Verordnung ist unzulässig, wenn der Gläubiger aus einer als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigten Entscheidung gegen den Schuldner vorgeht.

BGH v. 7.7.2022 - IX ZB 38/21
Der Sachverhalt:
Die Antragsgegner nahmen den in Deutschland wohnhaften Antragsteller in Österreich vor dem Bezirksgericht Graz-Ost auf Zahlung eines Rechtsanwaltshonorars i.H.v. rd. 2.100 € in Anspruch. Der Antragsteller erhob die Einrede der fehlenden internationalen Zuständigkeit. Das Bezirksgericht wies die Klage aufgrund der Einrede zunächst zurück. Auf Rekurs der Antragsgegner verwarf das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz mit Beschluss vom 6.6.2019 die Einrede der fehlenden internationalen Zuständigkeit und erlegte dem Antragsteller die Kosten einer Äußerung der Antragsgegner sowie des Rekurses auf. Mit Versäumungsurteil vom 21.11.2019 wurde der Antragsteller vom Bezirksgericht antragsgemäß zur Zahlung des Rechtsanwaltshonorars verurteilt. Sowohl der Beschluss des Landesgerichts vom 6.6.2019 als auch das Versäumungsurteil des Bezirksgerichts vom 21.11.2019 wurden als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt. Aus den als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigten Entscheidungen betreiben die Antragsgegner in Deutschland die Zwangsvollstreckung gegen den Antragsteller.

Der Antragsteller beantragte beim LG die Versagung der Vollstreckung gem. den Art. 46 ff Brüssel Ia-VO hinsichtlich beider Entscheidungen. Das LG wies den Antrag im Blick auf das Versäumungsurteil als unbegründet zurück. Den Antrag auf Versagung der Vollstreckung aus dem Beschluss des LG vom 6.6.2019 hat es nicht beschieden. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er weiterhin auch die Versagung der Vollstreckung hinsichtlich des Beschlusses des Landesgerichts vom 6.6.2019 begehrte, hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers hatte vor dem BGH ebenfalls keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Antragsgegner betreiben die Zwangsvollstreckung aus der als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigten Entscheidung (hier: Versäumungsurteil vom 21.11.2019). Der Antragsteller ist daher auf die insoweit bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkt. Im Vollstreckungsstaat zählen dazu insbesondere die Anträge auf Verweigerung, Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung nach Art. 21 und 23 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (EuVTVO). Für die Anträge nach Art. 21 und 23 EuVTVO ist in Deutschland das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht ausschließlich zuständig (§ 1084 Abs. 1 ZPO).

Die EuVTVO bietet ein in sich geschlossenes Rechtsschutzsystem, das auf Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden zugeschnitten ist, die als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden sind. Vorbehaltlich der im nationalen Recht des Vollstreckungsstaats wurzelnden und nicht durch Sonderregelungen der EuVTVO ausgeschlossenen Rechtsbehelfe ist der Schuldner daher auf die der EuVTVO zu entnehmenden Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkt, wenn der Gläubiger aufgrund des Europäischen Vollstreckungstitels gegen ihn vorgeht. Dazu gehört auch die Möglichkeit, im Ursprungsstaat die Berichtigung oder den Widerruf der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel zu beantragen (Art. 10 EuVTVO). Die im Vergleich zur Brüssel Ia-Verordnung beschränkten Rechtsschutzmöglichkeiten im Vollstreckungsstaat finden ihre Rechtfertigung darin, dass als Europäischer Vollstreckungstitel nur Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden über unbestrittene Forderungen bestätigt werden können (vgl. Art. 3 EuVTVO). Vor diesem Hintergrund hat der BGH entschieden, dass den Gerichten im Vollstreckungsstaat selbst eine ordre-public-Prüfung versagt ist.

Erst recht unzulässig ist es, sich gegen eine Vollstreckung, die aufgrund eines Europäischen Vollstreckungstitels betrieben wird, mittels eines Antrags auf Versagung der Vollstreckung gem. den Art. 46 ff Brüssel Ia-VO zur Wehr zu setzen. Anderenfalls bestünde eine sogar noch über den Maßstab des ordre public hinausgehende Überprüfungsmöglichkeit im Vollstreckungsstaat (vgl. Art. 45 Brüssel Ia-VO). Dass dies nicht dem mit der EuVTVO verfolgten Regelungsziel entspräche, ist weder zweifelhaft noch umstritten.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Rechtsbehelf gegen Beschluss im EU-Vollstreckungsversagungsverfahren

BGH vom 15.07.2021 - IX ZB 73/19
MDR 2021, 1485

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