02.02.2024

Verfahren mit Anwaltszwang: Zweiter Versäumnisbeschluss mangels Anwalt

In einem Verfahren mit Anwaltszwang muss ein Beteiligter alles ihm Mögliche und Zumutbare unternehmen, um das Gericht rechtzeitig vor Erlass eines zweiten Versäumnisbeschlusses darüber zu informieren, dass er keinen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden hat. In einem Verfahren mit Anwaltszwang zwingt die Erkrankung eines Beteiligten das Gericht nicht zu einer Terminsverlegung, wenn nicht gewichtige Gründe die persönliche Anwesenheit des Beteiligten erfordern. Der Beteiligte hat die gewichtigen Gründe substantiiert vorzutragen.

BGH v. 13.12.2023 - XII ZB 550/21
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin begehrt, die Zwangsvollstreckung des Antragsgegners aus einer notariellen Urkunde vom 14.6.2005 für unzulässig erklären zu lassen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem AG am 19.10.2020 erschien für den Antragsgegner niemand, woraufhin antragsgemäß ein dem Begehren der Antragstellerin stattgebender Versäumnisbeschluss erging. Dagegen legte der Antragsgegner, vertreten durch einen neu mandatierten Verfahrensbevollmächtigten, Einspruch ein. Mit Schriftsatz vom 5.1.2021 legte dieser Verfahrensbevollmächtigte das Mandat nieder. Im Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache am 18.2.2021 erschien für den Antragsgegner abermals niemand. Daraufhin erging antragsgemäß ein zweiter Versäumnisbeschluss, durch den der Einspruch des Antragsgegners verworfen wurde.

Hiergegen legte der Antragsgegner, wiederum vertreten durch einen neu mandatierten Verfahrensbevollmächtigten, mit der Begründung Beschwerde ein, dass er die Teilnahme am Termin vom 18.2.2021 unverschuldet versäumt habe. Es sei ihm nicht möglich gewesen, in nur knapp fünf Wochen einen neuen Rechtsanwalt zu finden, der diesen Termin für ihn wahrnehme. Zudem habe er auch aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Termin erscheinen können. Dies sei wiederholt durch ärztliche Atteste, zuletzt durch ein Attest vom 1.10.2020, nachgewiesen worden. Auch sei ihm die Anreise zu einem Termin nicht zumutbar, solange es keinen Impfstoff gegen das SARS-Cov-2-Virus gebe, weil er mit seinen 74 Jahren zu einer Risikogruppe gehöre. Insbesondere die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel könne ihm nicht zugemutet werden.

Das OLG sah die Beschwerde des Antragsgegners als unzulässig an, weil der Antragsgegner nicht hinreichend dargelegt habe, den Termin am 18.2.2021 unverschuldet versäumt zu haben. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners, mit der er weiterhin die Aufhebung des zweiten Versäumnisbeschlusses erstrebt. Der BGH lehnte den Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht ab und verwarf die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des OLG.

Die Gründe:
Das OLG hat die Beschwerde des Antragsgegners zu Recht als unzulässig verworfen.

Zutreffend ist das OLG davon ausgegangen, dass die Säumnis des Antragsgegners am 18.2.2021 nicht deshalb unverschuldet sein konnte, weil es dem Antragsgegner nach seinem Vortrag im Beschwerdeverfahren trotz umfangreicher Bemühungen nicht gelungen sei, nach Niederlegung des Mandats durch seinen früheren Verfahrensbevollmächtigten am 5.1.2021 bis zum 18.2.2021 einen neuen Rechtsanwalt zu beauftragen. Einem Beteiligten, der in einem Verfahren mit Anwaltszwang keinen vertretungsbereiten Rechtsanwalt gefunden hat, kann zwar unter bestimmten Voraussetzungen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist gewährt werden, so dass der Umstand der fehlenden anwaltlichen Vertretung grundsätzlich auch eine nicht schuldhafte Versäumung i.S.d. § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu begründen vermag.

Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es zu der jedem Beteiligten obliegenden Sorgfaltspflicht gehört, dem Gericht alle Umstände mitzuteilen, die dem Erscheinen zu einem anberaumten Termin im Wege stehen, und hierdurch eine Verlegung des Termins zu ermöglichen. In einem Verfahren mit Anwaltszwang muss daher ein Beteiligter alles ihm Mögliche und Zumutbare unternehmen, um das Gericht rechtzeitig vor Erlass eines zweiten Versäumnisbeschlusses darüber zu informieren, dass er keinen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden hat.

Der Antragsgegner konnte auch nicht aus anderen Gründen davon ausgehen, dass der Termin vom 18.2.2021 verlegt werden würde. Das OLG hat zutreffend ausgeführt, dass der Antragsgegner von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zum Termin am 18.2.2021 entbunden war und der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs das AG vorliegend nicht dazu gezwungen hat, diesen Termin zu verlegen, um dem Antragsgegner eine persönliche Anwesenheit zu ermöglichen. Daher kommt es nicht darauf an, ob die vom Antragsgegner vorgebrachten krankheits- bzw. pandemiebedingten Verhinderungsgründe eine unverschuldete Versäumung des Termins hätten begründen können. In einem Verfahren mit Anwaltszwang zwingt die Erkrankung eines Beteiligten das Gericht mithin nicht zu einer Terminsverlegung, wenn nicht gewichtige Gründe die persönliche Anwesenheit des Beteiligten erfordern. Der Beteiligte hat die gewichtigen Gründe substantiiert vorzutragen. Dies ist vorliegend nicht ersichtlich.

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