11.05.2020

Vereinbarung über die Rückübertragung der Unterhaltsansprüche i.S.v. § 33 Abs. 4 Satz 1 SGB II

Das Vertretungsrecht nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB umfasst nicht die Befugnis des Obhutselternteils, für sein Kind eine Vereinbarung über die Rückübertragung der Unterhaltsansprüche i.S.v. § 33 Abs. 4 Satz 1 SGB II zu schließen.

BGH v. 18.3.2020 - XII ZB 213/19
Der Sachverhalt:
Der Antragsgegner wendet sich gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt. Die Antragstellerin und der Antragsgegner schlossen im Juli 1999 die Ehe, aus der die mittlerweile volljährige Tochter B und die weitere Tochter A, geboren am 15.7.2006, hervorgegangen sind. Die Kinder leben seit der Trennung der Eltern im Haushalt der Antragstellerin. Die Ehe wurde im März 2014 rechtskräftig geschieden. Die Antragstellerin forderte den Antragsgegner mit Schreiben vom 18.9.2013 auf, Auskunft über sein Einkommen zu erteilen.

Mit ihrem am 10.12.2013 beim AG eingegangenen und dem Antragsgegner am 24.1.2014 zugestellten Stufenantrag beantragte die Antragstellerin in der zweiten Stufe - zunächst unbezifferten - Unterhalt für die Kinder, für die den Beteiligten die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, "ab Dezember 2013". Mit später erfolgter Bezifferung begehrte sie für die Zeit ab 1.9.2013 Kindesunterhalt für die beiden Kinder. Die Antragstellerin bezog ab August 2013 bis zum 9.4.2015 für sich und die gemeinsamen Kinder als Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II in unterschiedlicher Höhe. Hierfür liegen verschiedene Rückübertragungsvereinbarungen mit der Antragstellerin vor. A hat für den Zeitraum vom 1.9.2013 bis einschließlich April 2015 zudem Unterhaltsvorschuss i.H.v. 180 € mtl. erhalten; eine Rückübertragungserklärung hierfür liegt nicht vor.

Das AG verpflichtete den Antragsgegner u.a. zur Zahlung rückständigen Unterhalts für die Zeit von September 2013 bis Mai 2015 i.H.v. rd. 6.800 € (für B) und für die Zeit von September 2013 bis Juni 2015 i.H.v. rd. 1.700 € (für A) an die Antragstellerin sowie i.H.v. 2.700 € an das Jugendamt. Das OLG wies die Beschwerde des Antragsgegners mit der Maßgabe zurück, dass der Unterhaltsrückstand von 2.700 € für die Zeit von Februar 2014 bis April 2015 an das Land Hessen zu zahlen sei. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hob der BGH den Beschluss des OLG weitestgehend auf und verwies die Sache - nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Beteiligten hinsichtlich eines Großteils der Verpflichtung - zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die Annahme des OLG, dass der Anspruch, soweit Leistungen nach dem SGB II erbracht worden sind, von der Antragstellerin geltend gemacht werden könne, ist rechtlich unzutreffend.

Das OLG hat sich schon nicht die Frage vorgelegt, ob einem Übergang der Unterhaltsansprüche auf den Träger der Leistungen die Vorschrift des § 33 Abs. 2 Satz 3 SGB II entgegensteht. Zwar bleiben die Kinder im Falle eines fehlenden Übergangs trotz der Leistungserbringung weiterhin Anspruchsinhaber hinsichtlich des rückständigen Unterhalts. Der Unterhaltspflichtige könnte ihren Ansprüchen dann aber möglicherweise die Grundsätze von Treu und Glauben, § 242 BGB, entgegenhalten. Entgegen der Auffassung des OLG fehlt es - soweit der Anspruch auf den Träger der Sozialleistungen übergegangen ist - an einer wirksamen Rückübertragung der Unterhaltsansprüche zur gerichtlichen Geltendmachung für ihre Kinder auf die Antragstellerin.

Dabei kann dahinstehen, ob der Rechtsbeschwerde dahin zu folgen ist, dass die in den Akten befindlichen Vereinbarungen die hier verfahrensgegenständlichen Ansprüche nicht einmal (vollständig) erfassen. Denn die Befugnis der Antragstellerin zum Abschluss einer Vereinbarung über die Rückübertragung der Unterhaltsansprüche folgt weder aus § 38 Abs. 1 i.V.m. § 33 SGB II noch aus § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB. Anders als das OLG meint, ist die Antragstellerin sozialrechtlich hinsichtlich der ihren Kindern gewährten Sozialleistungen nicht Anspruchsinhaberin und kann daher für diese nach § 33 Abs. 4 Satz 1 SGB II keinen Rückübertragungsvertrag schließen. Ebenso wenig folgt eine Berechtigung der Antragstellerin zum Abschluss einer Rückübertragungsvereinbarung für die Ansprüche der A aus § 38 Abs. 1 SGB II.

Ebenso wenig umfasst das Vertretungsrecht des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB die Befugnis des Obhutselternteils - hier: der Mutter-, für ihre Kinder Vereinbarungen über die Rückübertragung der Unterhaltsansprüche i.S.v. § 33 Abs. 4 Satz 1 SGB II zu schließen. Steht die elterliche Sorge für ein Kind den Eltern gemeinsam zu, so kann gem. § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend machen. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, inwieweit § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB dem Obhutselternteil auch eine Vertretungsmacht hinsichtlich der Rückübertragung von übergegangenen Kindesunterhaltsansprüchen i.S.d. § 33 Abs. 4 Satz 1 SGB II einräumt. Nach überwiegender Auffassung erfasst § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB die Rückübertragung dieser Ansprüche nicht - diese Ansicht ist zutreffend.

Nach dem Wortlaut des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB kann bei gemeinsamer elterlicher Sorge der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend machen. Eine Vereinbarung über den Abschluss einer Rückübertragung ist vom Wortlaut der Norm nicht erfasst. Bestätigt wird dies durch eine teleologische Auslegung der Norm. Auch systematische und historische Erwägungen sprechen gegen eine weite Auslegung des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB. Nach alldem war die Antragstellerin als mitsorgeberechtigte Mutter der in ihrer Obhut befindlichen Kinder nicht befugt, für diese mit dem Träger der Leistungen eine Rückübertragung zu vereinbaren. Für die Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz kommt es demgegenüber nicht auf eine sozialrechtliche Vergleichsberechnung an. Deshalb ist das OLG dem Grunde nach zutreffend von einem gesetzlichen Übergang des Anspruchs auf den Leistungsträger nach § 7 Abs. 1 UVG ausgegangen.
BGH online
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