Verfahrensfehlerhaftes Offenlassen der Existenz einer Partei im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung
OLG Frankfurt a.M. 11.3.2025 - 9 U 54/24
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatten einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung gegen den Beklagten geltend gemacht, den sie aus abgetretenem Recht seiner vormaligen Lebensgefährtin nach Beendigung einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft ableitete. Sie hat behauptet, sie sei als englische Limited nach englischem Recht rechtsfähig und werde durch ihren Geschäftsführer vertreten. Der Beklagte hat die Existenz der Klägerin sowie deren ordnungsgemäße Vertretung bestritten.
Das LG hat die auf Zahlung von 40.937 € sowie Zahlung von 639,19 € monatlich ab Juli 2023 gerichtete Klage wegen der vermeintlich fehlenden Aktivlegitimation abgewiesen. Die Klägerin sei partei- und prozessfähig. Der Beklagte habe zwar die Existenz der Klägerin bestritten. Bei dieser streitigen Tatsache handele es sich aber um eine doppelrelevante Tatsache, die sowohl für die Zulässigkeit als auch die Begründetheit der Klage von Bedeutung sei. Die Frage betreffe auch die erst im Rahmen der Begründetheit zu prüfende Aktivlegitimation. Es genüge daher im Rahmen der Zulässigkeit die bloße Behauptung des Klägers, sofern sie in sich schlüssig sei, um die Zulässigkeit zu begründen. Es reiche daher aus, dass die Klägerin die bestehende Gesellschaftsform sowie die Vertretungsbefugnis dargelegt habe. Für die Prüfung der Schlüssigkeit bedürfe es keines Beweisangebots. Die Klägerin sei allerdings hinsichtlich ihrer Aktivlegitimation beweisfällig geblieben. Ihr stünden die geltend gemachten Ansprüche nur zu, wenn sie in der angegebenen Gesellschaftsform tatsächlich bestehe.
Die Klägerin machte im Berufungsverfahren im Wesentlichen geltend, sie habe ihre Existenz erstinstanzlich bereits durch einen Auszug aus dem beim Companies House geführten englischen Handelsregister nachgewiesen. Zudem habe das LG in einem Zwischenurteil festgestellt, dass die Klägerin existiere. Hierdurch sei ein Vertrauenstatbestand bei der Klägerin geschaffen worden, dass keine weiteren Nachweise erforderlich seien.
Das OLG hat die Entscheidung des LG aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Die Gründe:
Das LG hat die Aktivlegitimation verfahrensfehlerhaft verneint und hierbei das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt.
Die rechtliche Existenz und damit Parteifähigkeit einer Partei gehört zu den Prozessvoraussetzungen, deren Mangel das Gericht nach § 56 Abs. 1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen berücksichtigen muss. Liegen hinreichende Anhaltspunkte für das Fehlen der Prozessvoraussetzungen vor, ist das Gericht von Amts wegen gehalten, alle infrage kommenden Beweise zu erheben. In diesem Fall ist es verfahrensfehlerhaft, die Frage der Partei- und Prozessfähigkeit als doppelrelevante Tatsache im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung offen zu lassen.
Infolgedessen war die Berufung zulässig und vorläufig begründet. Es konnte insoweit dahinstehen, ob die erstinstanzlich vorgelegten Dokumente bereits einen im Rahmen des Freibeweises hinreichenden Nachweis über die Existenz und Vertretung der Klägerin erbracht hätten. Insbesondere bedurfte es keiner Entscheidung, ob der Beklagte den Auszug aus dem englischen Handelsregister noch substantiiert bestritten hatte. Denn jedenfalls im Rahmen des Berufungsverfahrens hat die Klägerin die vom LG vermissten Unterlagen beigebracht und ihre Existenz sowie ihre Vertretung durch die notarielle Bestätigung nebst Apostille hinreichend nachgewiesen.
Entgegen der Auffassung des Beklagten waren diese Unterlagen der Entscheidung im Berufungsverfahren zugrunde zu legen. Die Berücksichtigung ist insbesondere ersichtlich nicht nach § 529 ZPO, § 531 ZPO ausgeschlossen. Denn da die Partei- und Prozessfähigkeit in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen ist, ist das Berufungsgericht an Tatsachenfeststellungen der unteren Instanz zu den Prozessvoraussetzungen nicht gebunden. Zudem beruhte es auf einem Verfahrensfehler, dass die Klägerin diese Unterlagen, deren Echtheit der Beklagte nicht substantiiert bestritten hatte, nicht bereits erstinstanzlich vorgelegt hat.
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Die Klägerin hatten einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung gegen den Beklagten geltend gemacht, den sie aus abgetretenem Recht seiner vormaligen Lebensgefährtin nach Beendigung einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft ableitete. Sie hat behauptet, sie sei als englische Limited nach englischem Recht rechtsfähig und werde durch ihren Geschäftsführer vertreten. Der Beklagte hat die Existenz der Klägerin sowie deren ordnungsgemäße Vertretung bestritten.
Das LG hat die auf Zahlung von 40.937 € sowie Zahlung von 639,19 € monatlich ab Juli 2023 gerichtete Klage wegen der vermeintlich fehlenden Aktivlegitimation abgewiesen. Die Klägerin sei partei- und prozessfähig. Der Beklagte habe zwar die Existenz der Klägerin bestritten. Bei dieser streitigen Tatsache handele es sich aber um eine doppelrelevante Tatsache, die sowohl für die Zulässigkeit als auch die Begründetheit der Klage von Bedeutung sei. Die Frage betreffe auch die erst im Rahmen der Begründetheit zu prüfende Aktivlegitimation. Es genüge daher im Rahmen der Zulässigkeit die bloße Behauptung des Klägers, sofern sie in sich schlüssig sei, um die Zulässigkeit zu begründen. Es reiche daher aus, dass die Klägerin die bestehende Gesellschaftsform sowie die Vertretungsbefugnis dargelegt habe. Für die Prüfung der Schlüssigkeit bedürfe es keines Beweisangebots. Die Klägerin sei allerdings hinsichtlich ihrer Aktivlegitimation beweisfällig geblieben. Ihr stünden die geltend gemachten Ansprüche nur zu, wenn sie in der angegebenen Gesellschaftsform tatsächlich bestehe.
Die Klägerin machte im Berufungsverfahren im Wesentlichen geltend, sie habe ihre Existenz erstinstanzlich bereits durch einen Auszug aus dem beim Companies House geführten englischen Handelsregister nachgewiesen. Zudem habe das LG in einem Zwischenurteil festgestellt, dass die Klägerin existiere. Hierdurch sei ein Vertrauenstatbestand bei der Klägerin geschaffen worden, dass keine weiteren Nachweise erforderlich seien.
Das OLG hat die Entscheidung des LG aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Die Gründe:
Das LG hat die Aktivlegitimation verfahrensfehlerhaft verneint und hierbei das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt.
Die rechtliche Existenz und damit Parteifähigkeit einer Partei gehört zu den Prozessvoraussetzungen, deren Mangel das Gericht nach § 56 Abs. 1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen berücksichtigen muss. Liegen hinreichende Anhaltspunkte für das Fehlen der Prozessvoraussetzungen vor, ist das Gericht von Amts wegen gehalten, alle infrage kommenden Beweise zu erheben. In diesem Fall ist es verfahrensfehlerhaft, die Frage der Partei- und Prozessfähigkeit als doppelrelevante Tatsache im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung offen zu lassen.
Infolgedessen war die Berufung zulässig und vorläufig begründet. Es konnte insoweit dahinstehen, ob die erstinstanzlich vorgelegten Dokumente bereits einen im Rahmen des Freibeweises hinreichenden Nachweis über die Existenz und Vertretung der Klägerin erbracht hätten. Insbesondere bedurfte es keiner Entscheidung, ob der Beklagte den Auszug aus dem englischen Handelsregister noch substantiiert bestritten hatte. Denn jedenfalls im Rahmen des Berufungsverfahrens hat die Klägerin die vom LG vermissten Unterlagen beigebracht und ihre Existenz sowie ihre Vertretung durch die notarielle Bestätigung nebst Apostille hinreichend nachgewiesen.
Entgegen der Auffassung des Beklagten waren diese Unterlagen der Entscheidung im Berufungsverfahren zugrunde zu legen. Die Berücksichtigung ist insbesondere ersichtlich nicht nach § 529 ZPO, § 531 ZPO ausgeschlossen. Denn da die Partei- und Prozessfähigkeit in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen ist, ist das Berufungsgericht an Tatsachenfeststellungen der unteren Instanz zu den Prozessvoraussetzungen nicht gebunden. Zudem beruhte es auf einem Verfahrensfehler, dass die Klägerin diese Unterlagen, deren Echtheit der Beklagte nicht substantiiert bestritten hatte, nicht bereits erstinstanzlich vorgelegt hat.
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