Verbrennungen eines Patienten durch Stromfluss bei der OP können zu Beweislastumkehr führen
BGH 26.9.2017, VI ZR 529/16Der Kläger wurde am 27.4.2011 in dem von der Beklagten zu 2 betriebenen Krankenhaus von dem Beklagten zu 1 wegen eines Prostata-Karzinoms unter Verwendung eines Hochfrequenzgeräts (Elektrokauter) operiert. Am Tag nach der OP wurde beim Kläger eine Rötung mit Blasenbildung auf beiden Gesäßhälften festgestellt, die sehr schmerzhaft war. Die Verbrennungsabteilung stellte eine Verbrennung Stadium 2a mit einer Längenausdehnung von 20 cm und einer Breitausdehnung von 10 cm fest.
Bei einer ambulanten Vorstellung am nächsten Tag wurde mittels MRT ein Ödem der Gesäß- und Rückenmuskulatur entdeckt. Es wurde schließlich die Verdachtsdiagnose einer entzündlichen Komplikation der Verbrennungen gestellt und der Kläger notoperiert. Dabei wurde ihm das entzündete Binde- und Muskelgewebe entfernt. Später wurde eine weitere Operation zur Entfernung entzündeten Gewebes erforderlich. Darüber hinaus musste dem Kläger vorübergehend ein künstlicher Darmausgang gelegt werden.
Der Kläger nahm die Beklagten wegen fehlerhafter Lagerung/ Durchführung der Operation und unzureichender Aufklärung über die Risiken auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Sowohl das LG als auch das OLG wiesen die Klage ab. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hatte jedoch vor dem BGH Erfolg. Das Urteil des OLG wurde aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.
Die Gründe:
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe einen Behandlungsfehler in Form fehlerhafter Lagerung nicht bewiesen, beruht auf einer Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG.
Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen, sofern die Ausführungen nicht unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert sind. Die Entscheidung des Berufungsgerichts erfüllt diese Anforderungen nicht.
Das Berufungsgericht hat den Kern des Klägervortrags nicht erfasst und wesentliche für den Kläger günstige Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen unberücksichtigt gelassen. Der Kläger hat behauptet, dass er aufgrund unsachgemäßer Lagerung die Verbrennungen erlitten habe und das, wenn er ordnungsgemäß gelagert worden wäre, es technisch zu keiner Verbrennung hätte kommen können. Dies wird durch die Angaben der beiden Sachverständigen, die sich der Kläger konkludent zu eigen gemacht hat, gestützt. Beide Sachverständigen haben angegeben, dass ein ungewollter Stromabfluss nur bei nicht ordnungsgemäßer Lagerung des Patienten zustande kommen könne.
Bei dieser Sachlage liegt es nahe, dass die Verbrennung des Klägers sicher hätte vermieden werden können, wenn er auf einer dauerhaft nicht leitfähigen Unterlage gelagert worden wäre. Dieser Frage hätte das Berufungsgericht nachgehen müssen. Denn trifft die Annahme zu, hätte sich ein von der Behandlungsseite zu beherrschendes Risiko verwirklicht mit der Folge, dass die Beweislastumkehr eintritt. Die Beklagtenseite hätte dann beweisen müssen, dass sie alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen hat, um das Risiko zu vermeiden.
Die Gehörsverletzung war zudem auch entscheidungserheblich. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht unter der gebotenen Berücksichtigung des Klägervorbringens zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre.
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