10.04.2025

Unzureichende Widerrufsbelehrung beim Autokauf im Fernabsatz: Kein Wertersatz nach § 357a BGB

Ein nicht richtig über sein Widerrufsrecht belehrter Verbraucher, der den im Fernabsatz geschlossenen Kaufvertrag erfolgreich widerruft, hat dem Unternehmer keinen Wertersatz nach § 357a BGB zu leisten und zwar weder für eine Verschlechterung der gekauften Ware in der Zeit zwischen Auslieferung und Widerruf noch für eine solche in der Zeit zwischen Widerruf und Rücksendung oder Rückgabe. Für die Zeit bis zum Widerruf steht dem Unternehmer auch kein anderer Ersatzanspruch zu. Für die Zeit nach dem Widerruf sperrt § 361 Abs. 1 BGB hingegen einen Anspruch des Unternehmers auf Ersatz des Schadens nicht, der ihm dadurch entsteht, dass der Verbraucher die Ware weiter benutzt.

OLG Stuttgart v. 8.4.2025 - 6 U 126/24
Der Sachverhalt:
Nach Widerruf eines Pkw-Kaufs verlangt der Kläger die Rückabwicklung des Kaufvertrages und die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Unter ausschließlicher Verwendung des Onlineshops der Beklagten kaufte der Kläger aufgrund seiner Bestellung vom 3.6.2022 ein Elektroauto des Typs T. zum Preis von 64.970 € zu privaten Zwecken. Das Fahrzeug wurde am 23.12.2022 an den Kläger ausgeliefert. Die Bestellung enthielt eine Widerrufsbelehrung.

Mit Schreiben vom 29.12.2023 erklärte der Kläger den Widerruf seiner Vertragserklärung, den die Beklagte am 12.1.2024 zurückwies. Als der Kläger das Fahrzeug am 17.4.2024 in Heilbronn bei der Beklagten zurückgeben wollte, lehnte diese die Rücknahme ab. Mit Anwaltsschreiben vom 19.4.2024 wurde nochmals von der Beklagten die Rückabwicklung des Vertrages aufgrund des Widerrufs verlangt. Mit seiner Klage verlangt der Kläger u.a. die Erstattung des Kaufpreises nebst Prozesszinsen, Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs, ferner die Feststellungen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde.

Das LG wies die Klage ab. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Im Wege der Anschlussberufung erhob die Beklagte eine Hilfswiderklage, gerichtet auf die Feststellung von Ansprüchen auf Ersatz des am Fahrzeug eingetretenen Wertverlusts nach Widerruf. Das OLG gab der Klage überwiegend statt und wies die Hilfswiderklage ab.

Die Gründe:
Begründet sind die Klage und die Berufung des Klägers, soweit er gemäß §§ 312g Abs. 1, 355 Abs. 1 und 3 Satz 1 BGB die Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 64.970,00 € verlangt.

Der Kläger war gem. § 312g Abs. 1 BGB zum Widerruf berechtigt. Das Widerrufsrecht war nicht gem. § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB durch Fristablauf erloschen, als der Kläger den Widerruf erklärte. Nach § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB erlischt das Widerrufsrecht bei einem Verbrauchsgüterkauf zwölf Monate und 14 Tage nachdem der Verbraucher die Ware gem. § 356 Abs. 2 Nr. 1 BGB erhalten hat. Da das Fahrzeug am 23.12.2022 an den Kläger ausgeliefert wurde, war die Frist am 29.12.2023 noch nicht abgelaufen. Der Kläger hat sein Widerrufsrecht auch nicht nach Ablauf der gesetzlichen Frist von 14 Tagen (§ 355 Abs. 1 Satz 1 BGB) ausgeübt. Zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs hatte die Widerrufsfrist noch nicht zu laufen begonnen, da der Kläger nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden war - die erteilte Widerrufsbelehrung entspricht nicht dem Gesetz, da sie den Verbraucher nicht darüber in Kenntnis setzt, ob im Einzelfall ein Widerrufsrecht besteht.

Ohne Erfolg wendet die Beklagte ein, die Ausübung des Widerrufsrechts sei rechtsmissbräuchlich und verstoße nach § 242 BGB gegen Treu und Glauben. Auch wenn sich die Beklagte noch nicht im Besitz des Fahrzeugs befindet, ist sie nicht berechtigt, die Leistung bis zu dessen Erhalt nach § 357 Abs. 4 BGB zu verweigern. Die Hilfsaufrechnung der Beklagten mit dem bezifferten Gegenanspruch i.H.v. 28.270 € hat keinen Erfolg, weil der Kläger nach § 357a Abs. 1 Nr. 2 BGB keinen Wertersatz für den am Fahrzeug eingetretenen Wertverlust zu leisten hat.

Ein nicht richtig über sein Widerrufsrecht belehrter Verbraucher, der den im Fernabsatz geschlossenen Kaufvertrag erfolgreich widerruft, hat dem Unternehmer keinen Wertersatz nach § 357a BGB zu leisten und zwar weder für eine Verschlechterung der gekauften Ware in der Zeit zwischen Auslieferung und Widerruf noch für eine solche in der Zeit zwischen Widerruf und Rücksendung oder Rückgabe. Für die Zeit bis zum Widerruf steht dem Unternehmer auch kein anderer Ersatzanspruch zu. Für die Zeit nach dem Widerruf sperrt § 361 Abs. 1 BGB hingegen einen Anspruch des Unternehmers auf Ersatz des Schadens nicht, der ihm dadurch entsteht, dass der Verbraucher die Ware weiter benutzt.

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