Verbraucherdarlehen: Unzulässige Berufung mangels Weiterverfolgen des in erster Instanz erhobenen Klageanspruchs
BGH v. 19.9.2023 - XI ZB 31/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger verlangt von der beklagten Bank nach einem von ihm erklärten Widerruf die Rückabwicklung eines mit ihr zwecks Finanzierung eines Autokaufs geschlossenen Verbraucherdarlehensvertrags.
Das LG wies die Klage auf Feststellung, dass die primären Leistungspflichten des Klägers aus dem Darlehensvertrag zur Zahlung von Zinsen und zur Erbringung von Tilgungsleistungen aufgrund des Widerrufs erloschen seien, als unbegründet ab. Fristgerecht legte der Kläger Berufung ein und begründete diese. Nachdem der Kläger im Dezember 2020 das Darlehen vollständig abgelöst hatte, erklärte er mit Schriftsatz vom 15.12.2021 den Feststellungsantrag in der Hauptsache für erledigt und verlangte (stattdessen) Zahlung der auf das Darlehen erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen sowie der Anzahlung auf den Fahrzeugkaufpreis i.H.v. insgesamt rd. 35.000 € nebst Zinsen nach Herausgabe des finanzierten Fahrzeugs unter Anrechnung eines Wertverlusts des Fahrzeugs sowie die Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Die Beklagte schloss sich der Erledigungserklärung an. Mit Schriftsatz vom 16.3.2022 reduzierte der Kläger im Hinblick auf eine zwischenzeitliche Veräußerung des Fahrzeugs sein Zahlungsbegehren auf rd. 8.000 € nebst Zinsen reduziert.
Mit Verfügung vom 21.9.2022 wies der Vorsitzende des Berufungssenats den Kläger darauf hin, dass im Hinblick auf die übereinstimmend erklärte Erledigung des negativen Feststellungsantrags, der in der ersten Instanz alleinige Hauptsache gewesen sei, Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestünden. Dazu nahm der Kläger Stellung. Mit dem angefochtenen Beschluss verwarf das OLG die Berufung des Klägers als unzulässig. Die Berufung sei mit der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien bzgl. der negativen Feststellungsklage unzulässig geworden. Eine zulässige Berufung setze voraus, dass der Berufungsführer mit der Berufung die Beschwer bekämpfe, die sich für ihn aus dem angefochtenen Urteil, d.h. hier für ihn als Kläger aus der Abweisung der Klage ergebe. Ein Rechtsmittel sei daher unzulässig, wenn es den in der Vorinstanz erhobenen und abgewiesenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolge, sondern lediglich im Wege der Klageerweiterung einen neuen Anspruch zur Entscheidung stelle, über den in erster Instanz nicht entschieden worden sei. Eine bloße Erweiterung oder Änderung der Klage könne nicht das alleinige Ziel des Rechtsmittels sein. Die Beschwer müsse dabei nicht nur im Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung vorliegen, sie dürfe auch nicht vor Schluss der mündlichen Verhandlung entfallen sein. Eine allein verbliebene Beschwer des Klägers im Kostenpunkt genüge nach § 99 Abs. 1 ZPO nicht.
Nach diesen Maßgaben sei die Berufung unzulässig geworden. Der Kläger sei zwar durch das erstinstanzliche Urteil zunächst insoweit beschwert gewesen, als das LG die negative Feststellungsklage abgewiesen habe. Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärung sei aber die Rechtshängigkeit des negativen Feststellungsantrags bzw. der auf Feststellung seiner Erledigung gerichteten Klage entfallen. Mit den Erledigungserklärungen der Parteien habe die Rechtshängigkeit des für erledigt erklärten Teils der Hauptsache geendet; anhängig bleibe insoweit nur der Kostenpunkt, über den gem. § 91a ZPO nach billigem Ermessen zu entscheiden sei. Das angefochtene Urteil, mit dem das LG über die dort ausschließlich verfolgte negative Feststellungsklage entschieden habe, sei in entsprechender Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO wirkungslos geworden, wodurch die auf die Klageabweisung gründende Beschwer des Klägers entfallen sei.
Die Rechtsbeschwerde des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG hat die Berufung des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen.
Die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Berufung setzt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung voraus, dass der Angriff des Rechtsmittelführers (auch) auf die Beseitigung der im vorinstanzlichen Urteil enthaltenen Beschwer gerichtet ist. Das Rechtsmittel ist mithin unzulässig, wenn mit ihm lediglich im Wege der Klageänderung ein neuer, bislang nicht geltend gemachter Anspruch zur Entscheidung gestellt wird; vielmehr muss zumindest auch der in erster Instanz erhobene Klageanspruch wenigstens teilweise weiterverfolgt werden. Die Erweiterung oder Änderung der Klage kann nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein, sondern nur auf der Grundlage eines zulässigen Rechtsmittels verwirklicht werden. Deshalb muss nach einer Klageabweisung das vorinstanzliche Begehren zumindest teilweise weiterverfolgt werden. Eine Berufung, welche die Richtigkeit der vorinstanzlichen Klageabweisung nicht in Frage stellt und ausschließlich einen neuen bisher noch nicht geltend gemachten Anspruch zum Gegenstand hat, ist unzulässig.
Nach diesen Maßstäben ist die Berufung des Klägers unzulässig, weil er sein erstinstanzliches Begehren nicht weiterbetrieben, sondern im Wege der Klageänderung einen neuen, bislang nicht erhobenen Anspruch zur Prüfung unterbreitet hat. Nach der Rechtsprechung des Senats betreffen die auf die positive Feststellung eines bestimmten Saldos aus einem Rückgewährschuldverhältnis gerichtete und die auf die Feststellung des Wegfalls von Primärpflichten des Darlehensnehmers aus dem Darlehensvertrag zielende Klage unterschiedliche Streitgegenstände. Aufgrund dessen handelt es sich beim Übergang von dem einen zu dem anderen Antrag um eine Klageänderung i.S.d. § 263 ZPO und nicht bloß um eine Antragsbeschränkung oder -erweiterung i.S.d. § 264 Nr. 2 ZPO oder als ein dem Vorgehen nach § 264 Nr. 3 ZPO vergleichbares Verfahren.
Dies gilt gleichermaßen in Bezug auf den vom Kläger in erster Instanz verfolgten negativen Feststellungsantrag und dem in zweiter Instanz geltend gemachten Anspruch auf Rückgewähr der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen sowie der Anzahlung. Denn der Zahlungsantrag stellt in Form der Leistungsklage die Fortsetzung der positiven Feststellungsklage dar und wäre im Fall des Übergangs als Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO anzusehen. Gegenüber der negativen Feststellungsklage betrifft die Zahlungsklage dagegen einen anderen Streitgegenstand.
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§ 511 Statthaftigkeit der Berufung
Heßler in Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022
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Der Kläger verlangt von der beklagten Bank nach einem von ihm erklärten Widerruf die Rückabwicklung eines mit ihr zwecks Finanzierung eines Autokaufs geschlossenen Verbraucherdarlehensvertrags.
Das LG wies die Klage auf Feststellung, dass die primären Leistungspflichten des Klägers aus dem Darlehensvertrag zur Zahlung von Zinsen und zur Erbringung von Tilgungsleistungen aufgrund des Widerrufs erloschen seien, als unbegründet ab. Fristgerecht legte der Kläger Berufung ein und begründete diese. Nachdem der Kläger im Dezember 2020 das Darlehen vollständig abgelöst hatte, erklärte er mit Schriftsatz vom 15.12.2021 den Feststellungsantrag in der Hauptsache für erledigt und verlangte (stattdessen) Zahlung der auf das Darlehen erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen sowie der Anzahlung auf den Fahrzeugkaufpreis i.H.v. insgesamt rd. 35.000 € nebst Zinsen nach Herausgabe des finanzierten Fahrzeugs unter Anrechnung eines Wertverlusts des Fahrzeugs sowie die Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Die Beklagte schloss sich der Erledigungserklärung an. Mit Schriftsatz vom 16.3.2022 reduzierte der Kläger im Hinblick auf eine zwischenzeitliche Veräußerung des Fahrzeugs sein Zahlungsbegehren auf rd. 8.000 € nebst Zinsen reduziert.
Mit Verfügung vom 21.9.2022 wies der Vorsitzende des Berufungssenats den Kläger darauf hin, dass im Hinblick auf die übereinstimmend erklärte Erledigung des negativen Feststellungsantrags, der in der ersten Instanz alleinige Hauptsache gewesen sei, Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestünden. Dazu nahm der Kläger Stellung. Mit dem angefochtenen Beschluss verwarf das OLG die Berufung des Klägers als unzulässig. Die Berufung sei mit der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien bzgl. der negativen Feststellungsklage unzulässig geworden. Eine zulässige Berufung setze voraus, dass der Berufungsführer mit der Berufung die Beschwer bekämpfe, die sich für ihn aus dem angefochtenen Urteil, d.h. hier für ihn als Kläger aus der Abweisung der Klage ergebe. Ein Rechtsmittel sei daher unzulässig, wenn es den in der Vorinstanz erhobenen und abgewiesenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolge, sondern lediglich im Wege der Klageerweiterung einen neuen Anspruch zur Entscheidung stelle, über den in erster Instanz nicht entschieden worden sei. Eine bloße Erweiterung oder Änderung der Klage könne nicht das alleinige Ziel des Rechtsmittels sein. Die Beschwer müsse dabei nicht nur im Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung vorliegen, sie dürfe auch nicht vor Schluss der mündlichen Verhandlung entfallen sein. Eine allein verbliebene Beschwer des Klägers im Kostenpunkt genüge nach § 99 Abs. 1 ZPO nicht.
Nach diesen Maßgaben sei die Berufung unzulässig geworden. Der Kläger sei zwar durch das erstinstanzliche Urteil zunächst insoweit beschwert gewesen, als das LG die negative Feststellungsklage abgewiesen habe. Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärung sei aber die Rechtshängigkeit des negativen Feststellungsantrags bzw. der auf Feststellung seiner Erledigung gerichteten Klage entfallen. Mit den Erledigungserklärungen der Parteien habe die Rechtshängigkeit des für erledigt erklärten Teils der Hauptsache geendet; anhängig bleibe insoweit nur der Kostenpunkt, über den gem. § 91a ZPO nach billigem Ermessen zu entscheiden sei. Das angefochtene Urteil, mit dem das LG über die dort ausschließlich verfolgte negative Feststellungsklage entschieden habe, sei in entsprechender Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO wirkungslos geworden, wodurch die auf die Klageabweisung gründende Beschwer des Klägers entfallen sei.
Die Rechtsbeschwerde des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG hat die Berufung des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen.
Die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Berufung setzt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung voraus, dass der Angriff des Rechtsmittelführers (auch) auf die Beseitigung der im vorinstanzlichen Urteil enthaltenen Beschwer gerichtet ist. Das Rechtsmittel ist mithin unzulässig, wenn mit ihm lediglich im Wege der Klageänderung ein neuer, bislang nicht geltend gemachter Anspruch zur Entscheidung gestellt wird; vielmehr muss zumindest auch der in erster Instanz erhobene Klageanspruch wenigstens teilweise weiterverfolgt werden. Die Erweiterung oder Änderung der Klage kann nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein, sondern nur auf der Grundlage eines zulässigen Rechtsmittels verwirklicht werden. Deshalb muss nach einer Klageabweisung das vorinstanzliche Begehren zumindest teilweise weiterverfolgt werden. Eine Berufung, welche die Richtigkeit der vorinstanzlichen Klageabweisung nicht in Frage stellt und ausschließlich einen neuen bisher noch nicht geltend gemachten Anspruch zum Gegenstand hat, ist unzulässig.
Nach diesen Maßstäben ist die Berufung des Klägers unzulässig, weil er sein erstinstanzliches Begehren nicht weiterbetrieben, sondern im Wege der Klageänderung einen neuen, bislang nicht erhobenen Anspruch zur Prüfung unterbreitet hat. Nach der Rechtsprechung des Senats betreffen die auf die positive Feststellung eines bestimmten Saldos aus einem Rückgewährschuldverhältnis gerichtete und die auf die Feststellung des Wegfalls von Primärpflichten des Darlehensnehmers aus dem Darlehensvertrag zielende Klage unterschiedliche Streitgegenstände. Aufgrund dessen handelt es sich beim Übergang von dem einen zu dem anderen Antrag um eine Klageänderung i.S.d. § 263 ZPO und nicht bloß um eine Antragsbeschränkung oder -erweiterung i.S.d. § 264 Nr. 2 ZPO oder als ein dem Vorgehen nach § 264 Nr. 3 ZPO vergleichbares Verfahren.
Dies gilt gleichermaßen in Bezug auf den vom Kläger in erster Instanz verfolgten negativen Feststellungsantrag und dem in zweiter Instanz geltend gemachten Anspruch auf Rückgewähr der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen sowie der Anzahlung. Denn der Zahlungsantrag stellt in Form der Leistungsklage die Fortsetzung der positiven Feststellungsklage dar und wäre im Fall des Übergangs als Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO anzusehen. Gegenüber der negativen Feststellungsklage betrifft die Zahlungsklage dagegen einen anderen Streitgegenstand.
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